Wenn Gebiete Rituale initiieren: Lois und Franziska Weinberger, "Home Voodoo I", 2004.

Foto: Paris Tsitsos

Linz - Die Gebiete von Lois und Franziska Weinberger - "Orte, an denen sich das Lebendige sichtbar über das Ordnende zeigt, wo die Unmöglichkeit einer Vernichtung immer wieder aus ihrem Gegenteil, aus denkbaren Folgen des Nichtsterilen in die gewagte Zukunft erblüht" - können überall sein: In einem Garten in Wien, einem Bahnhof in Kassel, auf dem Dach des Watari Museum of Contemporary Art in Tokio. Oder im Lentos. Oder in Innsbruck, wo sich die Aufregung um ihr Werk Garten, eine poetische Feldarbeit lange nicht legen wollte.

Ein Käfig aus Rippentorstahl, 37 Meter lang, vier Meter breit und gut dreieinhalb Meter hoch - eine Einfriedung für einen Garten, der sich selbst anlegt. Durch Samenflug, durch Zufall; geschützt vor jenen, die gewohnt sind, massiv ordnend einzugreifen, das gute vom bösen Kraut zu trennen. Dort wächst, was wächst. Punkt. Kein Leistungsgärtner ist zugelassen, kultivierend einzugreifen.

Derzeit bringen Lois und Franziska Weinberger dem Gebiet II gegenüber jene Geduld auf, die es eben braucht, Pflanzengesellschaften in ihrer Entwicklung zu begleiten. Das Gebiet II, der Garten, ist eine vorgefundene Industriebrache am Überschwemmungsgebiet des Kamp. Das Areal der ehemaligen Spiegelfabrik ist übersät mit Abfällen, mit Glasscherben und Schleifstaubschichten.

Es ist ein Garten, den es zu entdecken gibt, eine reiche Landschaft, die freigelegt werden will, eine Abfolge von Räumen je eigener Qualität. Die Bestandsaufnahme belegt Vielfalt: Fingerhut, Bilsenkraut, Beifuß, Nachtschatten, Stechapfel, Zinnkraut, Klatschmohn, Lerchensporn, Ackersenf ... Manches muss entfernt werden, um Überwucherungen zu vermeiden, manches verlangt nach einem Eingriff: Da werden Sockel zum erhofften Befall durch Moose errichtet, legen Stangenbohnen ihre weitere Verwendung als Skulptur nahe, wollen Beschriftungen angebracht werden, Texte, die hervorheben, was ansonsten landläufig vernichtet wird: Unkraut.

Simple Plastiksessel, erdgefüllte Aluminiumcontainer oder Tragetaschen, konservierte Fußabdrücke, Ballungen von Fundstücken konzentrieren, was das Gebiet selbst nahelegt, heben hervor, was jedes Gebiet bietet: Bilder, Skulpturen, spezielle Stimmungen und - für den exterritorialen Gebrauch - jede Menge an Material zur poetischen Weiterverwendung. Exterritorialen Raum bieten etwa Galerien oder Museen, in denen Lois und Franziska Weinberger die Extrakte aus ihren Gebieten zeigen: Das können Objekte sein oder Fotografien oder Karten fiktiver Länder. Das können Niederschriften dokumentarischen Charakters sein oder Fortdichtungen, Readymades oder Nachschöpfungen, Archive oder isolierte Phänomene. Die Ordnung im Ausstellungsraum ergibt sich assoziativ, folgt einer absichtslosen Logik, zeigt, dass es überall Sensationen gibt, die unser ästhetisches Empfinden prägen und die das Potenzial bergen, ein Ritual zu initiieren. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 27.10.2008)