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Zwanzig Minuten Kopfwäsche für McChrystal (Archivbild: McChrystal mit Obama an Bord der Air Force One)

Foto: epa/White House

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Dann präsentierte US-Präsident Barack Obama der Öffentlichkeit den neuen Nato-Oberbefehlshaber in Afghanistan, General David Petraeus

Foto: Reuters/Larry Downing

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"Fototermin" beim Präsidenten: McChrystal im Weißen Haus, 20. Mai 2009

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Präsident Barack Obama feuerte General McChrystal, den vor einem Jahr eingesetzten US-Kommandeur in Afghanistan. Die von ihm eingeleitete Exit-Strategie soll nun General David Petraeus vollziehen.

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Es gab keine Vorrede, nicht eine Sekunde hielt sich Barack Obama auf. Heute habe er dem Rücktrittswunsch seines Afghanistan-Kommandeurs Stanley McChrystal entsprochen, sagte er kurz und trocken, als er am Mittwochabend im Rosengarten des Weißen Hauses hinters Rednerpult trat. "Ich habe es mit beträchtlichem Bedauern getan, aber auch in der Gewissheit, dass es das Richtige ist für unsere Mission in Afghanistan."

Ein Präsident, der seinem wichtigsten, umstrittensten General resolut den Sessel vor die Tür stellt: Es war der Schlusspunkt eines Dramas, das Washington zwei Tage in Atem hielt. Im Handumdrehen präsentierte Obama den Nachfolger des Geschassten. Es ist David Petraeus, ein Experte für den Kampf gegen Aufständische, der 2007, unter George W. Bush, im Irak ein Zweckbündnis mit den rebellierenden Sunniten geschmiedet und damit eine Beruhigung der Lage erreicht hatte. Der Fitnessfanatiker, dem man präsidiale Ambitionen nachsagt, ist seit dem Amtsantritt Obamas immerhin schon der dritte Befehlshaber, der sein Glück am Hindukusch versucht. Vor 13 Monaten war David McKiernan in die Wüste geschickt worden.

Inhaltliche Differenzen, betonte der Präsident, seien nicht der Grund für seine Entscheidung. "Wir stimmen über unsere Strategie voll überein" , sagte er, bevor er McChrystal als einen Egoisten charakterisierte, der die Arbeit des Teams gefährde. Mit seinen Äußerungen im Magazin Rolling Stone habe er nicht den Maßstäben genügt, denen ein General entsprechen müsse. Die Demokratie stütze sich auf Institutionen, die stärker seien als der Einzelne.

McChrystal zeigte Reue

Vorausgegangen war ein letzter Versuch des Entlassungskandidaten, den Schaden noch zu begrenzen, indem er sich Asche aufs Haupt streute. Buchstäblich über Nacht aus Kabul herbeizitiert, ließ sich McChrystal am Morgen im Pentagon zusammenstauchen, sprach öffentlich von einem Fehler, zeigte Reue. Dann fuhr er ins Weiße Haus, zu einem Vieraugengespräch mit Obama, das gerade 20 Minuten dauerte.

Joe Biden, der gekränkte Vizepräsident, drängte angeblich am energischsten auf den Rauswurf des Rebellen. Nach Bidens Überzeugung überschritt McChrystal eine rote Linie, als er die politische Führung kritisierte, Uniformträger dürfen keine Politik machen, sie haben sich unterzuordnen.

Im Gespräch mit Michael Hastings, einem freien Mitarbeiter des Musikmagazins Rolling Stone, war McChrystal, dem nachts fünf Stunden Schlaf reichen, kräftig vom Leder gezogen. Dass er dem Journalisten sehr viel Zeit widmete, lag an den isländischen Aschewolken im Frühjahr: Der Reisende saß in Paris fest und kam ins Plaudern. Daraus entstand die Skizze eines chronischen Konflikts zwischen Zivilisten und Militärs, gipfelnd in McChrystals Wort von den "Waschlappen" im Weißen Haus.

"Fototermin" beim Präsidenten

Richard Holbrooke, Obamas Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan, ist demnach ein Wichtigtuer. James Jones, Sicherheitsberater, sei ein "Clown" , dessen Weltsicht zum Jahr 1985 passt. Wie wenig die Berater McChrystals von Biden hielten, machten sie durch ein sarkastisches Wortspiel klar: Der Mann wurde "Bite me" , frei zu übersetzen mit "Leck mich". Obama interessiere sich als ein Commander-in-chief kaum für den Mann, der das Nato-Kontingent in Afghanistan dirigiert. Es habe einen Fototermin mit ihm gegeben, Grundton: "Hier ist der Bursche, der diesen verfickten Krieg führen soll, aber es schien ihn nicht sehr zu kümmern."

Schon im Oktober hatte er sich den Zorn des Oval Office zugezogen. Als Biden gezielte Schläge gegen Taliban und Al-Kaida statt einer massiven Truppenverstärkung vorschlug, konterte McChrystal, so ein Minimalansatz sei keine gute Idee. Er tat es allerdings öffentlich, bei einem Vortrag in London. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2010)