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Der Mensch ist ein schlechter Wirt für den Fuchsbandwurm.

Foto: APA/Boris Rössler

Bald sind die ersten Walderdbeeren reif und da heißt es, raus in die Natur und die Beeren am besten direkt an Ort und Stelle verzehren. „Pass auf, dass du dir keinen Fuchsbandwurm holst", hört man immer wieder, „den bemerkst du erst nach 20 Jahren und da ist es zu spät". Schauermärchen oder berechtigte Warnung?

"Die durch den Fuchsbandwurm ausgelöste alveoläre Echinokokkose ist eine schwerwiegende Erkrankung, aber Menschen infizieren sich durch den Verzehr von Beeren sehr selten", relativiert Parasitologe Herbert Auer von der Med-Uni Wien. "Zum einen muss ein infizierter Fuchs seinen Kot direkt auf die Waldbeeren absetzen, zum andern ist der Mensch ein schlechter Wirt für den Fuchsbandwurm."

Anstieg der Erkrankungen

Infiziert man sich doch mit einem Fuchsbandwurm, folgt die Erkrankung an alveolärer Echinokokkose. Zwischen ein und maximal drei Neuerkrankungen gab es in den letzten 25 Jahren. "Das hat sich geändert", berichtet Auer, "im letzten Jahr waren es ganze 13 Fälle". Knapp die Hälfte der Betroffenen kommt aus Vorarlberg. Der Auslöser für die Steigerung liegt noch im Dunkeln. Die Durchseuchung der Füchse nehme zwar zu, berichtet der Parasitologe, was aber nicht zwangsweise mit einer Zunahme der Erkrankungen beim Menschen zusammenhängen müsse.

So führt Auer die vergleichsweise hohe Zahl von 2011 im Augenblick vor allem darauf zurück, dass die Bereitschaft von Ärzten und pathologischen Instituten an die Möglichkeit eines Fuchsbandwurm-Befalls zu denken, gestiegen ist. Dennoch geht er von einer Dunkelziffer von etwa zehn unerkannten Fällen in Österreich aus. Was unter anderem damit zusammenhängt, dass die Echinokokkose oft erst sehr spät oder gar nicht erkannt wird. Das ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen: Die Inkubationszeit beträgt zehn bis 20 Jahre. "Oft haben die Betroffenen das Endemiegebiet längst verlassen und leben ganz woanders. Deshalb kommt niemand auf die Idee, dass es sich um einen Fuchsbandwurm handelt", erklärt Auer.

Schwierige Diagnose

Ein weiteres Erschwernis bei der Diagnose sind die unspezifischen Beschwerden, an denen die Betroffenen leiden. Leichte Schmerzen und/oder ein Druckgefühl im Oberbauch, Abgeschlagenheit oder Depression treten auch bei vielen Lebererkrankungen auf, die verbreiteter sind als der Fuchsbandwurm.

Oft lautet die ärztliche Diagnose "maligne Erkrankung", da der Fuchsbandwurm, im Gegensatz zum Hundebandwurm, keine Zysten bildet, sondern wie in Karzinom wächst. Mit bildgebenden Verfahren lässt sich zwar lokalisieren, wie groß die Finne selbst ist, die damit verbundenen wurzelartigen Gebilde sind im Anfangsstadium allerdings nicht zu erkennen. Weshalb der Chirurg das Gewebe immer größerflächig entfernen muss.

Erlebten in den 1970er und -80er-Jahren nur etwa zehn Prozent der an Echinokokkose Erkrankten das zehnte Jahr nach der Diagnose, geht Auer heute von einer Überlebensrate von 90 Prozent im selben Zeitraum aus. Was mit der besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zusammen hängt. Mit Antikörper-Messmethoden und molekularbiologischen Methoden lässt sich heute aus Gewebeproben die spezifische DNS isolieren.

Albendazol und Operation

Im Rahmen der Therapie setzt man auf den Wirkstoff Albendazol, der einer Chemotherapie entspricht und zwei Mal täglich in Form von Tabletten verabreicht wird. "Ein Vorteil ist, dass man keine Plasmakonzentrationsbestimmungen mehr machen muss wie beim Vorgängerwirkstoff", erklärt Auer.

Mehrere Jahre lang ist die Einnahme von Albendazol nötig, dann ist der Antikörperspiegel in der Regel abgesunken. Wenn bereits große Teile der Leber durch den Fuchsbandwurm infiltriert sind, muss man den Wirkstoff lebenslänglich einnehmen, „aber das kommt in den seltensten Fällen vor", sagt der Parasitologe.

Mit der medikamentösen Therapie geht meist ein chirurgischer Eingriff einher, bei dem die rechte oder linke Hälfte der Leber entfernt wird. „Eine Lebertransplantation hat sich nicht bewährt", sagt Auer, "das ist die Ultima Ratio. Alleine durch die Medikamente, die man bekommt, um das neue Organ nicht abzustoßen, leidet man mehr als durch die längerfristige Einnahme von Albendazol."

Es kommt auch vor, dass Menschen vom Fuchsbandwurm befallen sind, und keine Beschwerden haben. "Nicht jede Infektion verursacht eine Erkrankung", sagt Auer und berichtet von einem über 90-jährigen Patienten aus Vorarlberg, dem kürzlich die Gallensteine entfernt wurden. „Der Chirurg hat dabei weiteres Gewebe entdeckt, das er mit entfernte. Dieses hat sich als vom Fuchsbandwurm befallen herauskristallisiert, ist aber schon vor Jahrzehnten abgestorben. Der Mann hat von der Infektion nichts bemerkt und nie drunter gelitten."

Kontaminierter Waldboden

Das letzte Glied des Fuchsbandwurmes beinhaltet die infektiösen Eier und wird vom Fuchs mit dem Kot ausgeschieden. Es kann wandern, aufgrund seiner Größe von nicht einmal einem Millimeter nur in einem minimalen Bereich. Infizierter Fuchskot am Boden ist für Menschen oft nicht erkennbar, vor allem wenn er durch Regen weg geschwemmt wurde. "Die Beeren selbst sind in einem ganz geringen Ausmaß kontaminiert, sondern vor allem der Waldboden", erklärt Auer. Anstecken kann man sich vor allem, indem man mit Kot kontaminierte Erde, Gras, Pflanzen oder Schuhsohlen berührt und später die Finger zum Mund führt.

Zu den gefährdeten Personen zählen vor allem Land- und Forstwirte, aber auch Menschen, die sich generell viel in der Natur aufhalten und mit den Händen Kontakt zu Erde und Waldboden haben. Ihnen empfiehlt Auer alle zwei bis drei Jahre mittels Bluttest ihre Abwehrstoffe messen zu lassen. "Je früher die Diagnose, umso besser die Therapiemöglichkeiten."

Soll man nun auf den Genuss von frisch gepflückten ungewaschenen Beeren verzichten? "Auf keinen Fall", rät der Parasitologe von Hysterie ab, „diesen Genuss sollte man sich nicht verwehren. Ich würde auf jeden Fall Beeren essen, die auf einer Lichtung wachsen." Das Um und Auf sei, die Hände nach Kontakt mit dem Boden zu waschen. "Damit wird das Risiko einer Infektion auf ein Minimum reduziert." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 11.5.2012)