Am 19. Juni 2021 hat Herbert Kickl die FPÖ übernommen.

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Viele Jahre galt er als der Mann im Hintergrund. Erst mit seinem Kurzzeit-Job als Innenminister fand Herbert Kickl Gefallen am Rampenlicht. Mittlerweile ist der 52-jährige Parteichef der FPÖ, nachdem er zuvor die Autorität seines Vorgängers Norbert Hofer solange bei jeder sich bietenden Gelegenheit untergrub, bis dieser schließlich klein beigab. Dass Kickl politisch weit rechts steht, darüber gibt es keine Zweifel. Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger stammt er jedoch nicht aus dem völkischen, deutschnationalen Milieu, jedoch hat sich Kickl diesem in den vergangenen Jahren verstärkt zugewendet.

"Nicht seine Welt"

Bislang musste der Wiener Akademikerball ohne Kickl auskommen. Der neue FPÖ-Chef machte immer einen Bogen um die jährlich stattfindende Großveranstaltung der Burschenschafter, bei der sich Neonazis, Identitäre und freiheitliche Politiker und Politikerinnen ein Stelldichein geben. Kickl kann nämlich mit Burschenschaften wenig anfangen. "Das ist nicht meine Welt", sagte er der "Presse". Er gibt lieber den Asketen, der seine Freizeit mit Bergsteigen verbringt, als sich bierschwangere Reden in Kellern anzuhören. Im Gegensatz zu vielen seiner Parteikollegen trat er auch bei anderen Events des rechtsextremen Milieus nicht in Erscheinung.

Das änderte sich im Jahr 2016. Damals war Kickl der Hauptredner bei dem Kongress "Verteidiger Europas" in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz. Einer Veranstaltung, bei der sich fast das ganze rechtsextreme Spektrum Österreichs und Deutschlands tummelte, das sich selbst als "Mosaikrechte" versteht und eng miteinander verzahnt ist. Neben deutschen Neonazis, Burschenschaftern, Identitären sowie Aktivisten rechter Propagandamedien, kamen auch deutsche Strippenzieher der sogenannten Neuen Rechten nach Linz, darunter der Verleger Götz Kubischek, "Compact"-Magazin"-Chefredakteur Jürgen Elsässer und Philip Stein von der Organisation "Ein Prozent". Der mittlerweile emeritierte katholische Weihbischof Andreas Laun hatte seinen Auftritt in letzter Sekunde abgesagt, er fuhr mit dem Zug wieder zurück nach Salzburg.

"Verschwörungstheoretische Ansätze und eine pro-russische Ideologie"

Schon im Vorfeld rief der Kongress nicht nur Antifaschisten und Antifaschistinnen, sondern auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf den Plan. Das BVT wurde vom damaligen Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) mit einer Prüfung beauftragt. Der Verfassungsschutz sah zwar keine verbotswidrige Veranstaltung, hielt aber in seiner "Gefährdungseinschätzung" fest, dass auch "Vertreter der rechtsextremen Szene" daran teilnehmen werden. Etwa Identitäre.

Der Verfassungsschutz über den Kongress.
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Über die Organisatoren hieß es in dem Papier, diese würden von den Publikationen "Info Direkt" und "unzensuriert.at" unterstützt, deren Inhalte "zum Teil äußerst fremdenfeindliche und antisemitische Tendenzen" aufweisen würden. Und die "auch verschwörungstheoretische Ansätze und eine pro-russische Ideologie vertreten" würden.

Der deutsche Verleger Jürgen Elsässer (links) auf dem Weg zum Kongress.
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Kickls Auftritt in Linz verwunderte nicht nur die Rechtsextremismusexperten und -expertinnen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), die "angesichts der neofaschistischen Schlagseite des Treffens doch einigermaßen überrascht" waren, wie sie in einem Beitrag schrieben. Die FPÖ steckte nämlich Mitten im Präsidentschaftswahlkampf für ihren Kandidaten Hofer, als die Teilnahme Kickls am Kongress bekannt wurde und für Proteste sorgte. Die Schlagzeilen und Angriffe kamen Hofer wohl nicht recht, der ständig versuchte sich möglichst staatstragend zu geben.

