Keine ganz normale Familie: Andreas Kiendl, Horst Goldemund, Michael Ostrowski und Elfriede Ott in der Krimi-Komödie "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott".

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Elfriede Ott (85) ist seit 1958 Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt. Sie leitet die Schauspielabteilung des Konservatoriums Wien. Am 4. 11. wirkt sie am Wittenbrink-Abend "Eh wurscht" im Theater in der Josefstadt mit.

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Wien - Üblicherweise werden ja Prominente von Unbekannten vertreten, so sie einmal verhindert sind. In Andreas Prochaskas Krimi-Komödie verhält es sich genau umgekehrt: Weil zwei auf Sozialbezüge angewiesene Taugenichtse (Michael Ostrowski und Andreas Kiendl) dringend einen Stand-in für ihre verstorbene Großmutter benötigen, schnappen sie sich das erstbeste Krankenhausopfer - und dieses entpuppt sich als die von der Bühne gekrachte Kammerschauspielerin "Elfriede Ott".

Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott könnte man als österreichische Variante einer Gaunerkomödie bezeichnen, wobei Gauner für diese Ansammlung an Dilettanten, Möchtegern-Erpressern und Trittbrettfahrern schon fast zu hoch gegriffen wäre. Angereichert mit Körperkomik, Nonsensdialogen und einem nonchalanten Blick auf menschliche Grundbedürfnisse, schließt Prochaskas Arbeit neuere filmische Varianten der heimischen Low Comedy mit einer mehr aus dem Theater stammenden Form des Boulevards gelungen kurz.

Standard: Der Film ist sehr lustig ...

Ott: Arg ist er, arg.

Standard: Warum denn das?

Ott: Manche Szenen sind sehr arg. Ich meine, einen Hund zu fressen, entsetzlich, entsetzlich! Aber es war ein Double, nicht die Pipsi.

Standard: Sie spielen hier eine gewisse Elfriede Ott. Unter welchen Gesichtspunkten war diese Rolle für Sie attraktiv?

Ott: Es ist komisch, aber ich kann das gar nicht beantworten. Es war so selbstverständlich. Ich wurde vor zwei Jahren gefragt, habe das Angebot aber nicht ernst genommen. Na ja, das sind nette Grazer Buam, hab ich mir gedacht. Aber zwei Jahre später kamen Andreas Prochaska und der Produzent Danny Krausz, ernsthafte Menschen, und haben mir dieses fantastische Drehbuch gegeben. Ich hab so gelacht beim Lesen. Da war es für mich klar.

Standard: Wie spielt man die kollektive Vorstellung seiner selbst?

Ott: Ich hab eigentlich nicht so sehr das Gefühl gehabt, ich zu sein; es war eine Rolle. Diese Frau liegt im Spital und wird entführt. Dann ist sie vollkommen benebelt.

Standard: Sind Sie Ihrem eigenen Klischee begegnet?

Ott: Man bedient sein eigenes Klischee. Aber dieses Klischee hat mit mir persönlich überhaupt nichts zu tun. Vor allem entsteht ein Klischee ja, weil man Menschen zum Lachen bringt. Das ist sehr zwiespältig. Die größten Clowns sind zugleich die größten Melancholiker. Als der Clown Charlie Rivel einmal einen Auftritt hatte, war seine Frau zuvor am Flughafen gestorben. Die Leute haben gebrüllt.

Standard: Haben Sie eine spezielle Technik, um Komik zu erzeugen?

Ott: Da gibt's nur Ernsthaftigkeit und Präzision. Man muss die Situation bedienen. Je größer das Missgeschick, das dem Menschen auf der Bühne passiert, umso mehr gefällt es den Leuten; das Publikum ist voller Schadenfreude.

Standard: Der Film hat eine gewisse Drastik und Derbheit, ganz im Sinne der Low Comedy. Hat Sie diese Körperkomik angezogen?

Ott: Mich hat die präzise Situationskomik angezogen. Der Andreas Prochaska hat so ein Gespür gehabt dafür.

Standard: In Ihrer Schauspielschule gilt das Motto "keine Methode". Wie geht das?

Ott: Mit Fantasie. Das kommt natürlich auf die Tagesverfassung an. Es ist eine sehr aufregende, auch zwiespältige Angelegenheit. Wir bekommen jetzt übrigens ein größeres Studio am Schwarzenbergplatz mit einem Podium und zwei Scheinwerfern. Ich sage den Leuten, sie müssen spielen und nicht jahrelang Übungen machen. Man lernt den Beruf nur, wenn man ein Gegenüber hat und aus sich herausgehen kann.

Standard: Wollten Sie ein Alternativangebot zu verschulten Schauspielsystemen geben?

Ott: Ich war nie am Reinhardt-Seminar, ich kann das gar nicht sagen. Es sollte jeder seine Technik finden. Ich persönlich habe immer visuelle Vorstellungen von meinen Figuren. Wie schaut die aus, was trägt sie. Ich sitze gern im Kaffeehaus und schau den Leuten zu. Der Muliar hat stets gesagt: Der Gang charakterisiert einen Menschen - kommt der vom Land, oder sitzt er sein Leben lang im Büro?

Standard: Wie geht jemand, der immer am Schreibtisch sitzt?

Ott: Ein bissl gedrückt.

Standard: Sie leiden darunter, dass die Komödie in Österreich keine geachtete Kunstform ist. Ist das nicht paradox, da sich die Österreicher doch als humorvoll verstehen?

Ott: Ja, sie gehen gern zum Heurigen und lachen dort. Aber die Liebe zum Boulevard ist doch etwas anderes, eben eine hohe Kunstform, so wie sie etwa die Susanne von Almassy beherrscht hat.

Standard: Warum tun sich die Amerikaner da leichter?

Ott: Ich weiß es nicht. Die schätzen das einfach. Bei uns hat die Verachtung des Komödiantischen mit Peymann zugenommen.

Standard: Aber Thomas Bernhard war doch auch sehr komisch.

Ott: Ja, Thomas Bernhard war eigentlich hoher Boulevard. Aber nur am Burgtheater, die Kammerspiele verachtet man. Unlängst sitze ich beim Heissenberger am Kohlmarkt und denk mir, da geht einer, der ist komisch - und dann war das der Peymann!

Standard: Da hatten Sie den Muliar-Blick drauf.

Ott: Der hätte da noch ganz anders geschaut! Der Muliar war arg, dem Peymann hat er jedesmal, wenn er auf einer Autobahnraststätte war, eine Karte geschickt mit dem Hinweis, dass im Unterschied zu Peymanns Jelinek-Inszenierung (Raststätte) "schon wieder niemand auf den Tisch gewischelt" hat. Er hat alles ausgenutzt!

Standard: Fehlen nicht auch Komödienautoren?

Ott: Die fehlen, klar! Es gab so viele wie zum Beispiel Fritz Eckhardt. Keiner traut sich heute mehr, eine normale Situation zu schreiben.

Standard: Der Film ist doch auch eine Rückbesinnung auf Traditionen - er würdigt eine Generation.

Ott: Dieses Gefühl hatte ich den jungen Leuten gegenüber überhaupt nicht. Der Ostrowski ist ein narrisches Huhn. Seine Kraft hat mir irrsinnig gefallen. (Margarete Affenzeller und Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Printausgabe, 29. 9. 2010)