Es fehlt nicht an offenen Worten neuerdings. Vizekanzler Werner Kogler sagte am Montag in der ZiB 2, es seien "führende Vertreter der WKO" (Wirtschaftskammer Österreich) gewesen, die "uns in diese Abhängigkeit (vom russischen Gas, Anm.) hineingetrieben haben". Die hätten Wladimir Putin jahrelang den "roten Teppich mit Schleimspur ausgerollt".

Wenige Tage zuvor war das Profil mit einem sensationellen Interview mit dem früheren OMV-Chef Gerhard Roiss erschienen, der zu demselben Thema meinte: " ... dass Österreich und die OMV von einer Gruppe von Leuten, allesamt Putin-Versteher, gezielt in eine Abhängigkeit von Russland gelenkt wurden". Zur Erinnerung: Österreich bezieht sein Erdgas zu 80 Prozent aus Russland.

Österreich bezieht sein Erdgas zu 80 Prozent aus Russland.
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Aber was ist dran an den Vorwürfen, dass eine Politik der Ahnungslosigkeit (oder Schlimmeres) uns in eine Abhängigkeit von einem Staat gebracht hat, der jetzt einen brutalen Angriffskrieg in der Ukraine führt und zum internationalen Paria wird? Richtig ist, dass Teile der österreichischen Wirtschaft seit Jahrzehnten auf Russland beziehungsweise die frühere Sowjetunion ausgerichtet waren und gute Geschäfte gemacht haben. Aber für seine Riesengröße ist Russland kein besonders beeindruckender Markt. Österreich exportierte zuletzt nach Russland für zwei Milliarden – nach Tschechien und Ungarn jeweils für rund fünf Milliarden. Dennoch: Wer in Russland etabliert war, konnte zufrieden sein. Über allem schwebte aber immer eine leicht irrationale Euphorie und Bereitschaft zur Anbiederung. Höhepunkt war ein Auftritt Putins 2014 in der Wirtschaftskammer, unmittelbar nachdem er die Krim eingesackt hatte und unter internationale Isolation gestellt worden war. Der damalige WKO-Präsident Christoph Leitl schwärmte, dass er Putin schon seit 2000 kenne. Darauf Putin: "Diktator!" Pause. "Aber guter Diktator." Worauf die versammelte Unternehmerelite in ein schallendes "Hö, hö, hö" ausbrach. Ein bisserl Diktatur haben manche Bosse eben ganz gern. Der Unternehmer Sigi Wolf, stark in Putins Russland engagiert, wünschte sich schon einmal "mehr russische Demokratur" in Österreich.

Wie aber ist die Abhängigkeit vom russischen Gas zustande gekommen? Treibende Kraft war der deutsche Manager Rainer Seele, der 2015 die OMV übernahm und voll auf russischen Kurs steuerte. Seele beteiligte die OMV mit rund 800 Millionen an der Nord-Stream-2-Gaspipeline, die jetzt wohl abgeschrieben werden müssen. Ebenso wie die Beteiligung an einem sibirischen Gasfeld. Der Ex-OMV-Chef Roiss sagt, man habe ihn hinausgedrängt, um das Russlandkonzept von Seele und anderen durchzuziehen. Alternativprojekte seien abgewürgt worden. Und es habe auch Bestrebungen gegeben, Anteile an der OMV an den russischen Gazprom-Konzern zu verkaufen. Auch hier fällt der Name Sigi Wolf, der seit 2014 Aufsichtsratspräsident der Verstaatlichtenholding ÖIAG war.

Die damalige große Koalition unter Werner Faymann fand nichts Problematisches an dieser Gasabhängigkeit. Kanzler Sebastian Kurz wollte den Russland- und Putin-Verbinder Wolf sogar wieder zum Aufsichtsratschef der neuen Verstaatlichtenholding Öbag machen. Über die Russland-Connection ist noch nicht alles bekannt. (Hans Rauscher, 8.3.2022)