Kickl streue Rosen

Kickl scherte das alles offensichtlich wenig. In seiner Rede streute er den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Kongresses Rosen, sie seien ein "Publikum, wie er es sich wünsche". Im Gegensatz zu den Abgeordneten von SPÖ und Grünen im Parlament, die er als "mieselsüchtige Gestalten" bezeichnete. Auch der Rest der Rede bestand aus einer Mischung aus markigen Sprüchen und Bauchpinselei. Unabhängige Berichte von diesem Auftritt gibt es kaum, da zahlreiche Medien von den Veranstaltern ausgeschlossen wurden.

Gegen den Kongress in Linz gab es auch eine Demonstration.
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Und diesem Publikum blieb Kickl treu. Als er im Dezember zum Innenminister der türkis-blauen Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz bestellt wurde, engagierte er mit Alexander Höferl einen weiteren Besucher des Kongresses. Der Burschenschafter wurde sein Kommunikationschef. Zuvor war Höferl maßgeblich für unzensuriert.at tätig, jener Online-Plattform, der vom Verfassungsschutz bescheinigt wurde, Inhalte mit "zum Teil äußerst fremdenfeindlichen und antisemitischen Tendenzen" zu veröffentlichen.

Tag X im BVT

Neben eigenwilligen Postenbesetzungen und seinem Hang zur berittenen Polizei wurde unter Innenminister Kickl auch das seinem Ressort unterstellte BVT endgültig in den Sand gesetzt. Eine rechtswidrige Razzia am 28. Februar 2018 in dessen Zentrale in Wien führte zu einem nachhaltigen internationalen Image-Schaden. Ein Ziel der Razzia war auch jene hochrangige BVT-Beamtin, die das Papier über die Veranstaltung in Linz anfertigte. Obwohl sie nur als Zeugin im Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geführt wurde, wurden in dem von ihr geleiteten Extremismusreferat umfangreiche Sicherstellungen vorgenommen, darunter auch Material mit Bezug zum Rechtsextremismus mit Informationen über Verbindungen zur FPÖ.

"Ich habe mir gedacht, das muss er jetzt sein, der Tag X, von dem die Rechtsextremen immer reden. Die sagen ja, wenn wir an der Macht sind, dann hängen wir zuerst den Staatsschutz auf, und dann die Justiz", schilderte die Beamtin ihre damaligen Eindrücke bei ihrer Befragung beim BVT-Untersuchungsausschuss im Oktober 2018. Die mittlerweile pensionierte Frau ließ bei ihrer Aussage auch keine Zweifel darüber aufkommen, dass sie eine politische Motivation hinter der Razzia vermutete. Sie habe den Eindruck gehabt, die Razzia sei "Show" gewesen, habe darauf abgezielt, das Extremismusreferat einzuschüchtern. Was auch gelungen sei, wie sie sagte. Sie führte auch aus, dass die Ermittlungen gegen die rechtsextreme Szene durch die Razzia teilweise "stark eingeschränkt" wurden.

Inserate auf 4Chan

Im September 2018 sorgte eine Werbemaßnahme des Innenministeriums für Aufregung und Kopfschütteln. Es schaltete auf unzensuriert.at und weiteren einschlägigen Webseiten, wie dem "Compact-Magazin" und "Info-Direkt", Inserate zur Rekrutierung von Polizisten und Polizistinnen. Zusätzlich tauchten die Inserate auch auf "4Chan" auf. Einem Imageboard, das wegen rassistischer, extrem frauenverachtender und rechtsextremer Inhalte als Kloake des Internet gilt. Es ist bereits mehrmals wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien und Kinderpornografie aufgefallen. Laut Kickl wurde das Inserat allerdings nicht direkt dort, sondern über Google geschalten.

