Viele wollen die Welt, in der wir leben werden, ihren Kindern nicht antun oder die Erderwärmung mit Kindern nicht weiter vorantreiben. Nachfolgende Generationen können mit ihrem Engagement aber auch Bedeutendes für den Klimaschutz leisten.

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Das erste Ultraschallbild, der erste Zahn, die ersten Gehversuche: Ein Kind zu bekommen bringt viele erste Male mit sich. Für werdende Eltern ist es eine idyllische Vorstellung, für junge umweltbewusste Menschen eine durchaus problematische. Einige von ihnen überdenken ihren Kinderwunsch – dem Klima zuliebe.

"Manche Menschen begraben ihre Geburtenabsichten, weil sie denken, dass ihre Kinder in keiner lebenswerten Welt aufwachsen werden. Andere befürchten, dass jeder weitere Mensch den CO2-Fußabdruck der Erde vergrößert", sagt Erich Striessnig, Assistenzprofessor am Institut für Demografie der Universität Wien.

Internationale Bewegungen wie Birth Strike, deren Mitglieder ihren Kinderwunsch wegen der Erderwärmung auf Eis legen, legen nahe, dass immer mehr Junge glauben, Kinder wären schlecht für die Klimabilanz. In Zahlen belegen lässt sich das für Österreich nicht. "Die Datenlage fehlt dafür, zu sagen, wie stark junge Leute die Familienplanung vom Klimawandel abhängig machen", sagt Striessnig.

Weniger Menschen

Neu ist der Gedanke nicht. 1968 sprach der Stanford-Professor Paul R. Ehrlich in seiner Studie "Population Bomb" schon von einer "Bevölkerungsexplosion". Anfang der 1970er-Jahre warnte die Expertengruppe Club of Rome in dem Bericht "Die Grenzen des Wachstums", dass unsere Ressourcen bald aufgebraucht sind, wenn die Weltbevölkerung wächst. Doch ist der Verzicht auf Kinder eine plausible Klimaschutzmaßnahme?

Eine schwedische Studie, die 2017 für Aufsehen sorgte, legt das zumindest nahe. Die Nachhaltigkeitsforscher Seth Wynes und Kimberly A. Nicholas hielten fest, dass sich unser CO2-Ausstoß nicht nur verringert, wenn wir auf Fleisch, Autofahren und Flugreisen, sondern vor allem auf das Kinderkriegen verzichten. 58,6 Tonnen CO2 pro Jahr würde jedes nicht geborene Kind einsparen, nicht Auto zu fahren hingegen nur 2,4 Tonnen.

Die Studie sei "wichtig", sagt Striessnig. Andere Studien würden zudem belegen, dass sich das Konsumverhalten von jungen Leuten mit einem Neugeborenen ändert und den CO2-Ausstoß nach oben treibt. Etwa, weil man sich ein Auto zulegt oder mehr heizt. Der CO2-Fußabdruck fällt in der Studie von Wynes und Nicholas aber deshalb so groß aus, weil die Berechnung auch die Kindeskinder berücksichtigt. "Nicht jedes Kind ist gleich. Es macht einen Unterschied, ob man Kinder als ignorante Klimasünder oder umweltbewusst erzieht", sagt der Demograf.

Menschenrechtliche Fragen

Die Bedeutung des Bevölkerungswachstums für unser Klima möchte Striessnig nicht kleinreden. "Wir können aber niemandem verbieten, Kinder zu kriegen. Das ist mit menschenrechtlichen Fragen verbunden", sagt der Demograf.

Auch Raya Muttarak vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) rät zu Vorsicht, wenn es um Rückschlüsse von der Weltbevölkerung auf den Klimawandel geht. Zwar führen mehr Menschen auf der Welt zu mehr Emissionen. Doch: "In Indien leben sehr viele Menschen. Dort sind die Emissionen trotzdem geringer als in den USA oder in Europa." Bevölkerungsreiche Länder in Asien oder Afrika südlich der Sahara haben daher nicht automatisch einen größeren CO2-Fußabdruck. Am meisten beeinflusst immer noch Konsum den Klimawandel. Etwa, wie viel Fleisch wir essen oder wie sehr wir auf erneuerbare Energie setzen, so die Wissenschafterin.

