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Opulenter Weltuntergang à la Roland Emmerich. Studien zeigten, dass "The Day After Tomorrow" die Bereitschaft erhöhte, etwas für die Umwelt zu tun.

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Alexa Weik von Mossner: "Das Problem ist oft, dass man den Leuten Angst vor dem Klimawandel macht und dann sagt: Nehmt andere Glühbirnen."

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STANDARD: In Hollywood ist die Welt schon öfter zugrunde gegangen an den Folgen des Klimawandels und anderer ökologischer Katastrophen. Spiegeln diese Filme das schlechte Gewissen der Gesellschaft wider?

Mossner: Die Welt ist zwar schon häufig untergegangen in Hollywood, aber nicht so häufig dezidiert an den Folgen des Klimawandels. Da gibt es Roland Emmerichs The Day After Tomorrow oder auch den deutsch-schweizerischen Film Hell von Tim Fehlbaum. Bei John Hillcoats The Road könnte ein Klimawandeldesaster stattgefunden haben oder auch ein Atomkrieg oder ein Asteroideneinschlag. Ich denke, diese Filme spiegeln wider, dass sich die Leute für das Thema interessieren.

STANDARD: Ist das ein neues Phänomen?

Mossner: Ganz neu ist das nicht. In den 1970er-Jahren gab es sehr viele Desasterfilme, bei denen Umweltkatastrophen globale Proportionen angenommen haben. Gerade in den letzten Jahren beschäftigen sich Science-Fiction-Filme aber wieder vermehrt mit Untergangsszenarien - diese Themen lassen sich eben derzeit gut verkaufen. Dass James Camerons Avatar so ein Erfolg war, hat sicher mit der 3-D-Technik zu tun, aber auch damit, dass das Umweltthema die Menschen umtreibt.

STANDARD: Welche Art von Katastrophen untersuchen Sie?

Mossner: Ich beschäftige mich mit populärkulturellen Darstellungen von globalen, anthropogenen, also vom Menschen geschaffenen Umweltproblemen. Da gehören Nuklearkatastrophen und Ressourcenverknappung dazu, aber nicht ein Asteroideneinschlag oder ein Erdbeben. Mich interessieren die narrativen Strategien, mit denen Filme und Texte Emotionen evozieren und die Imagination lenken. Dabei ist für mich der Begriff der Weltrisikogesellschaft zentral, den der deutsche Soziologe Ulrich Beck geprägt hat. Die Menschen versuchen die ganze Zeit, Umweltrisiken einzudämmen und mit technischen Mitteln zu kontrollieren. Auf der anderen Seite kreieren sie dabei ständig neue, oft unvorhergesehene Risiken.

STANDARD: Und die Weltrisikogesellschaft schlägt sich immer häufiger in der Populärkultur nieder?

Mossner: Auf jeden Fall. Im Genre Jugendbuch ist der Trend am deutlichsten, da ist die Zahl der dystopischen Umweltromane geradezu explodiert in den letzten Jahren. Interessant ist, dass auch bei Dokumentarfilmen und populären Wissenschaftsbüchern immer häufiger fiktionale Elemente eingebaut werden, um abstrakte, ferne Risiken greifbarer zu machen.

STANDARD: Mit dystopisch meinen Sie eine negative Zukunftsvision?

Mossner: Genau, ein Szenario, bei dem bestimmte Aspekte der Gegenwartsgesellschaft in die Zukunft projiziert werden, wo sie katastrophale Ausmaße annehmen.

STANDARD: Warum herrscht die dystopische, apokalyptische Vision vor und nicht positive?

Mossner: Positive, utopische Zukunftsvisionen hatten ihre Hochzeit im späten 19. Jahrhundert, als es eine große Technikgläubigkeit und Hoffnungen für eine bessere Zukunft gab. Das hat sich infolge der Weltkriege geändert. Seither sind die dystopischen, düsteren Zukunftsbilder in der Populärkultur vorherrschend.

STANDARD: Können solche medialen Katastrophenszenarien die Menschen aufrütteln aus der Klimawandel-Apathie, die sich breitzumachen scheint?

Mossner: Aus Studien geht hervor, dass sie kurzfristig etwas bewegen können, man hat das etwa bei Davis Guggenheims Doku Eine unbequeme Wahrheit mit Al Gore gesehen. Aber man kann von einem Film oder Roman nicht erwarten, dass er Menschen dazu bringt, schlagartig ihr Leben zu verändern.

STANDARD: Welche Nachweise für eine Wirkung gibt es?

Mossner: Es gibt zum Beispiel fünf unabhängig voneinander durchgeführte Studien zu The Day After Tomorrow, eine aus den USA, zwei aus Großbritannien und je eine aus Deutschland und Japan. Alle zeigten, dass der Film trotz seiner überzogenen Katastrophenszenarien erfolgreich dabei war, für den Klimawandel zu sensibilisieren. Die US-Studie, die von Anthony Leiserowitz vom Yale Project on Climate Change Communication geleitet wurde, war besonders interessant: Die Leute machten sich nach dem Film mehr Sorgen über klimabedingte Risiken und waren eher bereit, politische Entscheidungen mitzutragen, um das Klimaproblem anzugehen und selbst ihr Verhalten zu ändern.

STANDARD: Sind also Angst und Panikmache sinnvoll, um etwas zu bewirken?

Mossner: Generell geht man davon aus, dass negative Emotionen ein Problem sind in der Klimawandelkommunikation, weil sie unangenehm sind und leicht zu Verdrängung und Apathie führen. Aber das ist nur zum Teil richtig. Leiserowitz hat festgestellt, dass Angst und Wut durchaus starke Motivatoren für Handlungen sein können. Evolutionär gesehen bereiten sie den Körper auf Flucht und Angriff vor. Will man diese Emotionen also bei der Klimawandel-Kommunikation nutzen, muss man gleichzeitig sinnvolle Handlungsoptionen anbieten. Das Problem ist oft, dass man den Leuten Angst vor dem Klimawandel macht und ihnen dann sagt: Nehmt andere Glühbirnen. Da haben die meisten zu Recht das Gefühl, dass das keine Lösung ist, und reagieren mit Frustration.

STANDARD: Welchen Film nehmen Sie sich als Nächstes vor?

Mossner: Ich bin sehr gespannt auf Promised Land von Gus Van Sant, in dem es um Fracking geht, die weltweit immer weiter verbreitete Förderung von Schiefergas, die mit vielen Risiken verbunden und stark emotional besetzt ist. Ich werde diese fiktionale Umsetzung dann mit einem Dokumentarfilm zum Thema vergleichen. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 27.02.2013)