Ein Baukran und ein Häuserkomplex
Etliche Banken und die Aufsicht haben Anzeige erstattet, nachdem Immobilienentwickler Kredite nicht mehr zurückzahlen konnten.
Foto: Imago/Michael Gstettenbauer

Steigende Zinsen, das Ende des Immobilienbooms und das Darniederliegen des gewerblichen Immobilienmarkts, auf dem sich derzeit kaum etwas abspielt: ein giftiger Cocktail, der immer mehr Immobilienunternehmen an den Rand ihrer wirtschaftlichen Kräfte führt. Insolvenzen häufen sich, die finanzierenden Banken können aber meist auf Pfandrechte zurückgreifen. So diese im Grundbuch eingetragen sind und geltend gemacht werden können.

Bei der kleinen Raiffeisenbank Flachgau Mitte war das vor kurzem, wie berichtet, nicht möglich. Das Institut hatte einem niederösterreichischen Immobilienentwickler und Bauträger Kredite eingeräumt, ein Wiener Rechtsanwalt und Treuhänder sollte die Pfandrechte eintragen lassen – was aber nie geschah. Die Bank fiel um ihr Geld um, der Raiffeisenverband Salzburg musste sie retten.

Wiener Immobilienentwickler in der Bredouille

Eine kleine Causa, könnte man meinen, sie zieht aber weitere Kreise. Inzwischen ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), nicht zuletzt, weil die Wiener Rechtsanwaltskammer den Anwalt schon vor einiger Zeit gesperrt und Anzeige erstattet hat. Der Immobilienentwickler ist vor allem in Wien und Niederösterreich tätig – und hat mehrere Banken in Anspruch genommen.

Wie DER STANDARD von Involvierten weiß, geht es zudem um einen Wiener Immobilienentwickler, der vor allem in der Bundeshauptstadt tätig ist. Etliche seiner Firmen sind bereits insolvent, auch in dieser Causa gibt es etliche Anzeigen und Ermittlungen der WKStA, die dazu keinerlei Auskünfte gibt. Auch in diesem Fall wird gegen einen Wiener Rechtsanwalt ermittelt, der beschuldigte Unternehmer war zu keiner Stellungnahme bereit. Es gilt die Unschuldsvermutung.

In-sich-Geschäfte und Treuhandschaften

Das System hinter diesen Causen: Die Immogesellschaften holten sich kleinere Kredite von kleinen Banken auf dem Land, vor allem aus dem Raiffeisensektor, für Projekte, die örtlich – relativ – weit entfernt sind und bei denen sich der Baufortschritt daher nur mit einigem Aufwand für den Kreditgeber überprüft ließ oder ließe. Eingeschaltet waren die beiden Rechtsanwälte als Treuhänder, die die Gelder je nach Baufortschritt auszahlen und Pfandrechte eintragen lassen sollten (was offenbar nicht geschah). Vielmehr kam es zu In-sich-Geschäften, bei denen die bereits angeschlagenen Immobilienentwickler ihnen zuzurechnende Firmen einschalteten, die als Käufer auftraten und sich dafür Kredit holten. Das Geld reichten sie, unabhängig vom Baufortschritt, an den Entwickler weiter. Das ging so lange gut, solange es letztlich echte Käufer für die Projekte gab und die Entwickler den Kredit aus dem Verkaufserlös zurückzahlen konnten. Als das nicht mehr ging, flog die Sache auf.

Aus der Justiz und der Bankbranche ist zu hören, dass mindestens ein Dutzend Banken betroffen ist, viele von ihnen haben inzwischen Anzeige erstattet. Auch die Finanzmarktaufsicht (FMA) soll Sachverhaltsdarstellungen eingebracht haben; der FMA-Sprecher sagt dazu aber nur, dass die Verluste der Institute "im Einzelfall zwar schmerzhaft, aber verkraftbar" seien. Die Aufsicht hatte ihren Prüfschwerpunkt bei den Kreditinstituten im Jahr 2020 auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien gelegt und dabei Auffälligkeiten festgestellt.

Hohe Wellen am Attersee

Involviert ist auch die Raiffeisenbank Attersee-Süd, auch sie soll Anzeige gegen den Wiener Immobilienentwickler erstattet haben. Im Dezember hat sie eine seiner Firmen auf rund vier Millionen Euro geklagt, es geht um offene Kredite. Offenbar hat sie eines seiner Konten gesperrt – das wiederum erschließt sich aus einer Anzeige, die eine Gesellschaft des früheren Asfinag-Managers Siegfried Stieglitz gegen die Bank eingebracht hat. Demnach enthalte das Institut Stieglitz rund eine Million Euro vor, die auf dem gesperrten Konto des Wiener Immobilienentwicklers liegt, mit dem Stieglitz Geschäfte gemacht hat. Laut Anzeige hat er eine rechtskräftige Exekutionsbewilligung für das Geld, das nun aber eingefroren ist. Die Raiffeisenbank Attersee-Süd erteile zu alldem keine Auskünfte, ließ sie wissen. (Renate Graber, 27.4.2024)