Wenige Frühlingsgemüse haben es zu einer derartigen Prominenz geschafft wie der Spargel. Während dieser in den gar nicht so wenigen Wochen seiner Erntezeit sämtliche Speisekarten dominiert, werden andere großflächig ignoriert. Besonders schade ist das, wenn sich die Ignorierten ohnehin schon so rar machen wie die Erbse.

Gerade drei, vier Wochen ist sie frisch zu haben, und trotzdem schert sich kaum ein Koch um sie. Das hat zwei triftige Gründe: Die frische Erbse macht eine Heidenarbeit und hat harte Konkurrenz aus der Tiefkühltruhe. Die schmecken ohnehin besser, sagen viele Lebensmitteltechniker, denn bei Erbsen ist es essenziell, dass sie wirklich frisch sind – und so frisch wie tiefgekühlt bekommt sie niemand, der sie nicht selber anbaut.

Der Zucker, der die Körner süß macht, wird angeblich nach der Ernte äußerst rasch in Stärke umgewandelt, die Erbse wird immer mehliger. Das geht so schnell, das Monsieur Bocuse rät, Erbsen nicht später als zwölf Stunden nach der Ernte zu essen. Wer sie also nicht im Garten hat, braucht einen Bauernmarkt mit flotten Bauern.

Foto: Tobias Müller

Ich habe mich mit drei Kilo frischen Erbsen von zwei verschiedenen Produzenten gespielt und eine Packung Iglo-Erbsen zum Vergleich genommen. Tiefkühlerbsen sind süßer und zarter, dafür haben frische Erbsen mehr Körper und einen kräftigeren Geschmack. Sie sollten allerdings nicht zu groß sein, sonst neigen sie wieder dazu, mehlig zu schmecken. Die Schockgefrorenen haben nach dem Kochen ein schöneres Grün (so schnell und kalt wie eine Erbsenfabrik schreckt niemand zu Hause ab), langweilen dafür aber ein wenig mit ihrer absoluten Gleichförmigkeit.

Frische Erbsen sind unterschiedlich süß und groß und daher nach dem Kochen auch nicht alle gleich weich, was Abwechslung beim Kauen bietet. Sind sie besser? Das muss jeder selbst entscheiden. Sie haben aber einen Riesenvorteil gegenüber Tiefgekühlten: Sie lassen sich besser machen, weil sie in der Schote kommen.

Foto: Tobias Müller

Die Schote ist meiner Meinung nach der Schlüssel zur erfolgreichen Erbsenzubereitung. Sie ist süßer als die eigentliche Erbse, hat aber leider in ihrer Innenseite eine papierdünne Membran, die sie äußerst ungut zu kauen macht. Man kann dieses Ärgernis zwar entfernen (mehr dazu später), das ist aber sogar für Erbsenverhältnisse ziemlich aufwendig. Die Lösung des Problems ist der Entsafter. Mit dem lässt sich alles, was gut ist an der Schote, vergleichsweise schnell extrahieren.

Weil Erbsenschoten aber nicht allzu viel Saft lassen, muss man sie im Gefrierbeutel im Wasserbad garen. Das erlaubt es, mit einer sehr kleinen Menge Flüssigkeit auszukommen, was zusätzlich den Vorteil hat, das der Geschmack viel konzentrierter wird – eine Technik, die auch jenseits der Erbse funktioniert. Der Saft nimmt während des Garens noch zusätzlich den Geschmack der Körner auf und wird so süß und erbsig, dass ich beim ersten Mal verleitet war, ihn einfach so zu trinken. Doppelt geschälte Erbsen, in diesem Sud serviert, lassen die Tiefkühlkonkurrenz weit hinter sich. Bloß farblich stinken sie ein wenig ab.

Ein Wort der Warnung: Wer bei frischen Erbsen die Zubereitung nicht als Teil des Vergnügens, sondern als Arbeit sieht, hat bereits verloren. Der Aufwand ist einfach enorm. Die Erbse macht es einem aber glücklicherweise leicht, sich an ihr schon vor dem Essen zu erfreuen. Sie gehört zu den ansehnlichsten (und fotogensten) Gemüsen überhaupt, sie riecht gut und ihre prall-saftige Schote aufzureißen und die blassgrünen Perlen herauszuholen ist ein haptischer Hochgenuss. Zu zweit lässt es sich beim Erbsenschälen gut plaudern, allein hat es meditative Qualitäten.

