Bedrohliche Eiszapfen und riesige Schneemassen auf dem Dach? Manchmal hilft nur noch Schaufeln - und eine Schneesicherung.

Collage: STANDARD/Friesenbichler

Im Jänner vor zwei Jahren stürzte die eingeschneite Eislaufhalle in Bad Reichenhall ein. 15 Menschen starben, 34 weitere wurden verletzt. Wenige Wochen später gab das Dach einer Messehalle im polnischen Kattowitz unter der immensen Schneelast nach und begrub 66 Menschen unter sich. "Sie können sich nicht vorstellen, was bei uns damals los war", erinnert sich Michael Hölzl vom Salzburger Unternehmen Adalbert Stary Haustechnik. "Die Telefone klingelten ununterbrochen, die Leute wollten, dass wir die Dächer ihrer Häuser vom Schnee befreien."

Für Dachdecker und Spenglermeister ist der Winter in aller Regel eine lang anhaltende und unwirtschaftliche Nebensaison ohne Aufträge. Schuld ist die Witterung. Einzige Ausnahme sind Jahrhundertwinter mit nicht enden wollenden Schneefällen. Wie heuer in Kärnten verschwinden die Einfamilienhäuser dann unter meterdicken Schneedecken. An die Gefahr eines Einsturzes des eigenen Hauses denken dabei nur wenige.

Gefahr Flachdach

"Gefährdet sind in erster Linie natürlich die Flachdächer", erklärt Hölzl, "aber auch bei Steildächern ist die Möglichkeit, dass die Dachkonstruktion unter den Schneelasten nachgibt und zusammenbricht, nicht zu unterschätzen." Die meisten Bewohner hätten nur wenig Einschätzungsvermögen, wann die weiße Pracht zur Gefahr wird. "Meistens werden wir erst mit einer Schneeräumung des Daches beauftragt, wenn die Balken knarren. Dann ist es eigentlich schon zu spät."

Fakt ist: Mit wie viel Schneelast in der jeweiligen Region zu rechnen ist, kann man einer Tabelle der europäischen Norm EN 1991-1-3 entnehmen. Die Werte sind allesamt Erfahrungswerte und sind abhängig von der geografischen Lage sowie von der Seehöhe. Aufgrund der Vorfälle vor zwei Jahren wurde die Tabelle überarbeitet und verschärft.

Große Unterschiede

Österreich ist demnach in 215 unterschiedliche Zonen eingeteilt. Die Schwankungsbreite ist enorm: Während die Norm für Wien-Simmering eine Schneebelastung von bescheidenen 110 Kilogramm pro Quadratmeter vorsieht, müssen Dächer in Wien Neuwaldegg im Extremfall die doppelte Schneemasse tragen können. Innerhalb der Alpen variieren die Werte noch stärker. Spitzenreiter ist St. Christoph am Arlberg, wo die Dachkonstruktion mit bis zu 1,35 Tonnen Schnee belastbar sein muss.

"Das Problem ist, dass es sich bei all diesen Werten um Empfehlungen handelt", sagt Johannes Stern, Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit am Österreichischen Normungsinstitut in Wien, "keine dieser Normen ist verbindlich." Dennoch sei es naheliegend, sich daran zu halten. Der Grund ist einfach: Im Streitfall, also bei Sachverständigengutachten sowie vor Gericht werden diese Normen als Richtwerte herangezogen.

Es haftet der Eigentümer

Der Hausbewohner und Grundstückseigentümer ist jedenfalls in der Bredouille. Einerseits trägt er die Verantwortung dafür, dass der Schnee auf dem Dach bleibt und nicht etwa auf den angrenzenden öffentlichen Gehsteig herabfällt; kommt ein Passant durch Schnee oder Eis zu Schaden, haftet der jeweilige Hausbesitzer. Andererseits muss er auch imstande sein einzuschätzen, ob die Schneebelastung auf dem Dach den in der Norm angenommenen Durchschnittswerten entspricht oder nicht. Stürzt das Dach ein, hilft im besten Falle nur noch die Versicherung, sofern man eine abgeschlossen hat.

Als Sicherung gegen Schnee- sturz empfiehlt Walter Buchegger, Bundesinnungsmeister der Dachdecker, das Anbringen von Dachhaken und Schneefanggittern. "Mit einer solchen Sicherungsmaßnahme kann man verhindern, dass der Schnee vom Dach abrutscht", so Buchegger, "umso wichtiger ist in einem harten Winter jedoch die Überprüfung, ob das Dach den statischen Belastungen standhält."

Eine Begutachtung der statischen Verhältnisse übernimmt der Zimmermann, Statiker oder Ziviltechniker. Mit der Schneeräumung auf dem Dach kann man den Dachdecker, die Feuerwehr oder gegebenenfalls ein Schneeräumungsunternehmen beauftragen. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.1.2009)