"Der Pollen ist überall", sagt Martina Weber von der Lebenswissenschaften-Fakultät der Uni Wien. Selbst nebeneinanderliegende Zimmer weisen unterschiedliche Pollenprofile auf.

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Zwei Computermonitore, unzählige Behälter und Kisten, Bücher über Pollen - und ein Thriller von John Grisham. Im Büro von Martina Weber von der Lebenswissenschaften-Fakultät der Uni Wien lässt sich auf den ersten Blick feststellen, womit sie sich beschäftigt. Mit Pollen, Sporen und Verbrechen.

Forensische Palynologie nennt sich dieses Spezialgebiet der Pollenanalyse. Erstmals angewandt wurde es vor 50 Jahren - in Österreich. "Es ging damals um einen Mord in Niederösterreich, bei dem der Täter die Leiche versteckt hat und die Polizei immer wieder zu falschen Fundorten gelotst hat", beschreibt Weber. "Sein Plan war, so viel Zeit wie möglich zu gewinnen, um die Leiche vermodern zu lassen."

Ein Wissenschafter hat dann die Schuhe des Täters untersucht. Und dabei einen fossilen Pollen der Hickoreynuss entdeckt - zufällig wusste er, dass dieser nur aus einem Augebiet bei Spillern stammen konnte. Mit der Entdeckung konfrontiert, war der Täter so perplex, dass er die Beamten zum Grab führte.

Dann geriet das kriminalistische Hilfsmittel allerdings in Vergessenheit. Bis Weber auf einer Tagung den neuseeländischen Spezialisten Dallas Mildenhall kennenlernte und auf den Geschmack kam. "Der Pollen ist überall", lautet ihr Motto - und er kann der Polizei auf verschiedene Weisen helfen.

"Die klassische Situation ist natürlich die Frage, ob ein Verdächtiger am Tatort war", schildert Weber. "Besonders gerne bleiben die Pollenkörner an Haaren haften, aber sie finden sich auch an Kleidung und Schuhen." Jeder Ort hat ein einzigartiges Pollenprofil - selbst nebeneinanderliegende Zimmer weisen unterschiedliche Kombinationen der Samenkörner auf. Findet sich dann noch eine Konzentration untypischer Pollenkörner, hat man ein solides Indiz.

Das stellt die Wissenschafter am Wiener Rennweg aber auch vor Probleme. Denn das Labor ist nicht pollenrein, also nicht hermetisch abgeriegelt. Daher werden vor einer Untersuchung dort zunächst mittels einer Ölschicht auf einem Glasträger die vorhandenen Pollen eingefangen und isoliert. Erst dann bearbeitet man die eigentliche Probe und kann verfälschte Ergebnisse ausschließen.

Die Pollenanalyse bietet aber noch mehr. Man kann versuchen herauszufinden, wo das Opfer sich knapp vor dem Tod aufgehalten hat, die Samenkörner überleben selbst im Verdauungstrakt. "Das Meisterstück ist, auf den Tatort zu schließen", sagt Weber. Drei Mordfälle behandelt sie aktuell, welche, darf sie nicht verraten. Selbst für die Rekonstruktion von Heroin-Schmuggelrouten ist die Disziplin einsetzbar. Oder für die Betrugsbekämpfung. Safran ist mit einem Kilopreis von 7500 Euro das teuerste Gewürz der Welt. Kein Wunder, dass manche den Profit steigern wollen, indem sie getrocknete Blütenblätter der Ringelblume, die ähnlich aussehen, untermischen. Pollenmäßig ist der Nachweis eine Kleinigkeit.

Ihre Hauptpartner sind derzeit noch die Landeskriminalämter von Wien und Niederösterreich. "Im Rest des Landes hat sich vielleicht noch nicht so herumgesprochen, dass es uns gibt."

Umgebaute Friteuse 

Je mehr Arbeit sie bekommt, desto besser sei es, meint sie. "Denn es ist schön, endlich eine praktische Arbeit für die Pollenanalyse zu haben." Ist die Palynologie doch vor allem Grundlagenforschung - was sie in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung der Universitäten eher alt aussehen lässt. Zur Isolierung der Pollenspuren verwendet man daher im Labor beispielsweise eine umgebaute Friteuse, zur Finanzierung einer Datenbank veranstaltet man Flohmärkte.

Die Polizeiarbeit findet Weber durchaus anregend. Der Anblick von Leichen lässt sie dabei relativ kalt. "Bei meinem ersten Fall hatte ich einen sehr netten Gerichtsmediziner, der mir vorher ein Foto gezeigt hat. Aber in der Pathologie hat mich nur noch interessiert, welche Spuren ich sehe." (Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 27.10.2010)