Die Eierspeise ist für mich die Königin des Frühstückseis. Während ein hartgekochtes Ei meiner Meinung nach eine Verschwendung ist, ein Spiegelei ganz nett und ein weiches Ei gelegentlich auch sehr gut, schafft nur die cremig-üppige Eierspeise dieses rundum zufriedene Frühstücksgefühl. Sie ist, genauso wie Erdäpfelpüree (--> Die Suche nach dem perfekten Erdäpfelpüree), eine erstaunlich komplexe Sache.

Schon ihr Ausgangsprodukt, das Ei, ist so kompliziert, dass ihm das French Culinary Institute in seinem Lehrbuch ein ganzes Kapitel gewidmet hat mit dem schönen Unterkapitel "Understanding the Egg". Und ebenfalls genauso wie beim Erdäpfelpüree kann man die Menschen danach einteilen, wie sie ihre Eierspeise mögen. Was hier folgt, ist also der Versuch zu ergründen, wie das Ei auf welche Behandlung reagiert.

Geschmacksunabhängig gilt: Es braucht niedrige Temperaturen und einen kleinen Topf. Das Ei im Allgemeinen und das Rührei im Speziellen ist sehr temperaturempfindlich. Hohe Hitze ist daher immer fehl am Platz. Der unachtsame Koch wird nicht nur mit schlechter Eierspeise bestraft, sondern auch mit einem kaum abwaschbaren Topf. Dieser sollte gerade so groß sein, dass die Eimasse etwa ein bis zwei Zentimeter hoch in ihm steht. Ist er größer, verrinnt sie und stockt zu schnell. Eine klassische Pfanne ist daher für Eierspeise gänzlich ungeeignet, es sei denn, man bereitet eine sehr große Menge zu.

Zur Terminologie: Für mich verhält sich Eierspeise zu Rührei so wie Obi gespritzt zur Apfelschorle. Zumindest manche Leute machen aber einen Unterschied zwischen den beiden, Ersteres wird bei ihnen mehr gerührt.

Die Zutaten
Für eine gute Eierspeise braucht es nichts außer Eier, Butter und eventuell Schnittlauch. Alles andere halte ich für überflüssig bis schädlich. Warum Leute Milch oder Mineralwasser in ihre Eier kippen, ist mir ein Rätsel, sie verwässern das Ergebnis höchstens. Creme fraiche, die diese Rührei-Expertin zwecks gesteigerter Cremigkeit empfiehlt, hat meiner Meinung nach in geringen Dosen keinen Effekt, in größeren ist mir ihr Geschmack zu aufdringlich.

Foto: Tobias Müller

Die Garmethode
Laut Paul Bocuse und anderen Klassikern ist ein Bain Marie der optimale Ort, um sein Rührei zu garen, manche empfehlen gar, das Ei nur über Dampf zu rühren. Ich kann dem wenig abgewinnen. Die Wasserdampfmethode ist nur für Menschen geeignet, die Küchenjungen haben und nicht selber rühren müssen: Es dauert ewig, bis das Ei endlich gerinnt, nach 15 Minuten habe ich meinen Versuch entnervt aufgegeben.

Wenn der Topf in etwa 75 Grad heißes Wasser gesetzt wird, geht es deutlich schneller (zwischen fünf und zehn Minuten), das Ei unterscheidet sich allerdings für mich nicht merkbar von solchem, das ohne Wasserbad über niedriger Hitze gegart wurde. Einziger Vorteil: Das Abwaschen des Topfes fällt etwas leichter.

Foto: Tobias Müller

Rühren oder Stocken
Die Wasserscheide unter den Eierspeise-Machern. Die Anhänger der klassischen französischen Schule rühren das Ei ständig kräftig durch, während es gart. Bocuse etwa nennt als Kriterium für ein perfektes Rührei, dass überhaupt keine kleinen Knödel in der cremigen Masse sind.

In Österreich verbreiteter sind aber die Stocker: Sie lassen das Ei unten etwas fest werden, bevor sie das erste Mal mit dem Löffel durchfahren, und rühren auch danach nur vorsichtig. Ihr Ergebnis hat bissfestere Stücke, umgeben von weicher Eimasse, schmeckt aber weniger intensiv und ist einfach nicht so cremig wie das ständig gerührte. Ich bin daher eindeutig ein Rührer.

Heiß oder Kalt
Ob man die Eier in einen bereits heißen Topf gießt oder langsam in einem anfangs kalten Topf warm werden lässt, hängt davon ab, ob man ein Rührer oder Stocker ist. Rührer fangen am besten mit kaltem Geschirr an, weil das Ei ansonsten unweigerlich beim Eingießen ein wenig stockt und nicht ganz so cremig wird. Stocker nehmen eine heiße Pfanne. Das geht schneller und mir wurde das gestockte Ei, das in der kalten Pfanne begonnen wurde, ein wenig wässrig.

Wann salzen?
Gordon Ramsay empfiehlt, das Ei erst nach dem Garen zu salzen, weil das Salz das Ei chemisch zerlegt und zerfallen lässt. Das mag theoretisch stimmen, er zieht aber daraus meiner Meinung nach den falschen Schluss. Das Ei wird zwar flaumiger, wenn man es erst nachher salzt, dafür schmeckt es bei der gleichen Salzmenge deutlich fader. Da ich mein Ei zudem lieber cremig als flaumig habe, salze ich stets vor dem Garen.

Mischen und mixen
Die einen rühren die Eier, bevor sie im Topf landen, die anderen erst danach. Für mich hat sich das vorher kräftig Durchmischen bewährt, es führt zu einem farblich einheitlicheren Ergebnis. Wer nur leicht mischt, hat zwangsläufig kleine weiße Knötchen in der Eierspeise. Auf die Konsistenz hat die Frage des Mischens trotz anderslautender Behauptungen in diversen Rezepten meiner Erfahrung nach keine Auswirkungen.

Radikale Eidurchmischer schlagen das Ei vor dem Garen gründlich mit dem Mixer und behaupten, dass es dann flaumiger wird, weil sich Luft in der Masse sammelt. Meine Versuche haben uneinheitliche Ergebnisse gebracht. Weil die Unterschiede meiner Meinung nach aber nicht den Mehraufwand des Mixerwaschens rechtfertigen, werde ich diesen Punkt nicht weiter untersuchen.

Ei gemixt und gerührt
Foto: Tobias Müller

Das vorläufig perfekte Rührei

Pro Person zwei große Eier in einer Schüssel verrühren, salzen und pfeffern. Zusammen mit einem ordentlichen Stück Butter (etwa ein halber Zentimeter von einer handeslüblichen Viertelkilo-Butter) in einen kalten kleinen Topf gießen, auf mittlere Hitze schalten (bei mir: vier von neun) und beständig rühren.

Foto: Tobias Müller

Wenn der Topf heißer wird, die Rührgeschwindigkeit erhöhen. Sollte das Ei zwischendurch zu schnell ausflocken oder sich am Topfboden ansetzen, den Topf vom Herd nehmen und kurz abseits rühren. Nach etwa sieben Minuten, wenn das Ei noch etwas zu weich ist, von der Herdplatte nehmen, es zieht noch nach. Ein dünnes Stück Butter unterrühren. Wenn vorhanden, mit Schnittlauch bestreuen und sofort servieren. (derStandard.at, 4.3.2012)

Ei gesalzen, dann gerührt
Foto: Tobias Müller
Ei gerührt, dann gesalzen
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Ei gestockt ohne Mixer
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Das perfekte Rührei
Foto: Tobias Müller