Klimabewusste Erziehung

Einig sind sich Muttarak und Striessnig, dass der Klimaschutz ein Vorwand sein kann, mit dem junge Leute ein kinderloses Leben erklären. "Mich würde interessieren, ob diese Menschen mit Mitte dreißig auch noch auf Kinder für das Klima verzichten", sagt Muttarak. Dazu braucht es Langzeitstudien, die kinderlose Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren wiederholt zu ihrer Familienplanung befragen.

Die Sorge um die Umwelt kann mit der Familienplanung aber auch steigen, etwa wenn werdende Eltern darüber nachdenken, in welcher Umwelt ihre Nachkommen aufwachsen. "Idealerweise bekommen die Leute, die verantwortungsvoll konsumieren, umweltbewusste Kinder", sagt Striessnig. Greta Thunberg übt schließlich auch Druck auf ältere Generationen aus, ihr Klimaverhalten den Nachkommen zuliebe zu überdenken.

Was aber sind die persönlichen Gründe, die einige Menschen dazu bewegen, ihre Kinderwünsche zu begraben? Der STANDARD hat mit vier Menschen gesprochen. Hier erzählen sie ihre Geschichte.

"Es wäre egoistisch, ein Kind zu bekommen"

Lena Strobel (28) arbeitet als Glaserin im Familienbetrieb ihres Vaters in Ludwigsburg.
Foto: privat

Im März habe ich mich sterilisieren lassen. So wie sich unsere Welt entwickelt, möchte ich kein Kind in sie setzen. Die Erderwärmung führt zu extremen Wetterbedingungen. Die vielen Menschen auf der Erde treiben den Klimawandel voran. Es wäre egoistisch, ein Kind zu bekommen, das die Auswirkungen noch stärker spüren wird. Mit meinem Freund bin ich seit fünf Jahren zusammen, wir heiraten nächstes Jahr. Kinder möchte er keine bekommen.

Mein ökologischer Fußabdruck ist klein. Ich habe ein E-Bike, und mein Firmenwagen ist ein Elektroauto. Seit 14 Jahren bin ich Vegetarierin. Aber ich fahre schon einmal mit dem Auto in den Urlaub oder kaufe im Supermarkt ein statt auf dem Markt. Mein größter Beitrag zum Klimaschutz ist es daher, auf Kinder zu verzichten.

Meine Schwester ist im Frühling Mutter geworden, und meine Familie hat sich sehr gefreut. Ich mich auch. Gleichzeitig habe ich gedacht: Es muss doch auch andere kinderfreie Menschen geben. Bestätigung habe ich in der Facebook-Gruppe "Kinderlos und glücklich" gefunden. Hier habe ich gelernt: Ich muss die gesellschaftliche Erwartung, Kinder zu wollen, nicht erfüllen. Sollte ich in zehn Jahren doch einen Kinderwunsch verspüren, werde ich adoptieren.

"Die Entscheidung, wer künftig Kinder bekommt, ist politisch aufgeladen"

Clara Porak (23) ist Studentin und Aktivistin aus Wien und arbeitet als Journalistin.
Foto: Stefan Fürtbauer

Oft habe ich dieses Bild im Kopf, dass mein Partner und ich mit unseren Kindern Gemüse in einem Hochbeet anpflanzen. Die Klimakrise macht mir diese Vorstellung kaputt. Denn ich weiß, dass es vielen Menschen nicht so gut geht wie mir.

Der Klimawandel beeinflusst alle meine Entscheidungen: was ich beruflich mache, ob ich eine Reise antrete und wen ich wähle. 2017 war ich auf der Klimakonferenz und habe gemerkt, dass internationale Abkommen nichts nutzen. Seitdem bin ich erst recht Aktivistin, aktuell bei Fridays for Future und Extinction Rebellion.

