Bild nicht mehr verfügbar.

Milorad Dodik sorgt für Unruhe.

Foto: AP

Milorad Dodik, Chef der größten bosnisch-serbischen Partei SNSD und Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, hat am Mittwoch eine Sitzung des Staatspräsidiums wegen der Ukraine frühzeitig verlassen. Der prorussische, äußerst rechts gerichtete Politiker, der seit vielen Jahren vom Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt wird, verlangt seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, dass Bosnien-Herzegowina eine "neutrale" Haltung einnehmen müsse.

Die anderen beiden Mitglieder des Staatspräsidiums und die anderen großen Parteien in Bosnien-Herzegowina sind hingegen prowestlich ausgerichtet und unterstützen alle Sanktionen und Maßnahmen gegen Russland. Dodik hatte für Mittwoch versucht, das Thema Ukraine auf die Tagesordnung zu setzen, doch die beiden anderen Mitglieder Šefik Džaferović und Željko Komšić lehnten dies ab.

"Zwei neue Staaten"

Dodik behauptete in der Folge, dass diese Weigerung eine schwere Krise geschaffen habe und verfassungswidrig sei. Er wollte offenbar einen Konflikt heraufbeschwören. Komšić erzählte, Dodik habe gesagt, dass auf dem Territorium der Ukraine zwei neue Staaten geschaffen worden seien – und meinte damit offenbar die von Russland als "Volksrepubliken" anerkannten Gebiete Donezk und Luhansk. Diese Position Dodiks zu "zwei neuen Staaten auf dem Territorium der Ukraine" widerspreche vollständig der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, so Komšić.

Dodik versucht selbst seit vielen Jahren, den Staat Bosnien-Herzegowina zu zerstören, indem er den Landesteil Republika Srpska abspalten will. Seit vergangenem Oktober hat er erstmals konkrete Schritte zum Austritt aus gemeinsamen staatlichen Institutionen eingeleitet.

Mit Russland abgestimmt

Seit Tagen schon wird von Diplomaten davor gewarnt, dass Russland auch die Republika Srpska als unabhängigen Staat anerkennen werde oder Dodik die Situation in der Ukraine für seine Sezessionsvorhaben nützen könne. Dodik sprach in den letzten Tagen von der "Hysterie westlicher Partner" im Zusammenhang mit der Haltung gegenüber Russland und der Ukraine. "Ich bin weder auf der Seite der Ukraine noch auf der Seite Russlands, aber jetzt ist klar, warum sie 2014 versucht haben, Waffen an die Ukraine zu verkaufen", erklärte er.

Komšić meinte nach der Sitzung, dass er glaube, dass Dodik seine Handlungen mit Russland abstimme und das Ziel habe, Bosnien-Herzegowina zu destabilisieren. Bereits seit Monaten wird von Sicherheitsexperten davor gewarnt, dass Putin mithilfe von Dodik eine zweite Zone der Unsicherheit auf dem Balkan schaffen könnte. Dodik steht schon seit Jahren unter US-Sanktionen, die im Jänner noch einmal verschärft wurden.

Sanktionen gegen Dodik

Die EU hat jedoch bisher keine Sanktionen gegen ihn erlassen – unter anderem weil Dodik von Ungarn und teilweise von Kroatien unterstützt wird. Angesichts der instabilen Situation wegen des Krieges gegen die Ukraine wird aber nun in Diplomatenkreisen erwogen, schnell gezielte Sanktionen – etwa auch das Sperren von Swift-Daten – durchzuführen. Der Hohe Repräsentant Christian Schmidt könnte zudem Dodik, aber auch Institutionen der Republika Srpska suspendieren, um zu verhindern, dass Schritte zur Ausrufung einer Unabhängigkeit unternommen werden.

Die beiden ehemaligen Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft, Christian Schwarz-Schilling und Valentin Inzko, warnten indes in einem Brief an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und und den Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg davor, dass die aktuelle Aggression gegen die Ukraine auf den Westbalkan übergreifen könnte, vor allem auf Bosnien und Herzegowina und den Kosovo, weil die Pläne zur Gründung eines Großserbien – analog zu Putins Idee eines Großrusslands – noch am Leben seien.

Schneller EU-Beitritt

Die beiden schlagen deshalb "einen schnellstmöglichen und unbürokratischen Beitritt Bosnien-Herzegowinas zur EU" vor. Zudem forderten Schwarz-Schilling und Inzko bosnischen Medien zufolge von der Nato Garantien zum Schutz der Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina und die Entsendung von Nato-Truppen nach Brčko und an die serbische Grenze. Brčko teilt die Republika Srpska in zwei Teile, mit einer Stationierung könnte verhindert werden, dass die beiden Teile militärisch durch Truppen verbunden werden könnten.

Inzko sprach sich bosnischen Medien zufolge auch dafür aus, dass Serbien der EU-Kandidatenstatus entzogen werden solle. Serbien hat sich nach dem Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine als einziger Staat in Südosteuropa nicht den EU-Sanktionen angeschlossen. Die serbischen Vertreter blieben auch jener Sitzung im Europarat fern, bei der es um die Suspendierung Russlands ging. Vor einigen Tagen hat bereits der ehemalige Hohe Repräsentant Karl Bildt getwittert, dass sich Serbien mit seiner Haltung gegenüber Russland für den EU-Beitrittsprozess disqualifiziere.

Flüge zwischen Moskau und Belgrad

Auffällig ist der in den vergangenen Tagen erhöhte Flugverkehr zwischen Belgrad und Moskau. Air Serbia hat seine Flüge fast verdoppelt, weil Serbien eines der wenigen europäischen Länder ist, das seinen Luftraum nicht für russische Flugzeuge gesperrt hat.

In Serbien unterstützten Rechtsextreme auf einer Demonstration dieser Tage die Invasion russischer Truppen in die Ukraine. Sie erklärten, dass Putin eine "Nazi- und prowestliche Regierung" bekämpfe. Auch Medien in Serbien, die der serbischen Regierung nahestehen, unterstützen den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Sie beschrieben Putins Vorgehen als eine "Antwort auf Nato-Bedrohungen". Das Boulevardblatt "Informer" ging sogar so weit und behauptete, die Ukraine habe Russland angegriffen. (Adelheid Wölfl, 2.3.2022)