In der Comic-Heftreihe "Eightball" (23 Bände seit 1989) debütierten Daniel Clowes groteske Charaktere. Aus den Fortsetzungsgeschichten entstanden international erfolgreiche Graphic Novels.

Foto: Fumetto 2011

Daniel Clowes, geb. 1961 in Chicago, studierte Kunst in New York und lebt in Oakland. "Wie ein samtener Handschuh in eisernen Fesseln" (1993) und "David Boring" (2000) sind kürzlich bei Reprodukt auf Deutsch erschienen. "Wilson" (2010), erschienen bei Eichborn, wird von Alexander Payne (u. a. "Sideways") verfilmt.

Foto: Richard Saker / Rex

Karin Krichmayr sprach mit dem Doyen des unabhängigen US-Comics.

Mit seiner Graphic Novel Ghostworld gelang Daniel Clowes, was den meisten Comiczeichnern zeitlebens verwehrt bleibt: Er wurde schlagartig berühmt. Das Coming-of-Age-Buch über zwei Teenager, die an der Mittelmäßigkeit ihres Vorortdaseins leiden, wurde 2001 mit Scarlett Johannson und Steve Buscemi in den Hauptrollen verfilmt, Clowes' Drehbuch wurde für den Oscar nominiert. Ein Auftritt bei den Simpsons, Covers für The New Yorker und die Verfilmung von Art School Confidential folgten. Gemeinsam mit Chris Ware und Charles Burns zählt er heute zu den wichtigsten US-Comic-Autoren. Noch bis 17. April sind seine Werke beim Festival Fumetto in Luzern zu sehen.

STANDARD: Wie ist das, seine Comics an den Wänden einer Ausstellung hängen zu sehen: Sind Sie als Underground-Künstler nun im Establishment angekommen?

Clowes: Dieses Festival fühlt sich immer noch sehr nach Underground an, und ich meine das positiv. Es ist keine Museumsumgebung. Die Bilder an den Wänden erinnern mich daran, was ich alles gemacht habe. Man vergisst das ja über die Jahre. Es ist schön, nun alles an einem Ort versammelt zu sehen, auch wenn die ausgestellten Blätter nur ein winziger Schnipsel von all der Arbeit sind.

STANDARD: Vor mehr als 20 Jahren erschien erstmals die Heftreihe "Eightball", in der Sie fast alle Ihrer Werke als Serie veröffentlicht haben, ehe sie zu Büchern zusammengefasst wurden. Ist die Zeit der Comic-Hefte vorbei?

Clowes: Das Format des Comichefts, genauer gesagt des amerikanischen Underground-Comic-Books, schien in den späten 1980ern und 1990ern genau das Richtige zu sein. Das war die beste Art, seine Arbeit zu verkaufen. Irgendwann hat sich das nicht mehr rentiert. Die Hefte sind so billig, dass niemand damit Geld machen kann. Das war ja auch das Tolle daran. Jetzt ist es mir nicht mehr wichtig, die Geschichten in Heftform zu veröffentlichen. Diese Nostalgie ist ein wenig affektiert und anachronistisch.

STANDARD: Heute nennt man anspruchsvolle Comics "Graphic Novels". Was halten Sie davon?

Clowes: Natürlich ist das eine Marketing-Strategie. Jahrelang haben ich und eine Handvoll anderer Comics für ein erwachsenes Publikum gemacht und uns den Kopf zerbrochen, wie man die Leute dazu bringen kann, diese Sachen zu lesen. Sie waren fast unmöglich zu finden. Man musste in einen Comicshop in einer schrecklichen Gegend gehen. Dort waren sie dann im Hinterzimmer in einer kleinen Box auf dem Boden versteckt, auf der "Adult Comics" stand. Es ist großartig, dass ein Weg gefunden wurde, der dazu führt, dass Buchhandlungen diese Comics bestellen und wir auch "normale" Leute erreichen.

STANDARD: In Österreich werden Comics wie auch Graphic Novels so gut wie gar nicht im Mainstream wahrgenommen. Sollten Comiczeichner mehr danach streben, als Künstler anerkannt zu werden?

Clowes: Ich glaube nicht, dass das ihr Job ist. Das sollten andere tun. Ich bin davon überzeugt, dass die Öffentlichkeit das nicht mehr ignorieren und abtun kann, wenn es genug gute Arbeiten gibt.

STANDARD: Ihre Comics sind bevölkert von schrulligen, exzentrischen, in irgendeiner Form marginalisierten Charakteren. Sehen Sie es als Notwendigkeit, den Unangepassten mehr Raum zu geben?

Clowes: Wissen Sie, ich schreibe ganz einfach über Charaktere, die mir behagen und interessant erscheinen, zu denen ich eine Verbindung habe. Es ist eindeutig eine Manifestation meiner selbst. Ich übertrage meine eigenen inneren Kämpfe auf die Figuren. Ich kreiere nicht mit Absicht Figuren, die dann die Leser skurril oder abstoßend finden. Ich versuche nur solche Charaktere zu erarbeiten, über die ich selbst gern lesen würde und die vielleicht in anderen Büchern unterrepräsentiert sind.

STANDARD: Sie arbeiten immer wieder im Stil der 1950er- und 1960er-Jahre, werden verglichen mit David Lynch und Philip Roth. Was ist tatsächlich Ihre Inspiration?

Clowes: Ich wuchs auf mit amerikanischen Comics aus den 50er- und frühen 60er-Jahren, die mein Bruder sammelte. Ich hatte eine wirklich große Affinität zu diesen klaren Pinselstrichen, die damals gebräuchlich waren. Dann interessierten mich die Underground-Comics sehr, die Ende der 60er aufkamen. Auch alte Hollywood-Filme haben mich beeinflusst. Am Beginn meiner Karriere habe ich mich häufig von anderen Comiczeichnern inspirieren lassen, jetzt benutze ich vielmehr meine eigene Arbeit als Inspiration.

STANDARD: Wollten Sie immer schon Comiczeichner werden?

Clowes: Meine Mutter sagt, ich wollte schon im Alter von vier Jahren Comics zeichnen. Ich denke, ich hatte nie andere Pläne. Ich habe auch keine anderen Fähigkeiten. Ich habe einfach getan, was mir Spaß machte. Wundersamerweise kann ich davon leben, seit ich 24 Jahre alt bin.

STANDARD: Sie schreiben nach wie vor auch Drehbücher. Was können Sie nur mit und in Comics vermitteln? Was wäre in keinem anderen Medium möglich?

Clowes: Ein Drehbuch ist ein Film im Kopf. Man visualisiert den Film und beschreibt das Setting und die Situationen. Dann gibt man es einem Regisseur, der spult den Film in seinem eigenen Kopf ab und sieht etwas völlig anderes. Comics zu zeichnen ist ein Weg, absolute Kontrolle über seine Ideen zu behalten. Ich kann sie verwandeln und ausweiten und zu etwas machen, das viel mehr Einfluss und Kraft und Emotion hat, als ich das in irgendeinem anderen Medium machen könnte. Comics sind das einzige Medium, das mir wirklich liegt. (Karin Krichmayr, DER STANDARD - Printausgabe, 12. April 2011)