Die Klimakrise ist für mich keine Krise der Zukunft. Schon jetzt erleben wir extremes Wetter, und Ökosysteme gehen verloren. Wenn wir es nicht schaffen, etwas zu ändern, weiß ich nicht, wie wir durch die nächsten 15 Jahre kommen. Ob ich Kinder haben möchte, hängt bei mir nicht nur von der Klimakrise ab. Ich bin noch jung. Aber trennen lassen sich die beiden Themen auch nicht. Welches Leben in der Zukunft lebenswert ist, hat für mich schnell einen diskriminierenden Unterton. Die Entscheidung, wer künftig Kinder bekommt, ist politisch aufgeladen. Auch ohne die Klimakrise kann ich nicht sagen, wie es meinem Kind gehen würde.

"Die Prognosen sind keine gute Grundlage für meine Kinder"

Nathan Mechtel (28) lebt in Los Angeles und arbeitet im Softwarebereich.
Foto: privat

Im ersten Semester habe ich mir zum ersten Mal gedacht, dass ich keine Kinder bekommen möchte. Ich habe Kommunikationswissenschaften studiert. In einem Kurs über Theatertheorie haben wir uns über die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts unterhalten. Da wurde mir klar, dass Prognosen wie die der Überbevölkerung und Erderwärmung keine gute Lebensgrundlage für meine Kinder versprechen.

Leider glaube ich, dass ich als Einzelperson nicht viel ändern kann, weil Konzerne größtenteils schuld an der Umweltverschmutzung sind. Aber ich versuche, kaum Auto zu fahren und Wasser oder Energie zu sparen. Außerdem verzichte ich zunehmend auf Fleisch. Im August werde ich mich der U.S. Citizens' Climate Lobby anschließen, einer NGO, die sich für den Klimaschutz einsetzt.

Ich mache mir nicht nur wegen der Naturkatastrophen Sorgen, die aufgrund des Klimawandels zunehmen. Vor allem während der Pandemie habe ich gemerkt, dass sich die USA in einer instabilen wirtschaft lichen Lage befinden. Hierzulande herrscht kaum Sicherheit, wie unser Gesundheitssystem zeigt. Daher bezweifle ich, dass wir künftig in einer Welt leben, in die ich Kinder setzen möchte.

"Es gibt Szenarien, die gruseln mich"

Florian Mayr (29) aus Wels arbeitete neun Jahre als Photovoltaiktechniker. Ab Herbst studiert er an der Boku.
Foto: privat

Keine Kinder zu bekommen habe ich nicht von heute auf morgen entschieden. Acht Jahre lang war ich mit meiner Freundin zusammen und wollte Vater werden. Als ich darüber nachgedacht habe, in welcher Lage sich die Erde befindet, hat sich meine Meinung geändert. Es gibt Szenarien, die gruseln mich. Etwa die Vorstellung, dass unsere biologische Vielfalt kollabiert oder dass wir in eine Heißzeit mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen kippen. Das will ich meinen Kindern nicht antun.

Ein Vortrag des deutschen Nachhaltigkeitsforschers Niko Paech, den ich 2017 besucht habe, war ein Schlüsselereignis für mich. Er meinte, dass unsere Ressourcen bald nicht ausreichen, wenn wir weiterhin im Übermaß konsumieren. Seitdem hat mein Umdenken begonnen: Ich versuche, nicht mehr zu fliegen, habe mein Auto weggegeben, fahre nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder gehe zu Fuß. Ich esse kaum Fleisch und möchte in Zukunft vegan leben. Außerdem engagiere ich mich in der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion.

Zu sagen, dass meine Entscheidung definitiv ist, traue ich mich nicht. Vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn ich wieder in einer Beziehung bin. (Allegra Mercedes Pirker, 18.7.2021)