Mascha Madörin.

Foto: Astrid Knie

Margit Appel.

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Frigga Haug.

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Die Plattform "20000frauen" (hier ihre Sprecherin Petra Unger) und Gabriele Heinisch Hosek luden zur Enquete.

Foto: Astrid Knie

Der Ansturm auf die Frauenenquete "Arbeit.Neu.Denken" war groß, die Räumlichkeiten des Schlosses Laudon in Wien mehr als nur voll. Die Plattform "20000frauen" und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek luden vergangenen Freitag zu Expertinnen-Vorträgen, Workshops, Performances und Diskussionen.

Mit der seit Herbst 2010 bestehen Zusammenarbeit zwischen Gabriele Heinisch-Hosek und den Aktivistinnen von "20000 frauen" demonstriert die Frauenministerin mehr Offenheit gegenüber feministischen Konzepten, die sich schon auch mal über einfache integrationistische Rezepte, also die Einbindung von Frauen in die herrschenden Verhältnisse, hinaus trauen. Mit einer kontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen einer Frauenministerin und aktiven Feministinnen möchte Heinisch-Hosek an eine Tradition von Frauenenqueten anschließen, die Johanna Dohnal pflegte und auf die die FrauenministerInnen vor Heinisch-Hosek gänzlich verzichteten. Die Wiederaufnahme von Frauenenqueten war schon seit den ersten Annährungen (dieStandard.at berichtete) zwischen interessierten Frauen und einer nicht minder interessierten Ministerin im Gespräch.

Zu dieser nun umgesetzten Frauenenquete fand sich eine bemerkenswerte Mischung ein - die meisten zwar frauenpolitisch oder frauenbewegt beschäftigt, manche unbezahlt, manche sehr gut, andere hingegen sehr schlecht bezahlt.

Eine Zusammensetzung, die schon deutlich macht, warum das Thema Arbeit für Frauen speziell verhandelt werden muss: Arbeiten bedeutet für sie noch keineswegs Bezahlung. Wenn doch, dann weniger Bezahlung, und sehr oft auch nur ein geringes Maß an Anerkennung. Diese konkreten Probleme sollten Anlass genug sein, um Visionen zu entwickeln und neue Ansatzpunkte zu finden. Dazu wurden am Vormittag die Ökonomin Mascha Madörin, die Politologin Margit Appel und die Soziologin Frigga Haug um ihre Ideen gebeten, die am Nachmittag in kleineren Gruppen diskutiert wurden.

Weniger als drei Minuten gehen einfach nicht

Zuvor gab es aber noch ein Medley aus Teilen des Theaterstückes "Die Quadratur des Kreisky", das im vergangen Frühjahr im Wiener Kosmos Theater aufgeführt wurde. Suse Lichtenberger, Sissi Noe und Tanja Witzmann ließen die in Österreich wohl kämpferischsten Jahre in Sachen Frauenpolitik aufleben, die unter Bruno Kreisky möglich, jedoch von Johanna Dohnal gestaltet wurden.

Im Anschluss war dann Konzentration gefragt. Die Schweizerin Mascha Madörin sprach über wirtschaftliche Zukunftsfragen aus der Sicht der Care-Ökonomie. In ihrem Vortrag beschäftigte sie vor allem der in den bestehenden Wirtschaftssystemen herrschende Leitgedanke nach Produktivitätssteigerung, der sich für den immer notwendigeren und bereits riesigen Bereich der Care-Ökonomie nicht umsetzen lasse. Während in der Industrie dank Einsatz immer leistungsfähigerer Maschinen und Arbeitsmethoden eine wachsende Arbeitsproduktivität erzielt werden kann - also steigender Output bei sinkendem Arbeitsaufwand -, sind solche Rationalisierungen bei Dienstleistungen wie der Pflegearbeit kaum möglich. "Eine Ärztin, die nur drei Minuten für einen Patienten hat, kann nicht effizienter werden", so Madörin, für die der Maßstab "Arbeitsproduktivität" hier nicht greift. Zahlen für die Entwicklung des gesamten Arbeitsvolumens am Beispiel der Schweiz zeigen, dass nur zwanzig Prozent des Arbeitsvolumens in Branchen mit hoher oder mittlerer Arbeitsproduktivität stecken, hingegen 25 Prozent in Branchen mit tiefer und sehr tiefer Arbeitsproduktivität und 55 Prozent des Arbeitsvolumens (vorwiegend Care-Arbeit) wird unbezahlt geleistet. Höchste Zeit, sich um diese 80 Prozent des Arbeitsvolumens zu kümmern, so Madörin.

