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Mammografie-Screening.

Foto: APA/dpa/Patrick Seeger

Jedes Jahr am 4. Februar wird ein Ranking veröffentlicht. Es geht um die Rangliste menschlicher Tumore. Welcher hat es an die Spitze geschafft? Kommt am häufigsten vor? Fordert die meisten Opfer? Jedes Jahr am 4. Februar ist Weltkrebstag.

Doch so wenig wie das Datum ändern sich die Fakten. Unangefochten liegen zwei Krebsarten an der Spitze. Bis zum 31. 12. 2010 lebten in Österreich 61.894 Frauen mit Brust- und 53.025 Männer mit Prostatakrebs.

Screening-Problem

Gero Kramer kennt viele von ihnen. Der Urologe und Krebsforscher der Medizinischen Universität Wien seufzt. "Beim Prostatakarzinom stehen wir vor dem selben diagnostischen Dilemma wie die Kollegen aus den Brustkrebszentren", sagt er. Nicht nur, dass beide Tumore sich in Drüsen entwickeln. Sie schüren auch mehr als die Angst vor dem Tod. Sie kratzen an der Identität - am Frau- oder Mannsein. Und - darauf zielt Kramer ab - sie sind im Rahmen von Früherkennungsmaßnahmen ein Screening-Problem.

Bereits vor über zehn Jahren stritten Experten darum, wie sinnvoll die systematische Untersuchung der Frauenbrüste ist, um Tumore zu entdecken. Die theoretische Frage, weit vom persönlichen Schicksal entfernt, lautet: Wie viele Brüste muss man untersucht, wie viele Tumore rechtzeitig entdeckt und entfernt haben, um ein einziges Leben zu retten?

Der selbst unter Berufskollegen umstrittene Screening-Gegner Peter Gøtzsche vom Nordischen Cochrane Zentrum in Kopenhagen fällt diesbezüglich ein vernichtendes Urteil: Damit auch nur eine Frau weniger sterbe, müssten 2.000 Frauen zehn Jahre regelmäßig an Brustkrebs-Screenings teilnehmen. Für dieses Ergebnis aber, so argumentiert Gøtzsche noch in einer Studie von 2010, trete bei 200 der Frauen im selben Zeitraum ein Fehlalarm auf und zehn von ihnen würden gegen Brustkrebs behandelt, obwohl sie gar nicht erkrankt sind.

Vage Prognosen

Gero Kramer kennt solche Zahlenspiele bestens. Was für die Frau die Mammographie, ist für den Mann der PSA-Test. Dieser misst die Konzentration eines Eiweißstoffes, den die Prostata ausscheidet. Gewöhnlich soll er die Spermienmasse verflüssigen.

Werden im Blut aber höhere Mengen davon nachgewiesen, ist das ein Hinweis auf Entzündungen, gutartige Prostatavergrößerungen - und eben Krebs. "Und diese Liste an Ursachen offenbart schon das ganze Problem", sagt Kramer. "Es stimmt, der PSA-Test hilft, Prostatakrebskranke zu erkennen. Aber wenn sie nur genau genug hinschauen, finden sie bei den meisten Männern über 40 Jahren bösartig veränderte Zellen", sagt er. Nur: Lediglich ein Bruchteil dieser Männer wird jemals an Krebs der Prostata erkranken - oder schlimmer noch - sterben.

"Was uns fehlt, ist ein sicherer Biomarker, der uns vorhersagt, wie die Krebserkrankung verlaufen wird", sagt Kramer. Unterstützung könnten Urologen wie Brustkrebsmediziner bald von gänzlich unerwarteter Seite bekommen - nämlich von den Radiologen.

Tracer

An 30 Standorten weltweit wird derzeit ein neues Verfahren, eine Kombination aus Positronen- Emmissions-Tomographie und Magnetresonanztomographie, getestet. Mit geeigneten Hilfsmitteln kann man damit selbst kleinste Krebszellenansammlungen - sogenannte Mikrotumore - identifizieren, "wenn man eben einen geeignetes spezifisches Bindemolekül, den Tracer, findet", sagt Thomas Helbich, Fachmann für Molekulare Bildgebung an der Med-Uni Wien. In wenigen Monaten, so Helbich, wird es auch in Wien ein solches PET/MR-Gerät geben.

Tracer (engl. Spurensucher) sind kleinste Substanzen, die hochspezifisch kranke Moleküle im Körper auffinden können. "Das können markierte Rezeptoren sein, die ganz spezifisch an eine bestimmte Sorte Zellen binden", erklärt Helbich. Sie setzen dann geringe Mengen nicht-ionischer Strahlung frei, die bei der PET gemessen werden. Die MR-Einheit dagegen bildet den Körper und andere physiologische Funktionen wie den Blutfluss oder die Bewegung von Molekülen ab.

Vorhersagbarkeit als Ziel

"Fusioniert man solche Bilder, erhält man sehr präzise Informationen", so Helbich. Wissenschafter sehen darin personalisierte Diagnose und Therapieverlaufsbeobachtungen.

Am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat man einen solchen Tracer, der Prostatakarzinome aufspürt, entwickelt. Und tatsächlich lassen sich damit selbst kleinste Tumorherde identifizieren. Oberarzt Matthias Röthke vom DKFZ zeigt auf einen Monitor. Dort leuchtet rechts ein großer gelber Fleck und in der Mitte ein viel kleinerer Fleck auf.

Direkt daneben auf dem Monitor ist dasselbe Bild als reine MR-Aufnahme in Schwarz-Weiß zu betrachten. "Ohne den PET-Nachweis hätte man den kleinen Fleck nicht als gestreuten Tumor erkannt", erklärt er und hofft, mit diesem Gerät aggressiv wuchernde Tumore der Prostata, aber auch der Brust, früher als bisher zu entdecken. Denn gerade Mammakarzinome bilden Metastasen, die erst Jahre nach der Entfernung des Ursprungstumors zu wuchern beginnen. Würde man diese Mikroherde frühzeitig finden, könnte man vielen Frauen und Männer das Leben verlängern, hoffen Experten. (Edda Grabar, DER STANDARD, 4.2.2013)