Nachdem das Ibiza-Video veröffentlicht wurde, flog auch Herbert Kickl aus der Regierung.
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Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und seiner Absetzung als Innenminister im Mai 2019 gab Kickl "Info-Direkt" ein Interview. Also jener Zeitschrift, die mithalf, den Kongress "Verteidiger Europas" zu organisieren. In dem Magazin finden sich auch Inserate der FPÖ, die das Gesicht Herbert Kickls zeigen. Etwa in der vor wenigen Tagen erschienenen Printausgabe des Blattes, in dem ehemalige Südtirol-Attentäter ebenso zu Wort kommen, wie FPÖ-Politiker oder der Identitären-Frontmann Martin Sellner.

Magazin sorgte für Ungemach

Das Magazin hat sich in den vergangenen Jahren durch seine Interviews einen gewissen Ruf erworben. Der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer bereute das Gespräch mit dem Magazin. Es sei ein Fehler gewesen, ihm sei das Magazin nicht bekannt gewesen, beteuerte er nach dem Erscheinen des Interviews. Dornauer erklärte, dass es sich lediglich um ein Telefongespräch gehandelt habe. Im Moment des Anrufs habe er nicht einmal gewusst, wer da am anderen Ende der Leitung gewesen sei. Auch der ÖVP-Klubobmann August Wöginger distanzierte sich von seinem Interview mit dem Blatt. Auch er gab an, nicht gewusst zu haben, mit wem er gesprochen hatte. Für Polit-Profis eher ungewöhnlich Aussagen.

Innerhalb der FPÖ sorgte das Blatt ebenfalls für reichlich Ungemach. Nachdem bekannt wurde, dass ein Rechtsterrorist, der im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete, dem Identitären-Chef Sellner Geld gespendet hatte, gingen die Blauen im Jahr 2019 offiziell auf Abstand zu der rechtsextremen Gruppierung. Nach dem Anschlag präsentierte der Attentäter ein krudes Manifest, dessen Titel "Der große Austausch" Bezug auf eine identitäre Verschwörungserzählung zu einem angeblichen "Bevölkerungsaustausch" nahm.

Zwei oberösterreichische FPÖ-Mitarbeiter mussten ihre "Info-Direkt"-Anteile abgeben, nachdem sie vom oberösterreichischen Landeschef Manfred Haimbuchner aufgefordert wurden, über die Beteiligungen nachzudenken. Zuvor hatte das Magazin Sellner verteidigt. So wurde unter anderem ein Text mit dem Titel "Wir Patrioten sitzen in einem Boot mit Martin Sellner" veröffentlicht, bebildert mit einer Collage von Bundeskanzler Kurz, Identitären-Chef Sellner, dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und FPÖ-Oberösterreich-Chef Haimbuchner zusammen in einem Boot. Seither ist Michael Scharfmüller, vormaliger Führungskader des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ), der alleinige Geschäftsführer von "Info-Direkt".

Wanderung

Mit Scharfmüller unternahm FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz im vergangenen November eine gemeinsame Wanderung. Dabei entstand ein Interview, in dem Schnedlitz mit Aussagen zu einem Funktionär, der bei einer Demonstration der Identitären teilgenommen hatte, Zweifel zur selbst auferlegten Distanz seiner Partei zu den Identitären aufkommen ließ. Laut Schnedlitz habe die FPÖ in der Regierung den Fehler gemacht zu glauben, "wir müssen in ein Rückzugsgefecht gehen" und er sagte: "Mit dieser Distanziererei ist es jetzt aber definitiv vorbei."

Der Aussage des blauen Generalsekretärs war ein Fall in Salzburg vorausgegangen: Dort hatte mit Roman Möseneder jemand bei der FPÖ-Jugend angedockt, der als Aktivist im Umfeld der Identitären aktiv ist und bei deren Kundgebungen in Wien auftauchte. Die FPÖ hatte im Jahr 2018 im Parteivorstand beschlossen, dass aktive Mitglieder der Identitären keine Funktion innerhalb der FPÖ einnehmen dürfen. Darauf verwies auch Bundesobmann Hofer damals, als er auf das Interview seines Generalsekretärs angesprochen wurde. Hofer ging in der der Vergangenheit bereits mehrmals auf Distanz zu der Gruppe. In einem Interview richtete er Sellner aus, mit ihm nicht auf ein Bier gehen zu wollen.

