"Erfahrung als Trainer muss man im Jugend- oder Amateurbereich sammeln, dort verbrennt man sich nicht gleich, ruiniert nicht seinen Namen."

Foto: VfR Aalen

Wien - Österreichische Fußballtrainer im Ausland sind Mangelware, Erfolgsmeldungen rar. Ralph Hasenhüttl schrieb diese Woche mit dem Aufstieg in die zweite deutsche Liga das ruhmreichste Kapitel in der 91-jährigen Klubgeschichte des VfR Aalen. Ein Jahr zuvor hatte der Verein aus Baden-Württemberg gerade noch den Abstieg verhindert. Mit Philip Bauer sprach der ehemalige ÖFB-Teamspieler über eine rasante Entwicklung.

derStandard.at: Sie sind mit 13 neuen Spielern in die Saison gegangen. Oftmals sorgen so viele Umstellungen für Probleme, warum hat man sich dennoch für diesen Weg entschieden?

Hasenhüttl: Im Vorjahr haben wir im letzten Moment die Klasse gesichert, in dieser Saison wollten wir nicht schon wieder zittern, also war ein Umbruch notwendig. Am Tabellenende der dritten Liga ist es aber gar nicht so einfach, Spieler mit Qualität zu verpflichten. Durch meine Zeit in Unterhaching konnte ich aber alte Kontakte nutzen. 

derStandard.at: Welche Strategie verfolgten Sie bei der Kaderplanung?

Hasenhüttl: Wir mussten eine Million Euro einsparen. Also haben wir mehr auf Qualität denn auf Quantität geachtet. Wir wollten Spieler, die schon bewiesen haben, dass sie es können. Ziel war es, mit einem kleinen, aber feinen Kader einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. 

derStandard.at: Am Ende stand der Aufstieg des VfR Aalen, und der wird eng mit Ihrem Namen verbunden. 

Hasenhüttl: Zum Zeitpunkt der Kaderzusammenstellung war ich noch alleinverantwortlich für die Transfers. Das war eine neue, intensive Erfahrung. In der vergangenen Saison musste ich mit den vorhandenen Spielern den Klassenerhalt schaffen, diesmal gab es keine Alibis.

derStandard.at: Sie sind ein alter Hase im Geschäft, wissen, wie schnell es gehen kann. Schützt dies vor Überschwang?

Hasenhüttl: Wer Demut predigt, muss sie auch vorleben. In Bayern gibt es den Spruch "Wie der Herr, so's G'scherr ". Wer sieht, wie meine Jungs miteinander und mit der Öffentlichkeit umgehen, weiß, welche Tugenden wir im Verein pflegen.

derStandard.at: Wie verlief die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Markus Schupp?

Hasenhüttl: Die Situation war zunächst nicht einfach. Als er kam, stand die Mannschaft bereits. Am Anfang war wohl eine gewisse Skepsis vorhanden. Auch das Umfeld dachte, man hätte mit Schupp schon einen Trainer in der Hinterhand, falls es nicht laufen sollte.

derStandard.at: Wie schnell löste sich das Misstrauen auf?

Hasenhüttl: Er hat es schnell aus der Welt geräumt, indem er den Vertrag mit mir verlängerte. Er hat gesehen, dass wir hier gute Arbeit abliefern. Wir sind beide Teamplayer. Er ist sehr wichtig, um den Verein auch über den Profibereich hinaus nach vorne zu bringen. In der Nachwuchsarbeit sind wir zum Beispiel nicht gut aufgestellt, hier gibt es einiges zu tun.

derStandard.at: Wie würden Sie Ihre Spielphilosophie beschreiben?

Hasenhüttl: Ich verlange sehr viel Laufbereitschaft. Wenn das Spiel nach vorne zügig funktioniert, bin ich nicht unzufrieden. Ich fordere das auch forsch ein. Man muss schnell spielen, um den Gegner in Unordnung zu erwischen und sich dadurch Chancen zu erarbeiten. Kein Spieler darf sich für Abwehrarbeit zu schade sein. Als Spieler hätte ich in meinem System keinen Platz gehabt. (lacht)

derStandard.at: Zu Saisonbeginn haben Sie etwas experimentiert, ehe sich mit einem 4-4-2 inklusive Doppelsechs der Erfolg einstellte. Wie verlief dieser Prozess?

Hasenhüttl: Wir haben im späteren Herbst gemerkt, dass wir mit zwei Sechsern besser zurechtkommen. Die Vorbereitung reicht nicht aus, um zu sehen, ob wir mit zwei defensiven Mittelfeldspielern stärker sind, oder ob wir mit zwei Stürmern mehr Durchschlagskraft haben. In den Heimspielen hat uns das 4-4-2 sicherlich sehr gut getan.

derStandard.at: Sie ließen oftmals aus einer stabilen Abwehr auf Konter spielen. Fehlen Ihnen die kreativen Kräfte, um das Spiel in die Hand zu nehmen?

