James Dyson

Foto: Hersteller

Drei neue Händetrockner präsentierte James Dyson in Hamburg. Dieser hier, der "Airblade Tap", ist auch für den Privatkunden ein Thema. Man hält die Hände in der Mitte unter den Edelstahlhahn, und das Wasser fließt. Bewegt man die Hände nach links und rechts unter die Infrarotsensoren, bläst Luft mit einer Geschwindigkeit von 690 km/h durch 0,8 Millimeter breite Schlitze. Ein Filter unterhalb des Motors entfernt laut Dyson 99,9 Prozent der Bakterien und Viren aus der Waschraumluft.

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Hamburg an einem kalten Spätwintertag: James Dysons Privatjet hat Verspätung, denn die Hansestadt liegt unter einem fetten Nebelteppich. Im Stilwerk, unweit des Fischmarkts am Hafen, wartet ein ganzer Haufen Journalisten und der englische Botschafter auf den 1947 geborenen Chefingenieur und Unternehmensgründer, der es in Sachen Staubsauger in wenigen Jahren zum Marktführer unter anderem in Österreich Frankreich, England, Italien brachte. Eine Stunde und einige Brötchen später taucht er schließlich auf und entschuldigt sich mit den Worten, dass der Nebel kein englischer gewesen sei. Auf einer Bühne spricht der Ingenieur, der mehr als 3000 Patente hält, über die Technologie dreier neuer Handtrockner, die es zu präsentieren gilt. Besonders angetan hat es dem groß gewachsenen Dyson die Technik des "Airblade Tap", eines Wasserhahns aus Edelstahl, der einem nach getaner Handwäsche mittels Wirbelwind die Hände trocknet, was laut einer Studie des MIT als umweltfreundlichste Möglichkeit zum vollständigen Trocknen der Hände gilt. Nach getaner Präsentation und einem kleinen Blitzlichtgewitter bittet Dyson bestens gelaunt zum Gespräch in ein Hinterzimmer, ehe er wieder mit seinem Jet abhebt. Der Nebel hat sich gelichtet.

STANDARD: Die Queen schlug Sie 2007 zum Ritter. Bedeutet Ihnen dieser Titel viel?

James Dyson: Ja klar, denn man bekommt damit viel leichter ein Hotelzimmer. Nein, im Ernst, es ist schön, für einen Ingenieur und Designer mit einer solchen Ehrung bedacht zu werden, weil es diese beiden Disziplinen nach außen hin stärkt. Das ist das Beste daran.

STANDARD: Es ist noch nicht so lange her, da galt Erfinder für so manches Kind als Traumjob, so wie Astronaut oder Rennfahrer. Heute hört man das kaum noch.

Dyson: Ja, und das ist ein großes Problem in Europa und den USA. Das Ingenieurswesen wird nicht als wichtig eingestuft, und die Kids sehen den Job des Ingenieurs nicht mehr als Karrieremöglichkeit. Das ist schade. In Korea, Indien, auf den Philippinen oder auch im Iran haben diese Jobs ein ganz anderes Image. Dort gilt das als ein aufregender Beruf. In England studieren die Leute lieber Medien- oder Sozialwissenschaften oder was auch immer, bloß nichts Praktisches.

STANDARD: Warum? Das war nicht immer so.

Dyson: Nun, ich habe da eine Theorie: Wenn ein Land reich wird, vergisst es, aus welchen Gründen es so wohlhabend wurde. Und dann geht es mehr darum, Geld auszugeben, als sich zu fragen, wie man Geld machen kann.

STANDARD: Es heißt, Sie sprechen nicht gern darüber. Trotzdem: Laut Forbes-Liste sind Sie einer der reichsten Briten mit einem Vermögen von mehr als vier Milliarden Dollar. Wie denken Sie über diesen Haufen Geld, nachdem Sie jahrelang beim Bauen von unzähligen Prototypen nahe am Bankrott vorbeischrammten?

Dyson: Es mag eigenartig klingen, aber mein Verhältnis zu Geld hat sich seither nicht verändert. Ich fühle mich noch immer so, als hätte ich kein Geld. Das ist schwierig zu erklären. Klar klingt es komisch zu sagen, Geld sei nicht wichtig, weil es natürlich schon wichtig ist. Wie soll ich es sagen? Wenn ich ein neues Ding rausbringe, denke ich nicht daran, wie viel Geld ich damit verdienen könnte. Geld hat mich nie angetrieben, sondern immer die Technik.

STANDARD: Kennen Sie irgendwelche österreichischen Erfinder?

Dyson: Nein, aber ich sollte, oder?

STANDARD: Josef Madersberger zum Beispiel hat die Nähmaschine erfunden, oder Josef Ressel die Schiffschraube.

Dyson: Aha, ich dachte wir hätten die Schiffschraube erfunden, oder war es Archimedes?

STANDARD: Sie betonen oft, dass Sie Ingenieur sind, kein Designer. Dennoch kaufen viele Menschen Ihre Produkte gerade auch wegen ihres auffälligen Aussehens.

Dyson: Diese beiden Dinge sollten überhaupt erst gar nicht getrennt werden. Diese Trennung ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Für mich ist das ein und dasselbe. Das lernte ich schon während meines Studiums Mitte der 60er-Jahre. Ich beschäftige bei Dyson keinen einzigen Designer, nur Ingenieure.

STANDARD: Und gleich 1600 davon. Sie sagten einmal, Sie hätten Ideen für die nächsten 25 Jahre. Verraten Sie mir ...