Spenden von Rechtsterroristen

Im Gegensatz zu Hofer war Kickl das Anfang Juli im Parlament beschlossene Verbot der Symbole der Identitären und ihres Ablegers "Die Österreicher" nicht "wurscht". Der neue FPÖ-Chef sprach sich vehement dagegen aus und bezeichnete die Organisation als eine "echte NGO". "So eine echte NGO, die diesen Namen auch verdient, weil sie nämlich kein Geld vom Staat bekommt", führte er bei Puls 24 aus. Obwohl gemerkt jene Identitären, denen auch vom Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke Geld gespendet wurde und deren Werbematerial bei jenen Männern gefunden wurde, die 2016 einen Brandanschlag mit Molotow-Cocktails auf ein Asylheim in Himberg im Bezirk Bruck an der Leitha durchführten.

Eine Unterstützung, die bei Sellner und seinen Leuten gut ankam. Sie machten bereits in der Vergangenheit immer wieder Stimmung für Kickl. Im Wahlkampf 2019 warb Sellner auf Youtube und anderen Online-Plattformen um Vorzugsstimmen für Kickl, den er damals als den besten "österreichischen patriotischen Politiker" bezeichnete.

Identitäre zogen mit diesem Transparent durch Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Bei Corona-Demonstrationen im Frühling dieses Jahres trugen Identitäre Transparente mit der Aufschrift "Kurz wegkickeln" durch halb Wien. Ein Transparent, das Kickl sehr gefallen hat, wie er in einer Rede bei einer der Kundgebungen Anfang März im Prater anmerkte. Zuvor wurden aus dem Demonstrationszug heraus Journalisten und Journalistinnen tätlich attackiert, es waren vereinzelte Sieg-Heil-Rufe zu vernehmen, Hitlergrüße und Fahnen des antisemitischen QAnon-Kults sowie Reichsfahnen zu sehen, ein Symbol von Neonazis und der Reichsbürger-Bewegung in Deutschland. Aufgefallen ist auch ein Demonstrant, der einen großen sogenannten Judenstern mit der Aufschrift "Nicht geimpft" trug. Und auch die Corona-Querfront marschierte mit, eine Gruppierung rund um Gottfried Küssel, dem wohl bekanntesten Neonazi Österreichs. Küssel war auch im Prater dabei, als Kickl seine Rede hielt, in der er die Regierung und ihre Politik zur Bekämpfung der Pandemie attackierte.

Herbert Kickl bei seiner Rede im Prater. Im Publikum waren auch Neonazis und andere Rechtsextreme.
Foto: Markus Sulzbacher

Dieser Auftritt vor tausenden Demonstranten und Demonstrantinnen war ein Resultat einer Strategie, die Kickl schon bald nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 einschlug. Er positionierte sich als Hardliner, der die Corona-Krise für sich und seine Partei zu nutzen versuchte. Die Pandemie wurde kleingeredet, bis in die Impfgegnerszene hinein hallten seine Signale. Er ließ sich gerne bei Demonstrationen der Maßnahmengegner blicken – wo der Slogan "Kurz muss weg" skandiert wurde.

Neue Rechte und Kickl

Seine Strategie wurde auch von den Propagandisten der Neuen Rechten wohlwollend begleitet, die mit ihm gemeinsam in Linz waren. So zog Kickl bereits im April 2020 im Podcast des Vereins "Ein Prozent" gegen die Maßnahmen Regierung zur Eindämmung der Pandemie vom Leder und sagte, dass sich österreichische Medien "mit ein paar Millionen Euro Förderung" in die "Gleichschaltung begeben" hätten. Auch fühlte er sich an "ganz dunkle Kapitel unserer Geschichte" erinnert.

Der Verein "Ein Prozent" bezeichnet sich selbst als "Widerstandsplattform für deutsche Interessen". Der Verein ist eine PR-Agentur für rechte Kampagnen, eine Plattform zur Vernetzung fremdenfeindlicher Proteste sowie ein Crowdfunding-Portal für Aktivisten und Aktivistinnen. Da es Geld sammelt und verteilt, nimmt es eine gewichtige Rolle im Netzwerk der sogenannten Neuen Rechten ein. In ihren Reihen tummeln sich Ideologen wie der, ebenfalls in Linz anwesende Verleger Kubitschek oder der AfD-Rechts-außen Björn Höcke. Die österreichischen Identitären sollen von der Organisation mindestens 10.000 Euro bekommen haben.

