"Liebe diese Figur so sehr": Adele Neuhauser als Julie Zirbner in "Vier Frauen und ein Todesfall", ab Dienstag neue Folgen im ORF.

Foto: ORF/Neumayer

Mordsandrang bei der Premiere der neuen Folgen von "Vier Frauen und ein Todesfall". Der ORF präsentiert vor Journalisten, was oft vorkommt. Weitaus seltener, aber an dem Abend geschehen: Die berufskritischen Beobachter amüsieren sich prächtig. Die Gastgeber auch, mitten drunter: Adele Neuhauser, die den Film gebannt und mit strahlenden Augen verfolgt.

STANDARD: Sehen Sie sich gern?

Neuhauser: Die "Vier Frauen" machen mir so viel Spaß, dass ich mich da gerne sehe. Natürlich entdecke ich immer etwas, meistens geht es ums Tempo, wo ich mir manchmal wünsche, ich wäre noch kantiger. Aber ich verzeihe mir jetzt immer mehr.

STANDARD: Dienstag beginnt die fünfte Staffel. Waren Sie sicher, dass Sie weitermachen wollen?

Neuhauser: Das war für mich keine Frage, ich liebe diese Figur so sehr. Ich schlüpfe total in sie. So extrem habe ich das beim Fernsehen noch nie empfunden.

STANDARD: Legen Sie Wert auf Mitspracherechte?

Neuhauser: Absolut. Obwohl ich an diesen Büchern sehr wenig auszusetzen habe. Ich lese den Text und sage: Ja, kann ich, kenn ich, weiß ich. Aber wenn es not ist, spreche ich mit, ich habe doch eine Figur zu verteidigen!

STANDARD: Julie Zirbner ist ein Prototyp der Landfrau. Gibt es reale Vorlagen, an die Sie sich erinnern?

Neuhauser: Ich habe viel Zeit im Waldviertel verbracht bei meinen Großeltern, und dort eine Menge Kuriositäten beobachtet. Ich habe viel von meiner Großmutter, ihrer Körperlichkeit übernommen.

STANDARD: Krimi, Komödie und Land sind offenbar ein unfehlbares Erfolgskonzept. Weil der Tod am Idyll zerrt, es aber nicht zerstört?

Neuhauser: Es sind viele Faktoren, das Land hat die Schönheit, und es gibt diese Sehnsucht, den Überblick zu wahren. Dass genau dort der Wahnsinn ausbricht, ist einfach lustig. Wir sagen ja nicht, dass nur die Landbevölkerung deppert ist, bei uns haben alle irgendwo einen Schuss.

STANDARD: Ist Ihnen die Landflucht  bekannt?

Neuhauser: Ich habe lange am Land gelebt und es geliebt. Jetzt genieße ich die Stadt, aber ich freue mch jedes Mal tierisch, wenn wir an den Mondsee fahren und drehen. Wenn ich draußen spielen darf, ist alles ganz anders. Da geht's mir einfach gut.

STANDARD: Es kann aber auch ganz schön eng sein am Land, die "Zugereisten" sind nicht immer willkommen. Kennen Sie sowas?

Neuhauser: In Bayern habe ich am Land gelebt, und da hat es schon eine Zeit gebraucht, bis wir angenommen wurden.

STANDARD: Was hat geholfen?

Neuhauser: Es hat geholfen, dass wir uns einen Hund zugelegt haben, und dass wir ein Kind bekommen haben. Damit signalisierten wir: Die vermehren sich, die sind normal.

STANDARD: Stichwort "Tatort": Haben Sie erwartet, dass es so einschlägt?

Neuhauser: Ich bin Uli Bree sehr dankbar für die tolle Figur, die er da geschrieben hat. Mit so einem Erfolg habe ich nicht gerettet.

STANDARD: Mit dem "Tatort" sind Sie auf den Charakter "bodenständig", "resch", "gebrochen" programmiert. Reicht Ihnen das?

Neuhauser: Nein. Da gibt's hoffentlich noch mehr Ideen zu meiner Person. Nein.

STANDARD: Schauen Sie andere Tatorte?

Neuhauser: Ab und an, um einfach zu sehen, was läuft. Wie gehen die Kollegen mit den Themen um.

STANDARD: Til Schweiger?

Neuhauser: Das ist ein Zugang, den ich nicht so spannend finde. Er macht es super und es ist alles wunderbar, aber das ist genau das, was der Tatort nicht sein sollte. Nur Action, Schießerei, für mich geht's darum, dass wir aktuelle Themen aufgreifen und Sozialkritik üben. Und dass wir auch nahe an der Wahrheit bleibenn.

STANDARD: Gelingt das?

Neuhauser: Ja, schon. Ich habe mich bei der Sitte kundig gemacht, was es heißt, die Arbeit einer Sittenpolizistin zu machen, wie viel man davon mit nach Hause nimmt. Interessanterweise gehen männliche Kripo-Beamte anders damit um als weibliche.  Die Männer behaupteten, sie nehmen sicher nichts mit nach Hause, die einzige Frau schüttelte dazu immer nur den Kopf und deutete: Stimmt alles nicht. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Ich merke es auch beim Drehen, manche Geschichten gehen mir extrem nahe.

STANDARD: Obwohl es Fiction ist?

Neuhauser: Mir geht es so. Wenn ich an manche Geschichten denke, treibt es mir die Tränen in die Augen. Alles, was man erdenken kann, ist nicht so stark wie die Realität und hat einen wahren Hintergrund. Jeder Gedanke hat einen Hintergrund. Auch in den Vier Frauen steckt so viel Wahrheit.

STANDARD: Wie verarbeiten Sie die?

Neuhauser: Ich muss das lernen. Manche Sachen werde ich gut los, aber manche nicht. Ich muss es üben. Während der Dreharbeiten hört es nicht auf.

STANDARD: Der klassische Weg ins Burn-out, sagt man?

Neuhauser: Ein Burn-out kann ich mir nicht leisten. Abgrenzung während des Drehprozesses finde ich grundsätzlich nicht gut, aber ich muss lernen, dass es gut ist, wenn ein Projekt vorbei ist.

STANDARD: Dann sind Sie eine sensible Seele?

Neuhauser: Bin ich, auch wenn ich nicht so wirke. (Doris Priesching, DER STANDARD, 26.4.2013)