Das schwedische "Ufo Tree Hotel", gestaltet von Inredningsgruppen.

Foto: Inredningsgruppen; Treehotel

Das japanische "Teahouse Tetsu" von Terunobu Fujimori.

Foto: Akihisa Masuda

Das verspiegelte "Mirrorcube Tree Hotel" von Tham & Videgård Arkitekter in Nordschweden.

Foto: Åke E:son Lindman

Philip Jodidio: "Tree Houses. Fairy Tale Castles in the Air", Taschen-Verlag

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Im Reigen der ungewöhnlichen Behausungen vom Hausboot über Wohnwagen bis hin zur Aussteigerhöhle nimmt das Baumhaus einen ganz besonderen Status ein, schließlich gewährt es wie keine andere Bleibe Weitblick und Schutz vor unfreundlichen Vierbeinern sowie anderen bodennahen Widrigkeiten. Warum sonst wohl hätte Tarzan seinen Hausrat in eine Baumkrone gesiedelt?

Ein großes, dickes Buch aus dem Taschen-Verlag nimmt sich nun der Gattung Baumhaus an und zeigt 50 Beispiele aus aller Herren Wäldern, die sich von der konventionellen Baulichkeit mit Fundament distanzieren - und zwar in Richtung Himmel. Auf gut 350 Seiten zeigt der Schmöker aufgestiegene Restaurants, Wochenendrefugien im Aufwärtstrend, wolkennahe Kuschelburgen oder in die Luft gehievte Konstruktionen, die als Hotels Verwendung finden. Das klassische Baumhaus, wie es sich Buben zusammennageln, also jener Typus, der auf einer eher experimentellen Statik beruht, wird zwischen den Buchdeckeln ausgeklammert. Das Buch macht vor allem eines klar: Das Baumhaus mausert sich immer mehr zur Spielwiese für Architekten.

In der Publikation mit dem Titel "Tree Houses" geht es um Hütten wie zum Beispiel das "Jungle House", das sich als James-Bond-Bösewicht-Versteck bestens eignen würde. Sein durchgestylter nierenförmiger Raum ruht auf dünnen Stelzen, die an die Beine eines Weberknechts erinnern. Das Bauland ist ein Sandstrand.

"Schlafzimmer im Busch"

Ganz ohne Dach und Wände kommt das "Chalkley"-Baumhaus im Kruger-Nationalpark aus. Seine Entwerfer nennen es auch "Schlafzimmer im Busch". Wie eine Art möblierte Plattform thront es um einen 500 Jahre alten Baum, der an genau jener Stelle steht, wo der Großwildjäger Guy Aubrey Chalkley im Jahre 1933 Schutz vor Tieren suchte, die in einem Streichelzoo keine Aufnahme fänden.

Als absolute Höhe kommt das "Mirrorcube Tree Hotel" im Buch zum Vorschein. Dabei handelt es sich um einen vier mal vier mal vier Meter messenden Würfel aus Aluminium, der an einem Baum in Nordschweden hängt und dessen Außenfassade völlig verspiegelt ist, was ihn unauffällig und auffällig gleichermaßen macht. Man staunt, denn dieses Ding wird über einen einfachen Schmäh zu einer optischen Einheit mit dem Wald. Über eine Strickleiter oder Hängebrücke erreicht man den schicken, mit Sperrholzplatten verkleideten Wohnbereich, eine Art schicker Einsiedlerwürfel, in dem sich auch ein Alvar Aalto pudelwohl gefühlt hätte.

Ebenfalls in Nordschweden und ebenso als Hotelzimmer konzipiert ist das "Ufo Tree Hotel", das 30 Quadratmeter Platz für all jene bietet, die gern ein Science-Fiction-Stück am Nachtkastl liegen haben und dem Traum von kleinen grünen Männchen ein schönes Stück näher kommen wollen. Wie zwei zusammengeklebte Suppenschüsseln hängt das spacige Konstrukt im dichten Wald. Bestiegen wird die Asimov'sche Herberge über eine filigrane Zugangsleiter.

Im Gegensatz dazu sehr floral, aber nicht minder abgehoben präsentiert sich das "Teahouse Tetsu" in Japan, vor allem zur Zeit der Kirschblüte. Es wurde in Hokuto City errichtet, einem Ort, der für seine fast surreal anmutende Blütenpracht bekannt ist. Der Gestalter Terunobu Fujimori sagt über sein Haus: "Ganz unbeabsichtigt wirkt das Haus wie ein Zwergenhaus aus einem Märchen."

"The Minister's House"

Fehlen darf freilich auch nicht das wahrscheinlich größte Baumhaus der Welt, es misst 30 Meter in der Höhe, umfasst zehn Etagen und steht in Tennessee. Genannt wird das Bretterschloss auch "The Minister's House". Bauherr Horace Burgess spricht von einer Vision, die ihn 1993 veranlasste, nach Hammer und Nagel zu greifen, "Eines Tages, ich betete gerade, sagte mir der Herr: 'Wenn du mir ein Baumhaus baust, will ich dafür sorgen, dass es dir nie an Material fehlt.'"

Das Buch zeigt aber nicht nur gelungene Beispiele für das, was sich architektonisch zwischen Himmel und Erde so tut, Herausgeber Philip Jodidio erklärt auch, in welchen Epochen und Gefilden das Baumhaus sonst so auf dem Bauplan stand. Der Autor und Architekturschreiber berichtet unter anderem davon, dass Baumhäuser in manchen Klimazonen zu den ältesten Formen des Wohnbaus überhaupt gehören und dass Caligula Planken auf die Äste einer Platane hieven ließ, um hoch oben Partys zu feiern.

Freilich kann man in Zeiten wie diesen das Baumhaus als Kindheitstraum, architektonischen Spielplatz oder archaische Bauform abtun, dieses Buch zeigt aber auch, wie schön es sein kann, den Boden unter den Füßen für eine Zeitlang zu verlieren und welch Glanz auch in der abgehobensten Hütte herrschen kann. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 15.2.2013)