"Geistige Brandstifter"

Wie sehr die Neue Rechte, die vereinfacht gesagt, einen Rechtsextremismus ohne Hitler propagiert, in Österreich und Deutschland miteinander vernetzt ist, zeigt auch der Anfang Juni veröffentlichte Verfassungsschutzbericht des deutschen Innenministeriums. Darin wird der Neuen Rechten erstmals ein Unterkapitel gewidmet. Bei der Präsentation des Berichts bezeichnete Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang die Neuen Rechten als "geistige Brandstifter" der rechtsextremen Szene. Für seine Behörde ist die Gruppe ein informelles Netzwerk, in dem "rechtsextremistische bis rechtskonservative Kräfte" zusammenwirken. "Im Ergebnis befeuern sie Gewalt und Radikalisierung", sagte Haldenwang. Häufig gebe es auch personelle Überschneidungen in erwiesenermaßen extremistische Gruppen hinein. Haldenwang zählte in diesem Zusammenhang unter anderem die Identitäre Bewegung, das "Compact-Magazin", den Verein "Ein Prozent" und das Institut für Staatspolitik (IfS) von Kubitschek auf, die alle bei dem Kongress in Linz anzutreffen waren.

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang und Innenminister Horst Seehofer bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2020. Haldenwang nannte die Neuen Rechte "geistige Brandstifter".
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Die Neuen Rechten beziehungsweise einige ihrer Aktivisten arbeiten mit dem in Graz ansässigen Freilich-Verlag zusammen, der von dem FPÖ-Politiker Heinrich Sickl geleitet wird.

Sellner hat es als einziger Österreicher geschafft, namentlich im deutschen Verfassungsschutzbericht erwähnt zu werden. Er fungiere als "identitäre Leitfigur", ist darin zu lesen. Der Eintrag ist beachtlich, da sich in dem Bericht sonst kaum Namen finden. Und er bestätigt, dass die Auftritte und Aktivitäten von Sellner von den deutschen Behörden beobachtet werden. Das wird wohl auch Freiheitlichen blühen, wenn sie in Deutschland aufschlagen. Werden Organisationen vom Verfassungsschutz beobachtet, dürfen seine Mitglieder observiert, abgehört und es darf Einblick in die Finanzen genommen werden.

"Zwangsläufige" Beobachtung in Österreich

Offiziell will der deutsche Verfassungsschutz zu einer möglichen Überwachung von Politikern und Politikerinnen aus den Reihen der FPÖ nichts sagen. Die Behörde bitte "um Verständnis, dass wir zu operativen Angelegenheiten des Verfassungsschutzes grundsätzlich nicht öffentlich Stellung nehmen können", heißt es dazu auf Anfrage. Es ist aber klar, dass die Aktivitäten österreichischer Politiker und Politikerinnen im Neurechten Spektrum beobachtet wird. So wie in Österreich. Hierzulande werden FPÖ-Funktionäre und Funktionärinnen vom Verfassungsschutz quasi zwangsläufig beobachtet, wenn sie bei Veranstaltungen der rechtsextremen Szene auftauchen oder gemeinsam mit Aktivisten in Erscheinung treten. Besonders auffällig waren Kontakte zwischen Freiheitlichen und den Identitären, wie auch der ehemalige BVT-Chef Peter Gridling im Jahr 2019 in einem Gespräch mit dem STANDARD bestätigte. Bei den "zahlreichen Berührungspunkten" werde im Einzelfall abgeklärt, ob etwas Strafbares oder "sicherheitsmäßig Bedenkliches vorliegt", erklärte er. Aktuell bestätigt das Innenministerium in Wien, dass Identitäre und andere Neu Rechte Gruppierungen beobachtet werden. (Markus Sulzbacher, 18.7. 2021)