George Smoot ist erklärter Fan der Sitcom "The Big Bang Theory" , wo er auch schon auftrat: "Das war sehr lustig."

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STANDARD: Als Nobelpreisträger dürfen Sie der Akademie in Stockholm Vorschläge machen, wer die nächsten Preise kriegen soll. Hatten Sie die Gewinner für Physik 2011 auf Ihrer Vorschlagsliste?

Smoot: Ja. Aber ich bin mir sicher, dass ich nicht der Einzige war, der Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt nominierte. Ihre Entdeckung, dass sich das Universum mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt, war einfach sehr wichtig. Und deshalb haben sie den Nobelpreis für Physik 2011 auch wirklich verdient.

STANDARD: Erinnern Sie sich daran, wie es war, als Sie vor fünf Jahren den Anruf aus Stockholm erhielten?

Smoot: Ja natürlich. Es war drei Uhr früh. Beim ersten Anruf fragte ich mich, ob das jetzt ein Witz war oder nicht. Beim zweiten Telefonat dachte ich, dass das womöglich doch Stockholm sein könnte, weil der Anrufer ziemlich ernst klang. Das dritte Telefonat war dann mit jemandem, den ich kannte. Trotzdem schaute ich sicherheitshalber noch einmal auf die Homepage der Nobel-Stiftung.

STANDARD: Sie haben den Nobelpreis gemeinsam mit John Mather dafür bekommen, dass Sie 1992 erstmals Schwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung festgestellt haben, die wiederum eine Art Echo des Urknalls ist. Ihr Kollege Stephen Hawking meinte, dass diese Entdeckung der "Welligkeit des Raums" die "wichtigste des Jahrhunderts, wenn nicht aller Zeiten" sei. Warum war er so begeistert?

Smoot: Da hat Hawking wohl ein wenig übertrieben. (lacht) Aber für seine Theorien über das Universum waren unsere Ergebnisse sehr wichtig. Hawking habe ich übrigens ganz oben auf meiner Kandidatenliste. Aber das Nobel-Komitee ist etwas konservativ, und außerdem konnte bislang nur eine von seinen spektakulären Vorhersagen annähernd bestätigt werden.

STANDARD: Sie selbst begannen Ihre Karriere als Teilchenphysiker und wechselten dann zur Kosmologie. War das ein großer Sprung?

Smoot: Nein. Und ich denke, dass diese beiden Felder heute mehr oder weniger verschmolzen sind. Das einzige, was anders ist, sind die experimentellen Techniken. Aber im Grund handelt es sich um ein und dieselbe Wissenschaft.

STANDARD: Das heißt, dass die neuen Experimente am Cern auch in kosmologischen Fragen weiterhelfen?

Smoot: Das werden wir erst sehen. Die Forscher sind bis jetzt sehr damit beschäftigt, das Higgs-Teilchen und die Supersymmetrie zu finden. Ich gehe aber davon aus, dass man am Cern bereits ganz andere Entdeckungen gemacht hat. Nur konnte man die Daten dazu noch nicht auswerten.

STANDARD: Sie hoffen also nicht, dass das Standardmodell der Physik bestätigt wird, für die es das Higgs-Teilchen bräuchte?

Smoot: Das hängt davon ab, wie diese Bestätigung aussieht. Ich bin der Meinung, dass es eine "neue Physik" jenseits des Standardmodells gibt: Dunkle Materie oder dunkle Energie zum Beispiel sind darin nicht vorgesehen, zwei der im Moment größten offenen Fragen. Eine Theorie, die das berücksichtigt, wäre quasi die nächste Stufe der Physik - und würde sich zum Standardmodell ähnlich verhalten wie die Relativitätstheorie zur Physik Newtons.

STANDARD: Bedeutet das, dass Sie auf eine einheitliche Feldtheorie, die sogenannte Weltformel hoffen?