Dyson: Nein.

STANDARD: Eine kleine?

Dyson: Nein, aber ich gebe Ihnen einen Tipp. Die nächsten großen revolutionären Neuerungen werden mit neuen Materialien zu tun haben.

STANDARD: Zum Beispiel?

Dyson: Schluss jetzt.

STANDARD: Sie haben gerade drei neue Händetrockner vorgestellt. Einer ist in einen Wasserhahn integriert und bläst einem mit fast 700 km/h die Hände trocken. Wie wäre es mit einer Dusche, die ein Abtrocknen per Handtuch überflüssig macht?

Dyson: Gute Idee. Aber jetzt haben wir mal mit den Händen angefangen. Die anderen Körperteile müssen noch warten.

STANDARD: Aber möglich wäre es.

Dyson: Aber klar doch.

STANDARD: Zurück zum Design. Bei Ihren Staubsaugern bleibt immer der Blick auf die Beute frei. Man sieht sozusagen den Erfolg der Hausarbeit im Form von dicken Staubknäueln etc. War das Teil des Konzepts?

Dyson: Das stimmt, aber es war nicht meine Intention. Meine Idee war es, sehen zu können, wann das Ding voll ist. Ich hätte nicht geglaubt, dass die Leute der Blick auf den Staub befriedigt. Wir als Ingenieure haben uns während der Entwicklung natürlich immer daran erfreut, beobachten zu können, was in unserer Maschine vor sich geht. Als ich den Sauger zum ersten Mal in den Geschäften präsentierte, sagten die Zuständigen: 'Die Leute wollen den Dreck nicht sehen.' Wir haben sie ignoriert. Daraus lernte ich auch, dass Marktforschung einem niemals sagen kann, was man wirklich tun soll. Marktforschung kann nur aufzeigen, was Leute denken. Sie sehen, manchmal muss man das ignorieren - oder sogar das Gegenteil tun.

STANDARD: Die Staubsaugervertreter, die von Tür zu Tür wandern, sind ein vom Aussterben bedrohter Schlag? Eigentlich schade, oder?

Dyson: Nein, ich stehe dieser Art des Verkaufens ablehnend gegenüber, weil sie dem Konsumenten keine Wahl lässt. Der Konsument will vergleichen und eine Auswahl haben.

STANDARD: Was ist Ihrer Meinung nach das dümmste Ding, das je erfunden wurde?

Dyson: Es gibt viel Blödsinn, zum Beispiel diese Schirme, die man sich auf den Kopf setzt. Aber ich fürchte, ich muss Ihnen eine endgültige Antwort schuldig bleiben.

STANDARD: Sie sagten einmal, die Krawatte sei die dümmste Erfindung aller Zeiten.

Dyson: Das stimmt, aber ich sehe sie nicht wirklich als Erfindung. Eine wirklich dumme Sache - und gefährlich. So ein Ding kann dich zum Beispiel in eine Maschine reinziehen. Man muss außerdem sehr smart sein, wenn man eine trägt.

STANDARD: Sie sind regelmäßig bei Premierminister David Cameron zu Gast, plaudern mit ihm über Wirtschaftsfragen. Da tragen Sie aber schon eine Krawatte, oder?

Dyson: Nicht immer. Er ist ziemlich entspannt.

STANDARD: Ist es sehr sauber in Downing Street Number 10?

Dyson: Im Großen und Ganzen schon. Und ich hab gesehen, dass sie einen Dyson benützen - übrigens auch im Palast der Queen.

STANDARD: Was ist für Sie die wichtigste Erfindung?

Dyson: Das ist leicht. Das Düsentriebwerk. Frank Whittle hat ganz allein in den 1930er-Jahren damit begonnen, bis die Regierung während des Krieges Interesse daran zeigte. Er hat das Ding zum Funktionieren gebracht. Das hat die ganze Fliegerei komplett verändert und die moderne Welt geprägt. Ich denke, diese Erfindung ist wichtiger als das Flugzeug selbst.

STANDARD: Ich staubsauge auch mit einem Dyson, es ist ein DC 29. Ich hab extra nachgeschaut.

Dyson: Das ist nett von Ihnen. Danke.

STANDARD: Er fällt in der Kurve ziemlich oft um. Wenn das passiert, denke ich mitunter daran, dass ich Ihnen das gern mal gesagt hätte. Jetzt kann ich es tun.

Dyson: Da kann ich Ihnen helfen. Sie sollten sich zum Beispiel den DC 37 zulegen, der rollt auf einer Art Ball. Aber danke sehr für den Hinweis. Es ist wichtig für uns zu erfahren, was die Menschen an unseren Produkten nicht mögen, sodass wir es ändern können.

STANDARD: Wann haben Sie zum letzten Mal staubgesaugt?

Dyson: Ich sauge jedes Wochenende zu Hause. Ich tue es sehr gern.

STANDARD: Und was denken Sie sich dabei so?

Dyson: Natürlich, wie man das Gerät besser machen kann. Das mach ich bei allen Gegenständen, die ich benütze. Das tut ein Ingenieur.

STANDARD: Beschäftigen Sie eine Putzfrau?

Dyson: Ja, das tue ich. Sie benützt einen Dyson.

STANDARD: So eine Überraschung. Und sie mag ihn?

Dyson: Sie muss.

STANDARD: Sie als Fachmann, wie oft sollte man staubsaugen?

Dyson: Jeden Tag natürlich.

STANDARD: Klar ... Sind Sie pingelig?

Dyson: Ja.

(Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 15.3.2013)