Matić: "In der Musik gibt es ein Richtig und ein Falsch. Im Theater ist es möglich, dass ein Ungelernter gute Wirkung erreicht."

Foto: Michael Poehn/ Wiener Staatsoper

STANDARD: Den Haushofmeister in der ersten Fassung der "Ariadne" mit dem vorangestellten Theaterstück "Der Bürger als Edelmann" haben Sie schon im Sommer bei den Salzburger Festspielen gegeben. Nun bleiben Sie bei der gebräuchlichen zweiten Version als einziger Schauspieler übrig - eine gewöhnungsbedürftige Situation?

Matić: Die Staatsoper von dieser Seite, also von der Bühne aus zu erleben, das ist für mich wirklich Neuland. Ariadne auf Naxos habe ich aber schon ab 1979 in Salzburg vier Jahre lang gespielt. Dirigent war zuerst Karl Böhm, dann ist er gestorben, und Wolfgang Sawallisch hat übernommen. Die Inszenierung war von Dieter Dorn, und alle haben sich damals aufgeregt, weil es keine Perücken gab ...

STANDARD: Fühlen Sie sich unter lauter Sängern als Exot?

Matić: Nein. Ich genieße es sehr, unter Sängern und Musikern zu sein, und ich habe schon viele Programme zusammen mit ihnen gemacht. Mit Eduard Kutrowatz gestalte ich im März beim Liszt-Festival in Raiding einen Abend mit Liszt-Melodramen, der auch in den Gläsernen Saal des Musikvereins kommt. Außerdem habe ich mit Paul Gulda und Robert Holl zusammengearbeitet, und immer wieder mache ich auch bei den Mittagskonzerten im Wiener Konzerthaus mit.

STANDARD: Worin liegt für Sie der Reiz solche Programme?

Matić: Ich fühle mich bei diesen Projekten so wohl, weil es in der Musik ein Richtig und ein Falsch gibt - im Gegensatz zum Theater. Die Musik hat viel stärker ein vorgegebenes Gerüst. Mit dem Text geht man beim Theater ja heutzutage manchmal sehr frei um. Außerdem müssen Musiker ihre Technik beherrschen. Im Theater ist es theoretisch möglich, dass ein Ungelernter auf der Bühne eine gute Wirkung erreicht. In der klassischen Musik ist das ziemlich ausgeschlossen.

STANDARD: Sie haben viel in Musical- und Operettenproduktionen gespielt und dabei auch gesungen, etwa in "My Fair Lady" oder in "Orpheus in der Unterwelt" an der Volksoper Wien. Spielen Sie selber auch ein Instrument?

Matić: Leider kann ich kein Instrument spielen, das lag an den Kriegswirren. Ich hätte sehr gerne Klavier gelernt und habe es dann als Erwachsener noch versucht, aber da war es leider zu spät. Ich habe aber ein bisschen Gesangsunterricht genommen, nicht um Sänger zu werden, sondern um das zu machen, was ich dann eben gemacht habe. Ich sage auch jedem jungen Schauspieler, er solle unbedingt singen lernen. Das ist eine Tätigkeit, bei der man sich wohlfühlt. Und man lernt unendlich viel für das Sprechen beim Singen.

STANDARD: Und umgekehrt. Wie beurteilen Sie denn die Sprechkultur von Sängern?

Matić: Ich staune immer wieder, wie manche Sänger, die kein Wort Deutsch sprechen, deutsche Texte singen, als würden sie die Sprache beherrschen. Wenn Sänger Dialoge sprechen, klingt das manchmal ein bisschen merkwürdig. Aber das hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verbessert, genauso wie ihre schauspielerischen Fähigkeiten. Früher sind sie einfach da gestanden und haben gesungen, einmal den rechten Arm bewegt und einmal den linken. Und das waren weiß Gott nicht die schlechtesten.

STANDARD: Neben Ihrer Arbeit auf der Bühne haben Sie sich häufig auf den Einsatz Ihrer Stimme konzentriert: nicht nur als Synchronsprecher, sondern auch bei Hörspielen und Hörbüchern. Was ist hier der größte Unterschied zur szenischen Arbeit?

Matić: Lesungen sind für einen Schauspieler das, was Liederabende für einen Sänger sind. Hörspiele gibt es ja leider fast gar nicht mehr, und warum Hörbücher so erfolgreich sind, kann ich mir nicht ganz erklären. Sicher sind sie praktische Geschenke. Ich selber höre aber keine, weil ich es liebe, ein Buch in der Hand zu halten und immer wieder ein paar Seiten zurückzublättern. Ich mache Hörbücher aber sehr gerne, weil ich gerne vorlese, egal ob öffentlich oder ins Mikrofon.

STANDARD: Zurück zur Regie: Habe ich zwischen den Zeilen richtig gehört, dass Sie da manches stört?

Matić: Mich stört nur, wenn man nicht mehr weiß, was das Stück eigentlich erzählen will. Das Wort Regietheater mag ich gar nicht. Regisseurstheater wäre eigentlich der bessere Ausdruck. Das Problem sind aber die Epigonen, die Neuerungen einfach nachmachen.

STANDARD: Haben Sie je bei sich die Gefahr beobachtet, dass sich Manierismen verfestigen?

Matić: Ich habe so viel mit unterschiedlichen Regisseuren zusammengearbeitet, dass da bei mir, soweit mir das selber bewusst ist, nicht viel in dieser Richtung aufblühen konnte. Aber bestimmt werden manche auch bei mir Manierismen entdecken. Es gibt ja Schauspielfamilien, wenn Regisseure immer dieselben Akteure beschäftigen, in denen oft solche Manierismen gepflegt werden. Ich kann aber nicht behaupten, dass ich da irgendwo dazugehöre. (Daniel Ender, DER STANDARD, 19.12.2012)