Kennedybrücke, 13. Wiener Gemeindebezirk

Foto: Verlag Anton Pustet/Stefan Oláh

Endstation 13A, Alser Straße, Ecke Skodagasse, 8. Wiener Gemeindebezirk

Foto: Verlag Anton Pustet/Stefan Oláh

Alliiertenstraße, 2. Wiener Gemeindebezirk

Foto: Verlag Anton Pustet/Stefan Oláh

Stefan Oláh/Sebastian Hackenschmidt
Fünfundneunzig Wiener Würstelstände
Verlag Anton Pustet
160 Seiten, 21 Euro

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Foto: Verlag Anton Pustet/Stefan Oláh

Zuerst die gute Nachricht: Um den Würstelstand braucht sich niemand Sorgen machen. Eine Huldigung wie jene für Wiens Fleischhauer ist noch nicht notwendig, wie der Fotograf Stefan Oláh versichert: "Ich habe keine Angst, dass der Wiener Würstelstand eines Tages verschwinden könnte. Er ist und bleibt eine Institution."

Warum dann ein Buch über ein Soziotop, das so zwangsläufig zum Stadtbild zählt wie der Senf zur Wurst? Die Antwort des Dokumentaristen, der bereits die heimische Architektur der 1950er-Jahre fotografisch verewigt hat, ist relativ banal: "2010 habe ich mit Sebastian Hackenschmidt das Buch über 26 Wiener Tankstellen gemacht, wo er den Würstelstand versehentlich schon angekündigt hatte. Dieser Satz war quasi der Startschuss zu diesem Projekt." Was folgte, waren zwei Jahre Recherche und die Verwunderung darüber, dass es so viele unbekannte Ecken von Wien gibt, an denen sich Hackler und Hofräte zumindest kulinarisch die Hand geben.

Fliegende Händler werden sesshaft

Der Würstelstand, wie wir ihn heute kennen, ist nicht so alt wie häufig vermutet. Erst in den 1960er-Jahren wurden die Buden zunehmend zum unverrückbaren Inventar urbaner Esskultur. Während heute in erster Linie der gefüllte Darm in seiner gegrillten und gebratenen Form mit "Bugl" (Brotscherzerl), "Krokodü" (Essiggurkerl), "an Ölichen" (Ölpfefferoni) und "G'schissenen" (Kremser Senf) serviert wird, gab es ursprünglich die Wurst vor allem in der gekochten Variante. Die Burenhaut wurde häufig als ganzer gefüllter Darm mit einem Gesamtgewicht von etwa acht Kilogramm produziert. Bestellt wurde nach Zentimetern, abgerechnet nach Gewicht.

International bekannt wurde die Kunst des Verwurstens angeblich durch Johann Georg Lahner, der in Frankfurt seine Ausbildung zum Metzger machte. Anfang des 19. Jahrhunderts zog er nach Wien und stellte dort 1805 erstmals jene Wurst her, die er nach der Stadt benannte, in der er seine Lehre absolviert hatte.

Bereits zu dieser Zeit waren Würstelverkäufer relativ weit verbreitet, allerdings brachten diese noch als fliegende Händler - ausgestattet mit Handkessel und Wägelchen - die Wurst unters Volk. Im frühen 20. Jahrhunderts kamen schließlich vermehrt fahrbare Stände auf, die Tag für Tag zu einem Stammplatz gekarrt und wieder weggeschafft werden mussten. Ein unliebsamer Ritus, den auch heute noch der Betreiber des "Mariahilfer Wurststadls" nebst dem Generali Center praktiziert.

Hauptsache, zumindest eine Wurst

Der Bildband "Fünfundneunzig Wiener Würstelstände" zeichnet kein nostalgisches Idealbild einer Wiener Besonderheit. Oláh nähert sich seinem Thema vielmehr auf gewohnt präzise Weise: "Mir ging es nicht nur um den Würstelstand an und für sich, sondern besonders um das Drumherum. Das heißt, wo stehen sie, in welche Umgebung sind sie eingebettet und welche Brüche entstehen daraus. Die glatte Aluminiumfassade einer Imbissbude vor einem Ferstel-Bau hat schließlich eine ganz eigene Ästhetik."

Diese eigenwillige Schönheit spiegelt sich nicht zuletzt im Prozess der Bildwerdung wider: kein Aufpimpen mit Photoshop, sondern erdige, analoge Großformatbilder auf 4x5-Inch-Negativfilm. So erhält der gewohnte Anblick eine neue Perspektive, in der die Motive, die üblicherweise im Mittelpunkt stehen, eher zufällig in den Bildausschnitt gelangt zu sein scheinen.

Die schlechte Nachricht zum Schluss: Insgesamt hat Stefan Oláh 125 Imbissstände fotografiert. Davon haben es 95 ins Buch geschafft, allerdings mit einem leicht bitteren Nachgeschmack: Nicht alle abgelichteten Buden verdienen die Bezeichnung "Würstelstand". Denn als oberstes Auswahlkriterium galt: Egal ob Döner, Pizza oder Nudelbox, Hauptsache, es wird zumindest eine Wurst verbraten. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 9.4.2013)