Ein Lichtstrahl verändert das Gedächtnis einer Fliege.

Foto: Gero Miesenböck

In dem Fall waren sich die beiden großen Wissenschaftsmagazine Nature und Science praktisch einig: Während die US-Zeitschrift Science die Optogenetik Ende 2010 zu einem der zehn wichtigsten Durchbrüche des vergangenen Jahrzehnts wählte, wurde sie von der Konkurrenz - konkret: vom Fachblatt Nature Methods - praktisch zeitgleich zur Methode des Jahres 2010 ausgerufen.

In der Fachwelt wird diese Wahl unterstützt: Der angesehene Neurobiologe Barry Dickson, der Direktor des Forschungsinstituts für molekulare Pathologie (IMP), hält die Methode gar für "eine Revolution in den Neurowissenschaften" , obwohl er selbst mit etwas anderen Methoden arbeitet: Während man bis zur Erfindung der Optogenetik nur Zusammenhänge zwischen Nervensignalen im Hirn und dem Verhalten beobachten konnte, wurde es danach möglich, Ursache und Wirkung genau zu erforschen. Zudem könne man damit nicht nur einzelne Neuronen und ihre Aktivitäten analysieren oder manipulieren, sondern simultan ganze Ensembles von Nervenzellen.

Wie und wann diese Revolution stattfand und wer dafür verantwortlich war, darüber ist man sich freilich nicht ganz so einig. Eine Version lautet, dass der eigentliche Durchbruch Anfang 2005 im Labor des Stanford-Forschers Karl Deisseroth gelang, als man Nervenzellen durch Beleuchten eines speziellen Ionenkanals aus Algen zum Feuern brachte.

Die erste Publikation, in der die Grundlagen der Methode vorgestellt wurden, stammt freilich aus dem Jahr 2002 - und zwar von dem damals an der Uni Yale tätigen Österreicher Gero Miesenböck, der dieser Tage auf Einladung des IMP-Imba-Forschers Thomas Marlovits in Wien war.

Warum man in Stanford versucht, die Geschichte der Optogenetik ein wenig umzuschreiben, könnte auch daran liegen, dass die ganze Sache womöglich nobelpreisverdächtig ist. Apropos: Die Nobelstiftung veranstaltete Ende März unter dem Titel 3 M: Machines, Molecules and Mind ein Nobel-Symposion. Und als einzigen externen Experten für Optogenetik lud man Gero Miesenböck ein, um über die revolutionäre Methode zu referieren. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 15.06.2011)