Er sei für die Küche das, was das Fundament für das Haus ist, schreibt Auguste Escoffier, das French Culinary Institute nennt ihn "das Herz der klassischen französischen Küche": der Fond. Laut der Saucen-Bibel "Sauces" verdankt er sich einem Dilemma, das so alt ist wie das Kochen selbst: Aus einem Braten tropft nicht so viel Saft, wie man gern Sauce hätte. Ein französischer Koch des 18. Jahrhunderts röstete daher, wenn er einen Truthahn servieren wollte, zwei. Der Zusatzvogel wurde nicht gegessen, sondern per Fleischpresse entsaftet. Bestechend einfach und logisch, aber nicht ressourcenschonend. Also wurde der Fond ersonnen.

Reste des jeweiligen Tiers, also die Knochen und das nicht gar so zarte Fleisch, werden mit Gemüse gesotten, bis all der Geschmack in der Flüssigkeit gelandet ist. Das dauert ein wenig und man hat nachher trotzdem nichts, was man essen kann. Dafür werden aber mittelfristig Köstlichkeiten wie Zwiebelsuppe oder Consommé möglich. Fond kann man generell aus jedem Tier (beim Schweinefuß stinkt es ein wenig, ich weiß nicht, warum) und auch nur Gemüse machen. Der König der Fonds ist aber der Kalbsfond.

Michael Ruhlmann meint, er sei die eine Zutat, die Hobbyköche an das Level von Profis heran rücken lässt. Er ist so gut, dass ich eigentlich fast immer nur Kalbsfond mache und ihn auch dann oft benutze, wenn das Rezept Rinds- oder Hühnerfond verlangt. Ich bin damit bisher ganz gut gefahren. Und er ist bei weitem nicht nur für Saucen nützlich.
Über Gemüse gekippt und eingekocht, als Schmorflüssigkeit, zur Sauce reduziert oder sogar im Brot macht er einfach alles besser. Er ist der "selbstloseste aller Fonds" (C: Ruhlmann), weil er nicht durch Eigengeschmack punktet, sondern nur den Geschmack des anderen unterstreicht. Weil er aus den Knochen des Jungtiers stammt, hat er deutlich mehr Kollagen als Rinds-Fonds, was ihm einen ausgeprägteren Körper gibt (und lustig wabern lässt, wenn er einmal kalt ist).
Ich nehme an, jeder Koch hat seine eigene, leicht veränderte Variante, Kalbs-Fond zu machen. Welches Gemüse und welche Gewürze nun genau dazu kommen, kommt auf die Verwendung und den persönlichen Geschmack an, Fixstarter sind Zwiebeln, Karotten, Sellerie und ein Bouquet Garni.

Daher hier eine kleine Übersicht der oft genannten Dos und Dont's:
1)Nicht zu viel Gemüse nehmen. Es reicht tatsächlich eine erstaunlich kleine Menge, für fünf Kilo Knochen braucht es nicht viel mehr als zwei, drei Zwiebeln, zwei Karotten und wenn vorhanden, zwei Stangen Sellerie. Das klassische Verhältnis ist 50 Prozent Zwiebel und je 25 Prozent Karotten und Stangensellerie. Fond wird oft reduziert, was seinen Geschmack konzentriert, er wird daher auch nicht gesalzen. Gewarnt sei vor allem vor zu vielen Karotten, weil der Fond sonst unangenehm süß wird.
2)Nicht zu viel Wasser nehmen. Die Flüssigkeit sollte die Knochen und das Gemüse gerade bedecken. Es ist zwar verlockend, mehr Wasser zu nehmen um nicht so frustrierend wenig Fond für viel Arbeit zu kriegen – von fadem Fond hat aber keiner was.
3)Markknochen nehmen und solche, an denen noch etwas Fleisch hängt. Wer auf den Putz hauen will, der kocht überhaupt ein Stück Fleisch mit, idealerweise etwa im Verhältnis 1 zu 3 (ein Kilo Fleisch, drei Kilo Knochen) Wer mehr Körper will, wirft noch einen Kalbsfuß dazu.
4)Das Fleisch oder die Knochen im kaltem Wasser aufsetzen. Bestimmte Stoffe, die den Fond klären, lösen sich nur im kalten Wasser. Fängt man mit heißem an, wird er trüb.
5)Fond niemals umrühren. Ansonsten löst sich der ganze unerwünschte Dreck, der abgeschöpft gehört (siehe unten) in der Flüssigkeit auf und macht ihn trüb.
6)Fond niemals kochen. Er wird sonst, richtig trüb.
7)Das Gemüse nicht zu klein schneiden und zuerst in den Topf geben. Die darüber geschichteten Knochen verhindern dann, dass es an der Oberfläche treibt, was wiederum das Abschäumen erschwert. (Der Fond wird dann übrigens trüb)
8)Nicht zu lange kochen. Irgendwann kippt der Fond und verliert wieder an Geschmack.
Den Fond so richtig klar zu bekommen, wie ein perfekter Fond eigentlich sein soll, ist mir dabei noch nie geglückt, ich nehme an, ich bin einfach beim Abschäumen zu faul und beim Abschöpfen zu gierig. Geschmacklich sind mir kleine Unreinheiten wurscht, sie sehen nur nicht ganz so hübsch aus. Beim Entfetten sollte man aber pingelig sein.
Es gibt braunen und weißen Fond, der Unterschied liegt nur darin, dass die Knochen vor dem simmern einmal geröstet (braun) werden und einmal blanchiert (weiß). Wenn das Endprodukt nicht hell sein soll (etwa Blanquete de Veau) nehme ich braunen Fond, weil das Rösten extra Geschmack gibt.

