HEINZ-PETER SCHLEMMER ist Physiker und Arzt, Leiter der Abteilung Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum sowie Professor für Radiodiagnostische Onkologie an der Uniklinik Heidelberg. Am 7. März stellt er am Europäischen Radiologenkongress in Wien die Möglichkeiten von PET/MR vor.

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STANDARD: Kritiker beanstanden, dass Radiologen mit neuen diagnostischen Bildern Geld scheffeln wollen. Gilt das auch für PET/MR?

Schlemmer: Es werden mit den gängigen Apparaten zu viele unnötige Bilder gemacht. Die kombinierte Magnet-Resonanz- (MR) und Positronen-Emmissions-Tomographie (PET) ist bislang ein Forschungsgerät. Aber tatsächlich können wir damit kleinste Tumore mit einer bislang unerreichbaren Genauigkeit sehen.

STANDARD: Aber es gibt dafür bereits eine Reihe anderer Verfahren. Kommt mit PET/MR tatsächlich die personalisierte Diagnostik?

Schlemmer: Ich mag den Begriff personalisiert nicht. Er weist nur darauf hin, dass man Tumore gezielt bekämpft und nicht mit der bislang üblichen Chemotherapie, bei der der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen wird. Personalisierte Diagnostik bedeutet nichts anderes, als dass man zielgerichtet nach kranken Strukturen sucht. Das heißt aber auch, Ärzte müssen wissen, wonach sie suchen.

STANDARD: Was heißt das konkret?

Schlemmer: Beim Prostatakarzinom können Ärzte sich häufig nicht sicher sein, wie aggressiv der Tumor ist, ob er begrenzt ist oder sich schon auf das umliegende Gewebe ausgedehnt hat. Mit einem MRT-Bild sieht man den Tumor und vielleicht erkennt man auch weitere kleine Veränderungen, die man aber nicht als Tumor identifizieren würde. Bei der PET setzt man zusätzlich Sonden ein. Das sind Moleküle, die Positronen freisetzen, die das PET misst. An sie koppelt man ein Molekül, das nur das erkennt, wonach man sucht. In Heidelberg haben Radiopharmazeuten das Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) an die Sonden gehängt. Es bindet spezifisch an Prostatakrebszellen. Tatsächlich konnten wir damit bereits kleinste streuende Krebszellen nachweisen. Das heißt: Künftig könnten wir sogar metastasierte Mikrotumore erkennen.

STANDARD: Das klingt nach viel Potenzial. Wo liegen die Grenzen?

Schlemmer: Eine PET-Diagnose ist nur so gut wie der Tracer, also die an die Sonde gekoppelte Substanz, die den Tumor aufspüren soll. Ein Myelom, eine Form des Blutkrebses, verbraucht ungeheuer viel Zucker. Da würde man einen Zucker als Tracer nutzen. Ein Tumor, der ohne großen Zuckerverbrauch auskommt, würde die PET also nicht entdecken. Das heißt, der Nutzen der PET/MR-Bildgebung hängt ganz entscheidend davon ab, dass man die Tumore anhand spezieller Eigenschaften eindeutig identifizieren kann. Je mehr Zellen im Körper über ähnliche Eigenschaften verfügen, umso ungenauer wird das Ergebnis. (Edda Grabar, DER STANDARD, 4.2.2013)