Hasenhüttl: Ganz und gar nicht. Wir haben aber gesehen, dass wir für ein paar wunderschöne Spiele keine Punkte bekommen haben. Wir haben nicht die Stürmer, die mit wenig Raum gut umgehen können. Wir haben allerdings die Qualität, den offenen Raum zu nutzen, und den bekommt man häufiger, wenn man etwas tiefer steht. Wir können die Situation bei Ballgewinn dann gut lösen, schalten rasch um, auch weil wir die notwendige Schnelligkeit an den Positionen haben.

derStandard.at: Stellen sich die Gegner nicht ein?

Hasenhüttl: Man benötigt viel Disziplin, um den Gegner in Räume zu locken, die bei Ballgewinn schnelles Umschalten ermöglichen. In der Rückrunde, vor allem als wir dann an der Spitze standen, haben uns die Gegner nicht immer den Gefallen gemacht, darauf einzusteigen.

derStandard.at: Sie sagen, der Aufstieg "soll nur der erste Schritt sein". Wie sieht der zweite Schritt aus?

Hasenhüttl: Wir wollen uns in der zweiten Liga etablieren. Das wird schwierig. Die Konkurrenten werden uns vermutlich als Fixabsteiger Nummer eins titulieren. Natürlich sind wir in dieser Liga ein Underdog, aber das macht ja auch den Reiz der Sache aus. Die Gegner sind schon andere Kaliber, wir müssen wieder über den Teamgeist kommen, keine Frage.

derStandard.at: Wie groß ist der Qualitätsunterschied zwischen dritter und zweiter Liga?

Hasenhüttl: Das kann ich erst sagen, wenn ich Spiele meiner Mannschaft in der zweiten Liga gesehen habe. Die Stadien von 1860 München oder 1. FC Kaiserslautern werden für unsere Spieler natürlich beeindruckend sein. Wir sind aber sicher nicht aufgestiegen, um die Stadien zu bestaunen, sondern um ein unangenehmer Gegner zu sein.

derStandard.at: An welchen Positionen müssen Sie Verstärkungen suchen?

Hasenhüttl: Wir sind in der glücklichen Lage, einen sehr kleinen Kader zu haben, sind wirklich mit einem Mini-Kader aufgestiegen. Es hätte wirklich nicht viel passieren dürfen, zuletzt hatten wir gerade genug Spieler für die Viererkette. Wir können also neue Spieler hinzuholen, ohne uns von vielen anderen zu trennen. Fünf bis sieben Spieler werden kommen.

derStandard.at: Wo suchen Sie nach neuen Spielern?

Hasenhüttl: In der dritten Liga haben wir natürlich einen Informationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz. Auf gewissen Positionen werden wir aber in der zweiten Liga Ausschau halten müssen. Hier haben wir aufgrund unserer limitierten Möglichkeiten allerdings weniger Handlungsspielraum.

derStandard.at: Welche Kriterien stehen im Vordergrund?

Hasenhüttl: Die Spieler müssen charakterlich zu uns passen. Diese Stärke dürfen wir uns nicht nehmen. Manche Konkurrenten haben in dieser Saison gedacht, sie können den Aufstieg mit einer Handvoll Neuverpflichtungen im Winter erzwingen. Die stehen am Ende alle hinter uns.

derStandard.at: Österreichische Fußballtrainer sind im Ausland quasi inexistent. Fehlt ihnen das Ansehen?

Hasenhüttl: Eine gewisse Skepsis ist vorhanden, oft lautet die Frage: Muss es wirklich ein Österreicher sein? Der österreichische Fußball erfährt international nicht die höchste Anerkennung. Obwohl wir ja gerade in Deutschland fantastische Fußballer haben. Ich meine jetzt nicht nur Alaba und Fuchs, auch in der dritten Liga gibt es Österreicher, die richtig gut sind.

derStandard.at: Würde Sie ein Angebot aus der österreichischen Bundesliga reizen?

Hasenhüttl: Die Frage stellt sich nicht. Ich kann mir derzeit nichts Schöneres vorstellen, als in Aalen Trainer zu sein. Der Klub bot mir die Möglichkeit, ein Stück Vereinsgeschichte zu schreiben. Ich habe lange auf so eine Chance gewartet.

derStandard.at: In Österreich wird viel über das Traineramt diskutiert, vor allem über die Qualifikation erfolgreicher Ex-Spieler. Sie haben auch im Jugendbereich Erfahrungen gesammelt. Wie wichtig war das?

Hasenhüttl: Erfahrung ist für mich das Allerwichtigste. Gewisse Fehler machen zu dürfen, ohne dabei dieselben Auswirkungen wie im Profibereich zu tragen, ist für mich und wohl für jeden Trainer ganz entscheidend. Diese Lernzeit ist unabdingbar für die Entwicklung jedes Trainers. Man muss selber ausprobieren, um besser zu werden. Die Erfahrung kann man im Jugend- oder Amateurbereich sammeln, dort verbrennt man sich nicht gleich, ruiniert nicht seinen Namen. Als Spieler muss ich ja auch in der Jugend anfangen und mich entwickeln. (Philip Bauer, derStandard.at, 2.5.2012)