Der saudische Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman (in weißem Gewand) gibt in der Opec den Ton an und bestimmt, wo es langgeht.

Foto: APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK

Für die USA ist der Beschluss der Ölallianz Opec+ von Mittwoch, die Ölförderung ab November um ein paar Drehungen zu verringern, ein Affront, für die EU-27 zumindest ein Ärgernis. Sowohl Washington als auch Brüssel haben zuletzt viel Überzeugungsarbeit geleistet, die Ölminister davon abzubringen – vergeblich.

Zwei Millionen Fass am Tag zu je 159 Litern ist ein substanzieller Einschnitt, der die Rohölpreise im Winter wohl erneut über die nicht nur psychologisch wichtige 100-Dollar-Marke hieven wird – hohe Energiepreise sind auch eine Triebfeder für Wirtschaftspessimismus, sie werden die ohnehin hohe Inflation weiter nach oben treiben, sagen namhafte Ökonomen voraus.

Zwei Prozent vom Markt

Zwei Millionen Fass am Tag, die ab November dem Markt entzogen werden, entsprechen rund zwei Prozent des weltweiten Ölverbrauchs. Auch wenn die tatsächliche Kürzung näher an einer Million Fass liegen dürfte, weil viele Mitgliedsländer des Ölkartells wie Nigeria wegen verabsäumter Investitionen die für sie reservierte Produktionsquote gar nicht ausschöpfen können, handelt es sich um den größten Einschnitt seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren.

"Wir glauben, dass die Auswirkungen der angekündigten Maßnahmen auf die Preise erheblich sein werden", sagte Jorge Leon, Senior Vice-President bei Rystad Energy, der Nachrichtenagentur Reuters. Nachdem der Rohölpreis von 120 Dollar je Fass im Juni auf 85 Dollar Ende September gefallen war, erholte er sich in Erwartung einer Produktionskürzung durch das Ölkartell auf 91,50 Dollar. Nach der offiziellen Entscheidung des Ölkartells notierte die für Europa preisbestimmende Nordseesorte Brent bei knapp 94 Dollar je Barrel.

Teurere Kraftstoffe

Die Folgen dürften auch Autofahrer schon bald zu spüren bekommen. Die Preise für Benzin und Diesel sind in Österreich erst Anfang Oktober durch die CO2-Bepreisung um knapp zehn Cent je Liter nach oben gegangen; wie es aussieht, werden sie aufgrund der jüngsten Beschlüsse der um Russland und andere Nicht-Opec-Staaten erweiterten Organisation erdölexportierender Länder lange Zeit hoch bleiben.

Das befürchtet man auch in den USA, wo günstiges Tanken zum Way of Life gehört. Es erklärt den Ärger über den Politikschwenk von Saudi-Arabien. Das Land am Golf, das in der Opec den Ton angibt, springt in der geopolitisch kritischsten Zeit seit langem lieber Russland zur Seite als den USA, sagen Analysten. Russland, das wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine mit westlichen Sanktionen belegt ist, braucht zur Kriegsführung die hohen Einnahmen aus Ölverkäufen.

Kampfansage an Kartell

Im Sommer hat US-Präsident Joe Biden in Jeddah Kronprinz Mohammed bin Salman getroffen und für ein Offenhalten der Ölhähne geworben. Im November gibt es in den USA Zwischenwahlen, teurer Sprit verringert die Chancen vieler Abgeordneter der regierenden Demokraten auf eine Wiederwahl. Nun prüft man Möglichkeiten, die Kontrolle der Opec über die Ölpreise zu verringern. Dem Justizministerium soll die Möglichkeit eingeräumt werden, Länder wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens zu klagen – eine Kampfansage an das Ölkartell.

Saudi-Arabien versucht seinerseits Druck aufzubauen, auf dass die USA von einer Strafverfolgung des Kronprinzen bin Salman wegen des Mords am saudischen Regierungskritiker Jamal Kashoggi absehen. (Günther Strobl, 7.10.2022)