Bild nicht mehr verfügbar.

Die Blutphobie ist eine der wenigen Angststörungen, die mit einer Ohnmacht einhergehen können.

Foto: APA/Barbara Gindl

Angenehm ist der Anblick von Blut für kaum jemanden. In unausweichlichen Situationen, etwa einer Blutabnahme beim Hausarzt, wird diese Abneigung aber oft überwunden. Vermeidet man hingegen tunlichst jede Auseinandersetzung mit dem fließenden Rot, dann sprechen Psychologen von einer Phobie. Davon sind etwa zwei bis vier Prozent der Weltbevölkerung betroffen. Die Angst kann sogar dazu führen, dass Bekannte im Krankenhaus nicht besucht werden, die Ausbildung zum Krankenpfleger oder zum Arzt abgebrochen wird oder Frauen sich trotz Kinderwunsches gegen den Nachwuchs entscheiden, weil sie das Blut bei der Geburt fürchten.

Ohnmacht bekämpfen

Anders als etwa bei der Angst vor Spinnen oder Schlangen kann es hierbei zu einer kurz andauernden Bewusstlosigkeit kommen. Ursache dieser sogenannten vasovagalen Synkope ist eine Überreaktion des vegetativen Nervensystems auf psychische Einflüsse. Dabei erweitern sich die Blutgefäße, das Blut sackt in die Beine, und durch den verminderten Rückfluss zum Herzen entsteht ein relativer Volumenmangel. Die Folge daraus ist eine kurzfristige Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Es kommt zu einem Bewusstseinsverlust. "Da der Betroffene während einer Synkope mitunter unwillkürlich Harn oder Stuhl verliert, hat er Angst vor einer sozialen Blamage", erklärt der Psychologe Jens Blechert den damit verbundenen Kontrollverlust. 

Um eine anfallsartige Bewusstseinsstörung zu verhindern, wird Patienten bei aufkommendem Hitzegefühl, Schweißausbruch und Übelkeit zuerst das Anspannen der Beinmuskulatur empfohlen (Applied-Tension-Methode nach Öst, Anm.Red.), um den abfallenden Blutdruck wieder zu erhöhen. Erst wenn der Patient dieses Gegenmanöver beherrscht, kann die tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Problem erfolgen. Wichtig dabei: "Die Konfrontation muss mindestens 15 bis 25 Minuten dauern, damit die Therapie auch wirkt", betont Blechert.

Und da gilt: Blut ist nicht gleich Blut. Angst vor Fremdblut kann durch die Konfrontation mit künstlichem Blut oder auch mit Tierblut bekämpft werden. So kann ein Ausflug zum Schlachthof bereits helfen. Um die Angst vor dem eigenen Blut zu überwinden, wird häufig mit einer dünnen Nadel in den Finger gestochen. "Hilft das nichts, dann kann die Angst nicht vollständig überwunden werden, und das Hauptaugenmerk wird auf das Managen der Angst durch Selbsthypnose oder Selbstermutigung gerichtet", so Blechert. 

Blut versus Steckdosen 

Auch wenn tatsächlich nur wenige an einer echten Phobie leiden: "Ich kann kein Blut sehen" ist ein häufig vernommener Satz. Dabei handelt es sich um eine natürliche, genetisch bedingte Abneigung, ist der Psychologe überzeugt: "Verletzungen des eigenen Körpers oder anderer Körper sind für die Fortpflanzung potenziell gefährlich." Auch bei harmlosen Verletzungen wie einer simplen Blutabnahme oder einer Blutspende ist der natürliche Instinkt nicht abzuschalten. Die meisten werden es zwar über sich ergehen lassen, den Kopf aber automatisch abwenden.

Wieso kann der Mensch in einem kontrollierten Setting kein Blut sehen? Ein Vergleich mit der Tierphobie zeigt: Auch wenn etwas, das früher eine Bedrohung war, heute keine mehr ist - die menschlichen Gene sind dennoch auf "Gefahr" programmiert. "Wir haben absurderweise weniger Angst vor Steckdosen und Autos als vor Spinnen, Schlangen oder Blut, obwohl das die Killer von heute sind", ergänzt Blechert. (derStandard.at, 1.2.2012)