Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine Ohrfeige für Finanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne).
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine Ohrfeige für Finanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne).
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Es ist ein sehr nüchterner und etwas technischer Satz des Verfassungsgerichts in Karlsruhe, der am Mittwochvormittag das politische Berlin erschüttert hat. Er lautet: "Das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an notlagenbedingte Kreditaufnahmen."

Mit ihrem wegweisenden Urteil stellten auch die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichts fest, was die Union salopp so bemängelt hatte: Die Ampel trickste beim Haushalt 2021, mit einem "Taschenspielertrick" haben sich Sozialdemokraten, Grüne und FDP finanzielle Spielräume geschaffen, die vom Grundgesetz aber nicht gedeckt sind.

Video: Bundesverfassungsgericht kippt Haushaltsmanöver der Bundesregierung.
AFP

Absolute Notsituation

Passiert ist Folgendes: In der Corona-Krise hatte die deutsche Regierung, noch unter Kanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD), einen Sondertopf mit finanziellen Mitteln eingerichtet, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Derlei ist trotz der deutschen Schuldenbremse gestattet, da es sich um eine absolute Notsituation gehandelt hatte.

Eigentlich besagt die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, dass die Neuverschuldung jedes Jahr maximal 0,35 Prozent des BIP betragen darf. Doch es gibt eben eine Ausnahmeregelung für "Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen".

Dann jedoch flaute Corona ab, die Wirtschaft entwickelte sich besser als befürchtet, es wurden nicht alle Mittel dieses Sondervermögens benötigt.

Lindners Gestaltungswille

Die große Koalition wurde im Herbst 2021 abgewählt, Merkel schied aus dem Kanzleramt aus. Es übernahm Scholz mit seiner Ampelregierung. Als gleich der Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 anstand, nahm die Ampel 60 Milliarden Euro, die im Corona-Topf noch übrig waren, und verschob diese in einen anderen Sondertopf, der heute "Klima- und Transformationsfonds (KTF)" heißt. Damit wollte man Klimainvestitionen finanzieren, diese sollten nicht aus dem laufenden Haushalt gezahlt werden.

"Das ist ein Signal unserer Handlungsfähigkeit", sagte der frischgebackene Finanzminister Christian Lindner (FDP) damals und sprach auch von "Gestaltungswillen". Überhaupt nicht gut hingegen fand die oppositionelle Union diese Vorgehensweise. "Dies ist eine einfachgesetzliche Umgehung der Schuldenbremse", kritisierte CDU-Partei- und Faktionschef Friedrich Merz. Doch die CDU beließ es nicht allein bei ihrer Kritik, die Fraktion klagte in Karlsruhe. Und dort hat sie am Mittwoch recht bekommen.

Vertreter der Ampel hatten noch argumentiert, das Geld im Klimafonds solle ja auch die Wirtschaft nach der Pandemie stärken, daher sei dieser "Kniff" durchaus zulässig.

"Unvereinbar und nichtig"

Doch das Höchstgericht sah dies anders. In dem von Vizepräsidentin Doris König verkündeten Urteil wird bemängelt, dass der Gesetzgeber (also die Ampelparteien im Bundestag) nicht ausreichend begründet habe, warum er so vorgeht: "Eine solche Evaluation und Einordnung der bisherigen Krisenbewältigungsmaßnahmen findet sich in der Gesetzesbegründung allenfalls im Ansatz." Daher ist das Gesetz vom 18. Februar 2022 "mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig".

Wieder recht nüchtern liest sich die Handlungsanleitung des Gerichts an die Ampel: "Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Umfang des KTF um 60 Milliarden Euro reduziert. Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren."

Etwas salopper formulier:. Die Ampel blickt jetzt, mitten in den Beratungen für den Haushalt 2024, in ein riesiges Finanzloch, mit den 60 Milliarden Euro kann sie ja nicht mehr planen.

Zufrieden ist die Union. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt in "Bild": "Der Ampel fliegt ihre unseriöse Haushaltspolitik um die Ohren. Das Urteil ist eine gigantische Klatsche für die Ampel die jetzt ein 60-Milliarden-Loch im Haushalt hat. Sie haben Milliarden, die sie nicht hätten anrühren dürfen, genommen, um daraus ihre links-grünen Luftschlösser zu finanzieren. Gut, dass das oberste deutsche Gericht dem jetzt ein Ende gesetzt hat." (Birgit Baumann aus Berlin, 15.11.2023)