Die 16-jährige Katharina ist vor kurzem zum zweiten Mal Mutter geworden - und in die Mutter-Kind-Einrichtung in Favoriten gezogen. "Das zweite Kind wäre für meine Eltern zu viel gewesen"

Foto: STANDARD/ Christian Fischer

Die Zahl der Teenager-Mütter bleibt in Wien zwar konstant, allerdings steigt der Betreuungsbedarf in diesem Bereich laut Jugendamt massiv - weshalb am südlichen Stadtrand gerade ein neues Wohnheim aufgesperrt hat - Von Martina Stemmer

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Wien - „Ich bin immer schon lieber zu Hause gesessen als auf Parties gegangen", sagt Katharina und tätschelt ihrem vier Monate alten Sohn den Rücken „von daher habe ich nicht das Gefühl, was zu verpassen." Viel Zeit, die eigene Feier-Kondition auszutesten, hatte die 16-Jährige freilich nicht. Mit 13 wurde Katharina das erste Mal schwanger. 

"Abtreibung kam für sie trotzdem nie in Frage"

„Das war schon ein ziemlicher Schock", sagt sie. „Meine Schwester hat geweint, mein Vater gebrüllt, meine Mutter wäre fast umgefallen." Abtreibung kam für sie trotzdem nie in Frage - und inzwischen sei zu Hause auch alles wieder gut. Damit das so bleibt, ist die Hauptschulabsolventin vor einigen Wochen ausgezogen. „Das zweite Kind wäre zu viel für meine Eltern gewesen."

Selbstständigkeit lernen

In einem dreistöckigen Haus am südlichen Wiener Stadtrand will der Teenager nun Selbstständigkeit lernen - um sich irgendwann allein um ihre Kinder kümmern zu können. Zum Vater der beiden Söhne hat sie keinen Kontakt mehr. „Und das soll auch so bleiben." Katharina wohnt - so wie 25 weitere junge Wienerinnen mit ihren Babys - in der neuen städtischen Mutter-Kind-Einrichtung für minderjährige Mütter in der Biererlgasse. Bisher betreute das Wiener Jugendamt Mütter unter 18 und ihre Kinder in zwei verschiedenen Einrichtungen im 11. beziehungsweise 18. Bezirk - beide wiesen klassischen Heimcharakter auf.

Rund 180 Jugendliche bekommen in Wien pro Jahr ein Baby

Das frisch umgebaute ehemalige Krankenschwesternheim in Favoriten mit seinen 26 Einzelwohneinheiten und kleinem Garten soll laut Jugendamt-Chef Johannes Köhler den Mädchen dabei helfen, in ein normales Leben zu finden. „Wir müssen sicher sein, dass das Baby nicht in Gefahr ist." Rund 180 Jugendliche bekommen in Wien pro Jahr ein Baby. 56 Mädchen werden derzeit vom Jugendamt betreut, davon 30 stationär. In der Biererlgasse kommen jene Mädchen unter, die wegen ihrer schwierigen familiären Situation, psychiatrischer Auffälligkeiten oder Drogenproblemen nach Einschätzung des Jugendamts mit ihren Kindern nicht allein gelassen werden können.

Betreute Eigenständgikeit

75 bis 80 Prozent schaffen es laut Jugendamt von einer solchen Einrichtung in die betreute Eigenständgikeit. Beim Rest kommt es, so Jugendamtchef Johannes Köhler, zu einer „Kindesabnahme": „Dann suchen wir eine passende Pflegefamilie." Durchschnittlich sollen die Teenager ein halbes Jahr in der Biererlgasse wohnen. Katharina will allerdings die nächsten zwei Jahre in der hellen Ein-Zimmer-Wohnung unterm Dach bleiben. „Dann bin ich 18. Und suche mir eine Lehrstelle."
Einen fixen Job will auch Tatjana irgendwann. Derzeit bereitet sich die 17-Jährige auf die Geburt ihres Sohns Luca vor. Die Hochschwangere hat bereits vor ihrem Umzug ins neue Mutter-Kind-Heim in einer Einrichtung des Jugendamts gelebt. „Ich bin sehr froh, dass es ein eigene Einrichtung für Mütter gibt. Hier lerne ich hoffentlich alles, damit ich irgenwann ohne Hilfe zurecht komme."

Wohnung zu dritt

Derzeit büffelt Tatjana für ihren Hauptschulabschluss - sie hat noch 30 Tage bis zur Geburt, danach hab ich wahrscheinlich wenig Zeit dafür." Der Vater von Tatjanas Sohn wird demnächst 18 - die beiden hoffen, bald zu dritt zusammenleben zu können. „Die Familienangehörigen werden sehr stark eingebunden", sagt Köhler. Allerdings sei es auch hin und wieder notwendig, gewalttätigen Partnern oder Familienmitgliedern das Besuchsrecht zu entziehen. 


Zehn Sozialarbeiterinnen betreuen die jugendlichen Mütter in der Biererlgasse rund um die Uhr. Laut Jugendstadtrat Christian Oxonitsch (SP) reagiere man mit dem neuen Wohnheim auf die steigende Notwendigkeit von_Betreuung in diesem Bereich. Bislang gab es wienweit 22 stationäre Plätze - nun sind es 26. Das Jugendamt, betont Oxonitsch, bemühe sich daneben aber natürlich auch weiterhin in_Sachen Prävention, „sodass es erst gar nicht so weit kommt." (DER STANDARD Printausgabe 28.5.2009)