Der Wiener Künstler Lois Weinberger hat noch nie ein Möbelstück gekauft. Seine Möbel sind allesamt getauscht. Wojciech Czaja war zu Besuch und ließ sich von den vorbeifahrenden Stromabnehmern verzaubern.

"Mein Atelier befindet sich in einer alten Fabrikhalle in Gars am Kamp, mit einem riesengroßen Freiraum, einer Halbinsel im Fluss. Die Wohnung hier in Wien ist mehr ein Kontemplationsraum, eine Art mentales Lager für uns. Das ist ein Loft mitten im siebten Bezirk. Man könnte eigentlich Arbeitswohnung dazu sagen. Das trifft's besser. Und auf jeden Fall ist das ein Ort, auf den wir uns immer wieder freuen, wenn wir von unseren Reisen zurückkommen.

"Diese Sitzbank ist ziemlich unbequem, mehr eine Art Ablage für Bücher als für Menschen." Franziska und Lois Weinberger auf ihrer Alibi-Couch. (Foto: Lisi Specht)
Foto: Lisi Specht

Die Fläche beträgt 140 Quadratmeter, und das ist nicht wenig, trotzdem wirkt das Loft viel größer. Der Luxus ist nämlich nicht die Fläche, sondern die Höhe. Die Raumhöhe liegt bei vier Metern. Das Haus wurde 1912 von einem Baumeister errichtet. Früher war das ein Bekleidungsgeschäft für Kinder, mitsamt Produktionsbetrieb und Kinderwagenfabrik. Ein Freund von uns hat uns alte Schwarz-Weiß-Fotos von damals aus dem Archiv der Angewandten ausgehoben. Da ist noch das alte Portal zu sehen. Und wie hat der Fabrikant geheißen? Weinberger! Was für ein schöner Zufall.

Jeder, der hier wohnt, Künstler, Architekten, Schriftsteller und so weiter, schätzt dieses Haus und behandelt es mit viel Respekt. Wir wohnen also unter Gleichgesinnten. Früher haben wir in einem Fabrikgebäude an der Alten Donau gewohnt. Ich habe dort meinen ersten Garten, das sogenannte 1aGebiet, angelegt. Irgendwann aber hatten wir genug von der Peripherie. Wir wollten wieder rein in die Stadt.

1999 sind wir dann auf diese Wohnung gestoßen. Das Haus war generalsaniert, doch hinter der Wohnungstür sah es zum Fürchten aus. Also ließen wir die alten Zwischenwände rausreißen, ließen Heizung, Strom und Sanitär installieren und haben den gesamten Boden abgeflämmt. Siehe da: Unter dem hässlichen Plastikboden aus den Sechzigerjahren kam ein gut erhaltener Parkettboden zum Vorschein. Wir sind beide gerne in historischen Gebäuden, sozusagen unschuldig an der ganzen Wohnsituation. Ich komme ja von einem 500 Jahre alten Bauernhof, und meine Frau Franziska ist im Tiroler Landesmuseum aufgewachsen. Ihr Vater war Maler und Kustos und hatte dort eine Dienstwohnung.

Es ist so: Wir wollen uns nicht ums Wohnen kümmern, wir wollen uns nicht mit Einrichtung und Wohndesign beschäftigen. Das ist einfach nur lästig. Trotzdem muss alles stimmig sein. Ich glaube, wir haben noch nie ein Möbelstück auf klassische Weise in einem Geschäft erstanden. Als Tisch dient eine Schalungsplatte von der Baustelle. Doch das meiste ist im Laufe der Zeit zusammengekommen, vor allem durch Kunsttausch wie etwa der rosafarbene Berberteppich. Auch die Couch war ein Tauschgeschäft, in diesem Fall mit dem Tischler. Er wollte eine Arbeit von mir haben, dafür hat er mir diese Sitzbank gebaut. Sie sieht unbequem aus, und sie ist es auch. Eigentlich ist das nur eine Alibi-Couch, mehr eine Ablage für Bücher als für Menschen. Wir sitzen hier nur, wenn wir grad fotografiert werden.

Was noch sehr schön ist, ist der Ausblick hinaus nach Süden, direkt auf ein altes Kloster. Wir sind im ersten Stock, und genau vorm Fenster sieht man die Stromabnehmer der Straßenbahnen vorbeigleiten. Das ist wie ein wunderschöner, inspirierender Kurzfilm, der alle paar Minuten läuft.

Einen Wunsch für die Zukunft haben wir eigentlich nicht. Möglichkeiten gibt es viele. Die Wohnung hier in Wien ist insofern gut, als sie eine finanzielle Absicherung ist. Wer weiß, vielleicht verkaufen wir sie eines Tages und ziehen dann ganz hinaus aufs Land, nach Gars am Kamp oder wohin auch immer. Oder wir ziehen nach Berlin. Veränderungen sind wichtig." (DER STANDARD, 11./12.5.2013)