Heuriger, Reservieren, Wein
Früher ging's spontan auf einen Spritzer, mehr und mehr wird nun vorab reserviert. Ist an dieser Beobachtung was dran?
Heribert Corn

Ein gemütlicher Abend unter Lauben beim Heurigen: Ging man früher aufs Geratewohl auf einen Spritzer und labte sich am Buffet, mehren sich die Beobachtungen, dass auch bei Buschenschänken und Heurigen immer häufiger reserviert wird.

Bei der Familie Barbach, die einen Heurigenbetrieb an einer lauschigen Ecke in Perchtoldsdorf betreibt, von dem man sich gerade eine kleine Auszeit gönnt, um sich verstärkt dem Weinbau zu widmen, bestätigt man den Trend zum Reservieren und ist "not amused". Katharina Prüfert-Barbach – wir erreichen sie telefonisch im Weingarten – sagt, die Tendenz nehme stark zu. Auslöser sei die Entwicklung nach Corona gewesen, als man anfangs sehr auf Reservierungen setzte, um Distanz zwischen den Gästen zu gewährleisten.

Ob die Entwicklung zu mehr Reservierungen in Sachen Planbarkeit von Vorteil sei? "Mitnichten", meint die Profi-Weinbäuerin und -Wirtin. "Unser Garten bietet Platz an 30 Tischen, vergangenen Juli hatte mein Mann bis zu 200 Anrufe täglich am Mobiltelefon. Das führte dazu, dass er es weglegen musste. Bloß weichen die Leute dann auf E-Mails aus. Es bringt einfach einen Megastress, was mir auch zahlreiche Kollegen und Kolleginnen bestätigen." Hinzu komme, dass viele Menschen bei Reservierungen mehr Sonderwünsche bezüglich bestimmter Tische aussprächen. Außerdem komme es vor, dass manche am Mittag lange sitzen blieben und irgendwann von anderen Reservierungen verdrängt würden. "Man wird einfach viel unflexibler", sagt Prüfert-Barbach.

Beim Heurigen Kierlinger im 19. Bezirk kommen die Leute abgesehen von der urigen Gaststube unter 200 Jahre alten Bäumen im Garten zusammen. Der Heurige existiert seit 1787. Matthias Kierlinger kann nicht bestätigen, dass die Anzahl der Reservierungen gestiegen sei. Generell sei es so, dass er ein Drittel der 180 Gartenplätze und 100 Plätzen im Inneren für Stammgäste "offenhält", die etwa ein Drittel der Besucherschar ausmachen.

Was sich aber durchaus verändert habe, sei die Bereitschaft, nicht in Anspruch genommene Reservierungen abzusagen. "Das hat sich seit ein bis zwei Jahren sehr verändert und wird auch von Kollegen bestätigt. Ich habe allerdings keine Erklärung dafür. Aber es macht schon was aus, wenn zwei große Tische einfach wegbrechen." Wie er darauf reagiert? "Wir rufen dann an, und die Leute sagen, sie haben es vergessen, oder so etwas in der Art." Manche aus seiner Zunft würden in einem solchen Fall eine Rechnung schicken, aber die würde so gut wie nie bezahlt, so Kierlinger.

Auf der Riede "Untere Schos" am Nussberg baut Maria Grötzer Riesling an. Vier- bis fünfmal von Frühling bis Herbst hat sie "ausgesteckt" und begrüßt gemeinsam mit ihrem Team Gäste im kleinen Weingarten. Seit zwei Jahren kann man auch reservieren. "Das hat sich so ergeben", erklärt Maria Grötzers Tochter Lisi Sukup-Grötzer, die an den geöffneten Tagen hinter der Schank steht. Es habe mit einzelnen Anfragen begonnen, mittlerweile habe sich die Reservierungsmöglichkeit herumgesprochen und werde gut angenommen, erklärt Sukup-Grötzer. Einen Vorteil sieht sie in der besseren Planbarkeit. "Wir wissen schon vorab, ob wir voll ausgelastet sind oder nicht, und können uns entsprechend vorbereiten, was Speisen und Getränke betrifft", sagt Sukup-Grötzer.

Die Reservierungen bedeuten aber auch mehr Arbeit: "Manche Gäste haben ganz spezielle Wünsche, wo sie sitzen möchten und wo nicht. Das versuchen wir zu beachten." Time-Slots, wie es in immer mehr Restaurants üblich ist, werde es laut Lisi Sukup-Grötzer nicht geben. "Wer einen Tisch reserviert, kann den theoretisch den ganzen Tag haben." Ideal sei, wenn die Hälfte der Plätze reserviert sei und die andere Hälfte für Laufkundschaft zur Verfügung stehe, findet Sukup-Grötzer, schließlich solle ein Heurigenbesuch informell und niederschwellig bleiben. Apropos: Falls tatsächlich kein Tisch mehr frei ist, gibt es Decken, auf denen man es sich zwischen den Weinreben gemütlich machen kann. Prost!

Weinbau Maria Grötzer
Maria Grötzer baut am Nussberg Riesling an.
Michael Steingruber

Sechsmal im Jahr hat das Heurigenlokal des Weinguts Grill in Gumpoldskirchen über einen Zeitraum von knapp zwei Wochen ausg'steckt. "Die letzten zwölf Tage waren ein absoluter Wahnsinn", klagt Robert Grill. Mehr als 200 Reservierungen seien über sämtliche Kanäle reingekommen, seine Gäste würden anrufen, SMS schicken und ihn über den Facebook-Messenger kontaktieren, um einen Tisch zu ergattern. An manchen Tagen müsse er sogar das Handy weglegen, damit er überhaupt noch zum Arbeiten komme. Er sei jedenfalls komplett ausreserviert, und an manchen Tagen habe er die Tische sogar doppelt belegt, um der großen Nachfrage gerecht werden zu können.

Ob ihn das denn nicht freue, wenn das Geschäft so gut rennt? "Selbstverständlich", sagt Grill, "aber vor der Pandemie war ich auch voll, obwohl die Leute einfach spontan hereingeschneit sind." Dezidiert auszuweisen, dass Reservierungen nicht möglich sind, könne er aber auch nicht. "Ich habe wenig Laufkundschaft, fast nur Stammkunden. Wie könnte ich denen verwehren, bei mir zu reservieren, wenn sie das so gewöhnt sind?"

Im vergangenen Jahr hat in der Stammersdorfer Senderstraße Nummer 19 "der Weingarten" eröffnet. Seit es ein Online-Formular für Reservierungen gebe, würde diese Möglichkeit bevorzugt genutzt, meist aber für größere Gruppen ab fünf Personen, erklärt Dominic Schum, der gemeinsam mit Marlene Seiser am 8. Juni in die neue Saison startet. Dass zwei Personen reservieren, komme selten vor, erklärt Schum. Die meisten wüssten, dass im Zweifelsfall einige zusätzliche Tische aufgebaut werden könnten.

Das Publikum im von Freitag bis Sonntag geöffneten Weingarten ist bunt gemischt, während nebenan beim Heurigen "Weinhandwerk" viele Veranstaltungen und Hochzeiten stattfinden, setzt "der Weingarten" überwiegend auf Lauf- und Stammpublikum – auch wenn Veranstaltungen nicht ausgeschlossen sind. (red, 3.5.2024)