Bild nicht mehr verfügbar.

Seit sieben Jahren sitzt der Oberösterreicher Paul Achleitner im Aufsichtsrat des leidgeprüften Finanzkonzerns.

Foto: Reuters / Kai Pfaffenbach

Es dürfte kein Zufall gewesen sein: Im Oktober des Vorjahres brachte die Investmentbank Goldman Sachs einen Bericht heraus, in dem eine Großfusion am deutschen Bankenmarkt analysiert wurde. Ein Zusammengehen von Deutscher Bank und Commerzbank wurde darin ausdrücklich befürwortet. Die Deutsche Bank, seit Jahren im Niedergang begriffen, aber immer noch Primus im großen Nachbarland, würde mit dem Schritt die Finanzierungskosten senken und Eigenkapital freisetzen, lauteten zwei der Argumente. Einer, der einen guten Draht zu Goldman Sachs hat, ist der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank: Paul Achleitner.

Seit sieben Jahren lenkt der Oberösterreicher die Geschicke des leidgeprüften Finanzkonzerns, der seinen Börsenwert in Achleitners Periode auf rund 16 Milliarden Euro fast halbiert hat. Zum Vergleich: Der französische Rivale BNP Paribas ist 56 Milliarden Euro, die spanische Santander 72 Milliarden Euro wert. Doch Achleitner sitzt trotzdem fest im Sattel. Läuft es – wieder einmal – nicht, müssen die operativen Chefs den Kopf hinhalten. Erst war es der schon von Achleitner inthronisierte Anshu Jain, der gehen musste, dann dessen Nachfolger John Cryan, der in die Wüste geschickt wurde.

Verwalter des Staatsanteils

Achleitner war selbst Partner bei Goldman Sachs, bevor er zur Allianz und danach an die Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank wechselte. Ins Kontrollgremium holte er den früheren Goldman-Sachs-Partner John Thain. Den gleichen Brötchengeber hatte auch einer, der jetzt in Berlin die Fäden zieht: Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, der bei der Commerzbank viel mitzureden hat, weil das Institut in der Finanzkrise vom Bund aufgefangen werden musste. Beide ziehen jetzt offenbar an einem Strang, wenn es um die Bündelung der Kräfte geht. Wobei das Wort Kräfte möglicherweise unangebracht ist. Angesichts der Schwäche beider Banken werden schon despektierliche Vergleiche bemüht: Beispielsweise jener, wonach zwei Humpelnde auch nicht schneller gehen können, wenn sie sich zusammenschließen.

Bilanzakrobatik

Bemerkenswert ist, was die Goldman-Sachs-Analysten schon im Vorjahr herausgefunden haben. Die Vorteile einer Fusion ergeben sich demnach in erster Linie aus zwiespältigen Faktoren. Da wäre einmal der staatliche Einfluss, der jetzt schon bei der Commerzbank besteht. Wäre der Bund an einem fusionierten Institut beteiligt, würde die Deutsche Bank ein gewichtiges Problem loswerden. Das größte Geldhaus des Landes muss derzeit verhältnismäßig hohe Zinsen für Finanzierungen zahlen, weil die Kreditwürdigkeit unter der Ertragsschwäche leidet. Der zweite gewichtige Aspekt: Ein Zusammengehen würde – Hokuspokus – viel Kapital freisetzen. Wie das geht? Ganz einfach: Die Commerzbank hat 23 Milliarden Euro an Kernkapital in den Büchern stehen – also beispielsweise Beteiligungen, Finanzanlagen und dergleichen.

Der Börsenwert der Bank liegt nur bei neun Milliarden Euro. Hier spiegeln sich die niedrigen Erträge und die mäßigen Zukunftserwartungen wider. Jedenfalls würde die Differenz zwischen Börsenwert und Kernkapital – satte 14 Milliarden Euro – bei einem Zusammenschluss als Gewinn verbucht, der das Eigenkapital erhöht. Auf diese Form der Bilanzakrobatik haben die Goldman-Sachs-Analysten im Herbst hingewiesen. Sie müssen es wissen, sind die Experten doch schon mehrfach von der Commerzbank zurate gezogen worden. Laut Agentur Reuters wurde die US-Investmentbank – neben Rothschild – nun auch für die Beratung bei der Fusion mit der Deutschen Bank angeheuert.

Achleitner und das Finanzministerium müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, wollen sie den Deal durchbringen. Besonders harsch wird die Fusion von der Gewerkschaft Verdi abgelehnt, die vor dem Verlust von Zehntausenden Arbeitsplätzen warnt. Stellenstreichungen und Filialschließungen sind vor allem für den roten Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ein hoher Preis, sollte er die Allianz durchwinken. Doch auch die Kartellwächter dürften angesichts eines Marktanteils von rund einem Fünftel ein kritisches Auge auf die Liaison werfen.

Lahme Aktionäre

Und da wäre noch die Frage der Aktionäre der Deutschen Bank. Hier kann Achleitner auf seine guten Kontakte vertrauen. Den Emir von Katar als größten Einzelaktionär hat der Österreicher schon des Öfteren milde stimmen können, wenn die Hoffnungen wieder einmal enttäuscht wurden. Der chinesische Mischkonzern HNA, der sein Engagement in Frankfurt über die heimische Fondsgesellschaft C-Quadrat verfolgt, hat genug eigene Probleme am Hals und zieht sich tendenziell aus der Deutschen Bank zurück. Cerberus – der Höllenhund ist auch Aktionär bei Commerzbank und Bawag – wurde laut Medienberichten mit einem Beratervertrag ruhiggestellt.

Achleitner hat die deutsche Finanzwelt mitgestaltet wie kein anderer. Als Finanzchef der Allianz war er treibende Kraft hinter dem Erwerb der Dresdner Bank. Die Assekuranz musste Milliarden auf den Deal abschreiben, konnte das Institut aber gerade noch rechtzeitig vor der Lehman-Pleite an die Commerzbank verhökern.

Mit einem Salär von 800.000 Euro bei der Deutschen Bank ist Achleitner der best bezahlte Aufsichtsrat Deutschlands, daneben sitzt der Vater von drei Kindern in den Kontrollgremien von Bayer, Daimler und RWE. Der St.-Gallen- und Harvard-Absolvent hat auch in Österreich seine Handschrift hinterlassen: Als Vertrauter von Wolfgang Schüssel zog er in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG ein, die in seiner Periode von 2000 bis 2004 Unternehmen wie Austria Tabak und Voestalpine privatisiert. (Andreas Schnauder, 19.3.2019)