Zu groß für den Topf
Tobias Müller
Tobias Müller
Zu groß für das Waschbecken
Tobias Müller
Tobias Müller
Alles, was oben treibt, gehört abgeschöpft
Tobias Müller
Tobias Müller
Tobias Müller
Kaltes Fett, leicht entfernbar
Tobias Müller
Tobias Müller

Brauner Kalbsfond

Das Backrohr auf 220 Grad vorheizen und die Knochen in eine passende Form bringen. Aus vier bis fünf Kilo Knochen und fünf Liter Wasser werden etwa drei Liter Fond. Die Knochen etwas ölen und für etwa 45 Minuten ins Backrohr schieben bis sie braun werden. Hin und wieder wenden. Das Gemüse grob schneiden und weitere 20 bis 30 Minuten mit den Knochen backen. Ich habe hier für die bereits erwähnten 4,5 Kilo Knochen zwei mittelgroße Zwiebeln, zwei Karotten und Pastinaken genommen. (Stangensellerie ist in diesem Land bedauerlicherweise fast nie zu bekommen).

Erst das Gemüse, dann die Knochen in einen großen Topf heben. Er sollte idealerweise mehr hoch als breit sein, weil dann während des Köchelns nicht so viel Wasser verdampft. Wenn er das nicht ist, ist das auch kein Drama, man muss nur öfter Wasser nachgießen. Das überschüssige Fett aus der Pfanne gießen, etwas Wasser hinein geben und auf der Herdplatte zum Kochen bringen. Dann eventuell in der Pfanne Karamellisiertes lösen (deglasieren) und zu den Knochen kippen. Gemüse und Knochen mit kaltem Wasser bedecken und zum Sieden bringen – nicht schnell, sondern ganz langsam, es darf ruhig eine Stunde und länger dauern. Wenn es siedet, zwei Esslöffel Tomatenmark, zwei angedrückte Knoblauchzehen und das Bouquet Garni dazu werfen. Sechs Stunden sieden lassen. Das heißt nicht, dass man die ganze Zeit daneben sitzen muss, nur die ersten ein bis zwei Stunden braucht der Fond Aufmerksamkeit. Vor allem am Anfang sammelt sich an der Wasseroberfläche Dreck, Schaum und Fett, die alle paar Minuten abgeschöpft werden müssen. Je fleißiger das gemacht wird, desto besser.

Den fertigen Fond durch ein möglichst feines Sieb gießen und abkühlen lassen (der Fond sollte generell jedes Mal, wenn er seinen Behälter wechselt, durch ein Sieb gegossen werden). Sollte er zu fett sein über Nacht kalt werden lassen und am nächsten Morgen das Fett abschöpfen. In Portionen, etwa zu einem halben Liter, in Säcken einfrieren. Wers gern komplizierter hat, macht seinen Fond so. (http://carolcookskeller.blogspot.com/2008/04/veal-stock.html) Die Zwiebelsuppe gibt's dann nächste Woche. (derStandard.at, 1.1.2012)