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Eines der fehlerhaften Brustimplantate aus Industriesilikon der französischen Firma PIP, die weltweit bis zu einer halben Million Frauen eingesetzt worden sein sollen.

Foto: REUTERS/Eric Gaillard

Nach Tablettenherstellern gerät in Frankreich die ganze Schönheitsbranche in Verruf. 2010 war in Paris der sogenannte Mediator-Skandal aufgekommen - benannt nach einem Schlankheitsmittel des französischen Pharmalabors Servier. Mehr als 500 Mediator-Konsumenten dürften an Herzversagen gestorben sein; der Unternehmensgründer wird sich bald vor Gericht verantworten müssen. Entwickelt als Diabetesmittel, wurde Mediator meist als Hungerstiller eingesetzt.

Derzeit machen nach wie vor die fehlerhaften Silikonkissen der französischen Firma PIP Schlagzeilen, die weltweit bis zu 500.000 Frauen als Brustimplantat eingesetzt worden sein sollen, tausenden allein in Frankreich, acht in Österreich. Die Angehörigen von zwei verstorbenen Trägerinnen der Implantate mit Industriesilikonfüllung haben in Frankreich Klage eingereicht.

Marseille bereitet sich auf Monsterprozess vor

Dazu haben 2400 Französinnen die inzwischen aufgelöste Firma PIP angezeigt; die Stadt Marseille sucht derzeit nach einem großen Saal, um bei dem erwarteten Monsterprozess sämtliche Klägerinnen aufnehmen zu können. Wie schädlich die PIP-Silikonprothesen tatsächlich sind, wird derzeit noch geprüft.

"Die chemische Zusammensetzung dieser Silikonkissen macht Angst", schrieb Le Figaro am Dienstag. Baysilone (ein Treibstoffzusatz), Silopren und Rhodorsil heißen die Stoffe, die in der Bau- und der Computerindustrie etwa als Dichtungsmasse Anwendung finden. Und neuerdings im menschlichen Körper: Der deutsche Chemikaliengroßhändler Brenntag bestätigte, auch den französischen Brustimplantat-Hersteller PIP beliefert zu haben.

Der Anwalt des PIP-Gründers Jean-Claude Mas präzisiert, die genannten Inhaltstoffe seien in der Schönheitsindustrie verbreitet - in Hautcremen oder Lippenstift.

Angekündigte Kontrollen

Am Pranger stehen aber auch Behörden wie die französische Gesundheitskontrolle Afssaps. Ihr wurde schon im Mediator-Skandal vorgeworfen, jahrelang die Augen zugedrückt zu haben und von der Pharmalobby unterwandert zu sein. In der Silikonaffäre wirft ein Anwalt betroffener Frauen der Afssaps "gravierende Fehler" vor. Der Vorwurf richtet sich auch an die deutsche Kontrollfirma TÜV, die ihre Besuche der PIP-Werkstätte jeweils einen Monat vorher angekündigt haben soll.

Vom anstehenden Strafprozess erwarten die Franzosen wenig. Bei der Affäre um aidsverseuchte Blutspenden in den Achtzigern reichte die Anklage bis zum ehemaligen Premier Laurent Fabius hinauf; dann wurden alle Hauptverdächtigen freigesprochen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2012)