Francisco Gomes Neto hat sich viel Zeit genommen für die Besucher aus Österreich. Im 30. Stock eines Büroturmes in São Paulo begrüßt der CEO des Flugzeugherstellers Embraer die Delegation rund um Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), der aktuell Brasilien bereist. Geduldig beantwortet er eine Frage nach der anderen seiner Gäste: Was glaube er? Welche alternativen Flugzeugantriebe würden in Zukunft eine große Rolle spielen? Wie viele Mitarbeiter sein Unternehmen beschäftige? Nach welchen Kriterien Embraer seine Zulieferer auswähle und wo er Potenzial bei österreichischen Betrieben sehe?

Was die Antriebe betreffe, komme es darauf an, antwortet der Manager. Bei Kleinflugzeugen werde der Elektroantrieb interessant, in der Mitteklasse Wasserstoff, aber erst ab 2030 ob der langen Entwicklungsdauer. Und bei größeren Fliegern Biokraftstoffe. 19.000 Mitarbeiter beschäftige Embraer. Und was die Zusammenarbeit mit Österreich betreffe: "Wir sind bereit, die Partnerschaft zu vertiefen."

Der nette Empfang ist kein Zufall. Im vergangenen Herbst hat das Verteidigungsministerium von Klaudia Tanner bekanntgegeben, vom brasilianischen Flugzeugbauer drei bis vier Transportmaschinen des Typs C-390 zu erwerben. Die Maschinen sollen den bestehenden Transporter C-130 ersetzen. 130 Millionen bis 150 Millionen Euro kostet eine Maschine, rund eine halbe Milliarde ist das Auftragsvolumen. Dazu kommt die laufende Wartung der Flieger. Österreich kauft die Flugzeuge laut dem Plan von den Niederlanden, die selbst Maschinen einkaufen, noch ist nichts final unterschrieben – da gilt es, gute Stimmung zu machen. Beide Seiten betonen, keine Gegengeschäfte vertraglich vereinbaren zu wollen. Beim Treffen in São Paulo lässt Embraer-Chef Gomes Neto dennoch aufhorchen: Man werde das Auftragsvolumen für Zulieferer aus Österreich über die kommenden fünf Jahren verdoppeln. In den vergangenen fünf Jahren habe man Komponenten aus Österreich für 300 Millionen Euro bezogen, unter anderem von Zulieferern wie FACC. In den kommenden fünf Jahren werden es 600 Millionen sein, so der Unternehmer.

Eine Embraer-Maschine bei einer Dubai Air Show. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben Österreich künftig mehr im Blick haben.
Eine Embraer-Maschine bei der Dubai Air Show. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben Österreich künftig mehr im Blick haben.
AFP/GIUSEPPE CACACE

Eine so konkrete Summe, wird die gar im Vertrag vereinbart? Nein, versichern die Brasilianer wie auch die Österreicher. Aber Embraer kenne seine Auftragslage für die kommenden Jahre, da deute sich dieses Plus an, heißt es vom Unternehmen, an dem auch österreichische Zulieferer mitnaschen sollen. Während bei österreichischen Unternehmern eher gemurrt wird, weil ihnen solche Zusagen zu unkonkret erscheinen, ist zumindest unbestritten, dass Embraer gute Jahre hinter sich hat und weiterwachsen will. Das Unternehmen gilt als industriepolitisches Vorzeigeprojekt Brasiliens. Es wurde erst 1994 privatisiert, heute ist es börsennotiert, zu den größten Anteilseignern (rund fünf Prozent) zählt die staatliche Entwicklungsbank in Brasilien.

Sieg gegen US-Mitbewerber

Etwas mehr als fünf Milliarden US-Dollar Umsatz erzielte der Konzern im vergangenen Jahr, eine Steigerung von 16 Prozent im Vergleich mit dem Jahr davor. Bis 2030 wollen die Brasilianer ihren Umsatz verdoppeln. 64 Flugzeuge lieferte das Unternehmen laut dem CEO im vergangenen Jahr aus, hundert sollen es im nächsten sein. Embraer hat mehrere Standbeine: Neben Privatjets und Flugzeugen für kommerzielle Airlines – die AUA ist ein Kunde – ist das Unternehmen auch bei militärischen Produkten groß im Geschäft. Rund 15 Prozent des Umsatzes kommen aus der Verteidigungssparte. Neben Österreich bestellen aktuell auch die Niederlande und Tschechien die Transportmaschine C-390, Ungarn hat schon. Ein Grund für den Bestellreigen dürfte sein, dass der einzige Mittbewerber, der ähnliche Transportflugzeuge baut, nicht aus Europa kommt, sondern der US-Konzern Lockheed Martin ist. Der andere, dass ein Teil der Wertschöpfung des Konzerns schon in Europa stattfindet, in Portugal lässt Embraer produzieren.

Die österreichische Politik macht freundliche Nasenlöcher zu Versprechungen der Brasilianer, hält aber eine merkliche Distanz zu allem, was nach Gegengeschäften klingt. Kocher selbst sprach das Thema etwa gar nicht an. Man sei für Rüstungsdeals und alles, was damit zusammenhängt, gar nicht zuständig, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Kocher absolviert eine Reihe politischer und wirtschaftlicher Termine in Brasilien, das Embraer-Treffen mit dem CEO, bei dem auch Journalisten eingeladen waren, war nur ein Gespräch bei einem aufstrebenden brasilianischen Unternehmen. Wann der Deal mit den Brasilianern überhaupt finalisiert wird, ist noch unklar: Zunächst müssen die Niederländer alle Vertragsteile im Parlament abnicken lassen, dem Vernehmen nach könne das noch bis zum Sommer dauern. (András Szigetvari aus São Paulo, 19.4.2024)