Ohne optimale Ausgangspunkte

Margit Appel, Leiterin des Bereichs Gesellschaftspolitik der Katholischen Sozialakademie Österreichs, betonte in ihrem Vortrag, dass es kein zurück in frühere Organisationsformen von Arbeit gibt. So klingen die Rahmenbedingungen der 1960er und 1970er, wie der hohe Arbeitskräftebedarf, der starke öffentliche Sektor oder auch, dass sich Bildung noch auszahlte, zwar recht gut. Die ausgeprägten Geschlechterhierarchien, die mitunter die damaligen Strukturen stabilisierten, hören sich aber rückblickend nicht nach "goldene Zeiten" an.

Für die gegenwärtige Situation fordert die Politologin ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.000 Euro. Ein solches würde die individuelle Sicherheit stärken und die Freiheit der Individuen erweitern. Die Frage nach der Finanzierung eines solchen bedingungslosen Einkommens folgte aus dem Publikum auf dem Fuß und auch die Antwort darauf, war zu erwarten: Umverteilung bzw. der Umbau des Steuersystems, in dem Besserverdiendende stärker belastet werden.

Ohne bereits länger bestehende Forderungen zu vernachlässigen, will Appel diese um einige weniger durchgekaute erweitert wissen. Eine solche Forderung wäre zum Beispiel das "Recht auf Einkommen" statt einem Recht auf Arbeit und auch eine Trennung zwischen Arbeit und Leistung soll angedacht werden, zwar noch nicht als konkrete Forderung, aber zumindest als "Bypass" für die Überlegungen über die Organisation von Arbeit.

Es gibt noch mehr als Lohnarbeit

Frigga Haug, die wohl bekannteste marxistische Feministin in Deutschland, Österreich und der Schweiz, gab sich in ihrem Vortrag gewohnt visionär. Der von der früheren Soziologieprofessorin aus Hamburg bereits seit einigen Jahren als "Vier-in-Einem-Perspektive" (siehe dieStandard.at-Rezension zum Buch, Die "Vier-in-Einem-Perspektive") vorgestellte Ansatz spart nicht mit Vorschlägen zu großen Umbrüchen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn gehört da ebenso dazu, wie die Teilhabe aller an Politik. Neben den Bereichen Erwerbstätigkeit und politischer Arbeit sollte im Leben eines jeden Menschen auch noch Platz für Sorgearbeit (die Pflege von Beziehungen zu geliebten Menschen oder Kinderbetreuung) und Selbstentwicklung sein (z.B. die Möglichkeit, kreativ tätig zu sein). Denn "die freie Entwicklung jedes Einzelnen ist die Bedingung für die freie Entwicklung aller", schrieb schon Marx, auf den Haug in ihrem Vortrag nicht nur einmal verwies. Die politische Kunst wäre nun, so Haug, diese Bereiche zu gleichen Teilen zu verknüpfen. Die maßgebliche Veränderung bestünde schließlich darin, dass es keine Hierarchien mehr zwischen diesen Bereichen gäbe, und da Frauen in der gegenwärtigen Hierarchisierung der verschiedenen Bereiche eine zentrale Rolle bei den notwendigen, aber niedrig bewertenden Tätigkeiten einnehmen, läge gerade bei ihnen großes Veränderungspotenzial.

Politische Bündnisse

Mit diesen vielfältigen Vorstellungen zur Neugestaltung von Arbeit, wurden die Enquete-Teilnehmerinnen schließlich in die Workshops entlassen, in denen sie nach Wahl je ein Vortragsthema vertiefen konnten. Dort wurde wieder die bunte Mischung der Teilnehmenden deutlich. So begegneten sich etwa im Workshop zu Haugs "Vier-in-Einem-Perspektive" Künstlerinnen, Pädagoginnen, eine KPÖ-Politikerin, eine feministische Aktivistin oder auch eine Trainerin für "Leadership-Skills" im Sesselkreis, um aus der Theorie Handlungsmöglichkeiten für die Praxis zu gewinnen. Die konkreten Ergebnisse für die einzelnen Frauen reichten somit von der erweiterten Rhetorik für Führungskräfte bis hin zum Vorsatz, politische Bündnisse zu knüpfen.

Der Umstand der höchst unterschiedlichen Teilnehmerinnenschaft verdankt sich wohl der gemeinsamen Arbeit an der Enquete zwischen dem Frauenministerium und der Plattform "20000frauen", die sowohl auf der Teilnehmerinnen-Ebene, als auch inhaltlich frischen Wind in die sonst eher homogenen Veranstaltungen von Frauenpolitikerinnen brachte.

Den abschließenden Worten von Gabriele Heinisch-Hosek und Petra Unger (Sprecherin der Plattform "20000frauen") nach zu schließen, wird die offenbar sehr fruchtbare Zusammenarbeit weitergehen - nicht zuletzt wieder mit einer Enquete, und höchstwahrscheinlich wieder mit einem wilden Teilnehmerinnen-Mix. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 9. Oktober 2011)