Smoot: Für den Moment würde ich mir erst einmal wünschen, dass wir besser verstehen, was es etwa mit der dunklen Materie oder der dunklen Energie auf sich hat. Wenn sich das zu einer Theorie vereinheitlichen ließe, wäre das umso schöner. Wir sollten aber auch für die nächste Generation von Physikern noch etwas übrig lassen. (lacht)

STANDARD: Scheint es nicht umgekehrt so, als ob all die neuen Entdeckungen nur dazu führen würden, noch mehr neue Frage zu erhalten?

Smoot: Das ist so etwas wie eine eherne Regel in der Wissenschaft. Ich nenne das die Erweiterung der Sphäre unserer Ignoranz.

STANDARD: Sie sind sehr engagiert, dass die Öffentlichkeit mehr über Ihre Forschungen erfährt. Warum?

Smoot: Ich denke, dass es wichtig ist, Wissenschaft in die Öffentlichkeit zu bringen. Ich betreibe auch eine weltweite Akademie für Mittelschullehrer, die Mathematik und Naturwissenschaften unterrichten. In unserer modernen Gesellschaft ist es wichtig, eine Grundausbildung in diesen Fächern zu haben. Im Übrigen halte ich es für einen großen Fehler, dass es uns nicht gelungen ist, die geringen Risiken der Kernenergie besser zu kommunizieren. In Deutschland will man aussteigen - und konsumiert Atomstrom aus Frankreich oder baut Kohlekraftwerke, deren Betrieb viel mehr Menschen tötet als der von Atomkraftwerken.

STANDARD: Sie traten auch in der populären Sitcom "The Big Bang Theory" auf. Wie kam es dazu?

Smoot: Das war sehr lustig! Ich bin ein großer Fan der Serie - schon einmal wegen des Titels und weil sie junge Wissenschafter zu Protagonisten hat, auch wenn die etwas zu sehr als Nerds dargestellt werden. Die Crew ist einfach gut. Und der Hauptdarsteller hat mir mit Auftritten auch geholfen, Geld für Stipendien aufzutreiben.

STANDARD: Apropos Geld: Wie sehen Sie angesichts der Finanzkrise die Zukunft der Forschungsfinanzierung und die Ihrer doch recht teuren Experimente?

Smoot: Ich fürchte, dass es in den meisten entwickelten Volkswirtschaften zu Rückgängen kommen wird, während China und Indien stark aufholen. Unsere Satelliten sind nicht ganz billig, das stimmt schon: Die Euklid-Mission, die von der Europäische Weltraumagentur gerade erst genehmigt wurde und mit der wir das Mysterium der dunklen Energie lösen wollen, wird rund 300 Millionen Euro kosten. Man kann natürlich darüber diskutieren, ob es das wert ist. Andererseits ist das nicht einmal ein Euro pro EU-Bürger.

STANDARD: Das heißt, dass Sie mitten in der Forschung stecken?

Smoot: Ja, und heuer lief es bis jetzt besonders gut. Wir sind gerade dabei, eine ganze Reihe neuer Artikel über die Ergebnisse aus den Forschungen der letzten Jahre zu veröffentlichen. Und dann möchte ich noch in ein neues Feld wechseln und Gammastrahlenblitze untersuchen.

STANDARD: Sie sind jetzt 66. Wie lange können Sie noch an Ihren Unis in Berkeley und Paris bleiben?

Smoot: In Berkeley gibt es keine Altersbeschränkung. In Paris hätte ich noch ein Jahr und würde dann emeritieren. Aber ich habe ein neue Projekt beim Europäischen Forschungsrat (ERC) eingereicht, das mich für fünf weitere Jahre finanzieren würde. Ich sitze etwas auf Nadeln, weil sich dieser Tage entscheidet, ob es bewilligt wird. Wenn nicht, dann habe ich immer noch Angebote aus Russland, China und Südkorea, wo man dringend auf eine Antwort wartet. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2011)