Doppelt geschälte Erbsen, im eigenen Saft (fast) sous vide gegart

Die Erbsen aus den Schoten entfernen und danach ein zweites Mal schälen.

Foto: Tobias Müller

Eine Erbse besteht aus zwei halbkugelförmigen Kernen, die in einem dünnen Häutchen stecken. Das Häutchen ist das, was die Erbse nach dem Kochen schrumpelig erscheinen lässt. Es lässt sich relativ leicht entfernen, indem man es mit dem Fingernagel an einer Stelle aufreißt und dann die beiden Erbsenkerne herausdrückt. Das klingt erschreckend mühsam und ist es mitunter auch.

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Zahlt sich das ohne Küchenjungen aus? Für fünf Leute als Hauptspeise sicher nicht. Und wenn die Erbsen einfach nur in Wasser gekocht werden, finde ich es sogar kontraproduktiv. Das kleine Häutchen ist zwar von der Konsistenz etwas störend, enthält aber erstaunlich viel Erbsengeschmack.

Ohne das können die Erbsen etwas fad werden. Werden sie aber in ihrem Saft gegart, schmecken sie auch nackt intensiv. Für zwei Portionen ist es den Mehraufwand meiner Meinung nach wert. Probieren Sie es aus.

Foto: Tobias Müller

Die leeren Schoten waschen und durch den Entsafter jagen. Ein Kilo Erbsen (in der Schote) sollte etwa einen achtel Liter Saft lassen. Den Saft durch ein feines Sieb gießen, um etwaigen Schotenmatsch zu entfernen, er kann den Saft unreif und etwas grasig schmecken lassen.

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Für den nächsten Schritt braucht es einen Gefrierbeutel mit Zipp-Verschluss und einen großen Topf Wasser. Mit diesen beiden Dingen kann man Essen nämlich ziemlich gut vakuumieren, ohne einen teuren Vakuumierer zu kaufen. Den Trick verdanke ich diesen beiden kompetenten Herren vom French Culinary Institute. Die Erbsen (oder was auch immer) werden in den Beutel gefüllt und gerade so viel Flüssigkeit zugekippt, dass sie bedeckt sind; ein wenig Salz hinzufügen.

Anschließend den Beutel langsam in den Topf mit Wasser versenken und dabei den Beutel immer weiter zuzippen, bis nur mehr eine Ecke über die Wasseroberfläche ragt, die noch nicht zugezippt ist. Schließlich auch diese Öffnung schließen.

Foto: Tobias Müller

Die Erbsen bei etwa 85 Grad (nicht zu heiß, damit das Plastik nicht schmilzt) 45 Minuten garen und anschließend in ihrem Saft servieren.

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Wer will, kann ihn auch reduzieren und die Erbsen dann darin schwenken, das macht das Ergebnis weniger suppig. Sollte wider Erwarten zu wenig Saft zum Garen vorhanden sein, einfach mit etwas Wasser strecken.

Erbsen, einfach geschält
Foto: Tobias Müller

Wer noch nicht genug an den Erbsen herumgebastelt hat, kann etwas Abwechslung in die Konsistenz bringen, indem er kurz gebratene Schoten unter die Kerne mischt. Die sind knackig, erfrischend und süß, fast so wie Zuckererbsen, verlangen aber, wie oben angekündigt, besondere Aufmerksamkeit.

Foto: Tobias Müller

Bevor man sie essen kann, muss das Erbsenpapier entfernt werden. Am besten geht das mit einem dünnen, scharfen Messer mit Spitze. Dort, wo man zum Schotenöffnen den Stiel geknickt hat, kann man ganz gut mit der Messerspitze unter die Erbsenhaut fahren. Dann entlang des Schotenrückens die Haut von der Erbse trennen und schließlich den Rest mit dem Messer entfernen.

Erbsen, doppelt geschält
Foto: Tobias Müller

Die Haut abzuziehen, solange nur ein kleiner Teil gelöst ist, funktioniert oft nicht: Sie ist zu dünn und reißt im besten Fall einfach, im schlechtesten reißt dabei gleich ein Stück Schote mit und macht sie unansehnlich. (Tobias Müller, derStandard.at, 3.6.2012)