Bärlauchblätter am Waldboden
Bärlauch ist aufgrund seiner würzigen Note ein sehr beliebtes Wildkraut. Regelmäßig kommt es aber zu tödlichen Verwechslungen.
APA/ROBERT JAEGER

Der Bärlauch ist einer der ersten Frühlingsboten. Sein intensiver Duft, der schon von weithin in die Nase sticht, und sein scharf-würziger Geschmack locken jedes Jahr zahlreiche Sammlerinnen und Sammler in die Wälder und Auen. Mit der Bärlauchzeit kommen auch regelmäßig Meldungen über Vergiftungsfälle – die mitunter tödlich enden können.

Erst Ende März starb ein niederösterreichisches Ehepaar an den Folgen einer Verwechslung. Offenbar waren versehentlich Blätter von Herbstzeitlosen in der Bärlauchsuppe gelandet. Das Paar wurde ins Krankenhaus gebracht, wenige Tage später waren beide tot. Letzte Woche wurde im Salzburger Flachgau eine Familie, die Spinatpalatschinken gegessen hatte, mit Vergiftungserscheinungen ins Spital eingeliefert. Noch steht eine mögliche Verwechslung von Bärlauch mit Maiglöckchen im Raum, es dürfte aber auch Cannabis im Spiel gewesen sein. Lebensgefahr bestand in diesem Fall aber keine.

Hochtoxisches Spindelgift

Herbstzeitlose und Maiglöckchen sind jene beiden Kandidaten, die dem Bärlauch am ähnlichsten sehen und daher leicht mit dem schmackhaften Wildkraut verwechselt werden können. Das Maiglöckchen kann zwar Vergiftungserscheinungen auslösen, weitaus gefährlicher ist jedoch die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), wie Sabine Glasl-Tazreiter betont. Die Pharmazeutin von der Universität Wien ist auf Giftpflanzen und ihre Wirkungen spezialisiert. "Das in den Pflanzen enthaltene Colchicin ist hochtoxisch", sagt Glasl-Tazreiter. "Schon geringe Dosen können letale Folgen haben."

Colchicin zählt zu den sogenannten Spindelgiften, weil es direkt in die Zellteilung – bei der die Chromosomen durch einen Spindelapparat förmlich auseinandergezogen werden – eingreift und sie zum Erliegen bringt. Colchicin wirkt erst nach einigen Stunden. Zunächst treten Symptome wie bei einer gewöhnlichen Lebensmittelvergiftung auf, also Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle. Nach und nach werden Darm-, Blut- und Knochenmarkszellen zerstört, was zu Lähmungen und in den meisten Fällen nach etwa zwei Tagen zum Tod führt. Gegengift gibt es keines.

Mit Maiglöckchen kann man hingegen kaum jemanden umbringen, wie manche Krimis suggerieren, sagt Glasl-Tazreiter. Sie enthalten herzwirksame Glykoside, welche die Kontraktionskraft des Herzens verstärken und zu Herz-Kreislauf-Beschwerden führen können. Gelangen sie in den Körper, ist ein tödlicher Ausgang aber praktisch ausgeschlossen, sagt die Expertin. "Die chemische Zusammensetzung der Glykoside bewirkt, dass sie im Gegensatz zu Colchicin stark wasserlöslich sind und vom Darm kaum resorbiert werden können." Die Giftstoffe werden also rasch wieder ausgeschieden.

Bärlauchmythen

Doch wie kann man nun gesunden Bärlauch von seinen giftigen Doppelgängern unterscheiden? Am besten, indem man sich von einer kundigen Person die Unterschiede erklären lässt und die Pflanzen mit eigenen Augen und Händen sieht und spürt, sagt David Prehsler. Der Biologe ist im Botanischen Garten in Wien tätig und führt gemeinsam mit Sabine Glasl-Tazreiter pharmakobotanische Exkursionen mit Studierenden durch. Öffentliche Führungen in ganz Österreich bietet unter anderem die Gesellschaft für Phytotherapie an. Exemplare von Bärlauch, Maiglöckchen und Herbstzeitlose lassen sich außerdem im Arzneipflanzengarten des Departments für Pharmakognosie der Uni Wien vergleichen.

Viele der Tipps, die in den Medien kursieren, seien kritisch zu betrachten, sagt Prehsler. "Manchmal heißt es, nur bei Bärlauch hört man ein Knacken, wenn man ihn bricht. Aber: Wenn man ein Knacken hören will, hört man es auch." Ähnliches gelte auch für Merkmale, die in botanischen Büchern angeführt werden, wie etwa, dass die Bärlauchblätter an der Oberseite glänzen und an der Unterseite matt sind, während es bei Maiglöckchen umgekehrt ist. Gerade für Laien seien derartige Unterscheidungen oft alles andere als eindeutig.

Insbesondere mit zwei häufigen Mythen möchte Prehsler aufräumen: "Erstens stimmt es nicht, dass Bärlauch, Maiglöckchen und Herbstzeitlose nicht zusammen vorkommen. Sie können sehr wohl nebeneinander und durcheinander wachsen." Zweitens könne man sich nicht auf den Geruch verlassen, wie oft vermittelt wird. Es ist zwar richtig, dass Bärlauch einen starken Knoblauchduft verströmt und die Blätter der anderen beiden Pflanzen nicht. Doch hat man beim Pflücken einmal die Bärlauchnote an den Fingern, riecht alles, was man danach in den Händen hält, ebenso.

Blatt für Blatt

Die Verwechslungsgefahr sinkt erst dann, wenn die Pflanzen in Blüte stehen, was derzeit bei Bärlauch und Maiglöckchen bereits der Fall ist. Die Herbstzeitlose blüht, wie der Name sagt, im Herbst. Daneben gibt es auch andere, weniger augenscheinliche morphologische Unterschiede: Die Herbstzeitlose und das Maiglöckchen haben keinen langen Stiel wie der Bärlauch. Die Herbstzeitlose wächst mit einer trichterförmigen Blattrosette aus dem Boden. Sie hat außerdem tendenziell längere und schmalere Blätter, die sich dicker anfühlen als beim Bärlauch. Doch wenn im Frühling die ersten Blätter dicht nebeneinander austreiben oder man auf ein größeres Feld schaut, sind diese feinen Unterschiede kaum sichtbar, warnt Prehlser.

Grundsätzlich sollte man bei jeglicher Unsicherheit die Pflanzen stehen lassen. Um eine Verwechslung möglichst auszuschließen, sollte man Bärlauch nicht in größeren Büscheln rupfen, sondern Blatt für Blatt pflücken und einzeln waschen. Die Blätter lassen sich übrigens auch noch verarbeiten, wenn der Bärlauch blüht – auch wenn die Geschmacksintensität nachlässt. Dafür ist man dann aber auf der sicheren Seite. (Karin Krichmayr, 30.4.2024)