Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou wohnt in einer Mietwohnung am Stadtrand. Warum man sie eines Tages in einer 60-Quadratmeter-Schachtel finden könnte, erzählte sie Wojciech Czaja.

"Ich wohne in einem Palast in einem Nobelbezirk. Ich fahre einen Mercedes, einen BMW und einen Porsche, bloß Ferrari hatte ich noch keinen, ich bin gar keine Radfahrerin, denn ich tu nur so, und der Chauffeur kutschiert meine kleine Tochter – Klammer auf, ich habe keine Kinder, Klammer zu – täglich zur Schule. So sieht mein Leben als Vizebürgermeisterin aus, wenn man den Gerüchten, die über mich kursieren, Glauben schenkt. Was soll's. Als Politikerin gewöhnt man sich an Rufmord und Dirty Campaigning. Das gehört dazu.

"Freundliche Innenausstatter würden von Eklektizismus sprechen. Doch es ist einfach nur ein Sammelsurium." Maria Vassilakou mit Hund und Zukunftsträumen.
Foto: Lisi Specht

Tatsächlich wohnen wir schon seit über 15 Jahren in einer 89 Quadratmeter großen Mietwohnung nicht weit vom Wienerwald. Wir, das sind mein Mann Bernd und ich. Die Wohnung ist wie gemacht für uns. Sie hat drei Zimmer auf zwei Ebenen sowie einen Gartenzugang im Erdgeschoß. Man fühlt sich hier also sehr geerdet. Am meisten gefällt mir, dass jedes Zimmer anders ausschaut. Ein freundlicher Innenausstatter würde vielleicht von Eklektizismus sprechen. Doch wenn man ehrlich ist, dann sagt man einfach Sammelsurium oder Abstellraum dazu. Es ist alles da, von Bauernstube bis Möbelkaufhaus. Ich mag das. Aber ich wundere mich jeden Tag aufs Neue, dass das alles noch einigermaßen okay aussieht und von Außenstehenden nicht sofort als Manifestation fortgeschrittener Geschmacksverwirrung wahrgenommen wird.

Das Haus stammt aus dem Jahr 1870 und könnte schon eine Sockelsanierung vertragen. Es gibt keinen Keller, und im Winter zieht es vom Boden kalt hinauf. Die Küche könnte ein kleines Facelifting vertragen. Ausmisten und Umbauen wäre auch nicht schlecht. Nach 15 Jahren sammelt sich ziemlich viel Graffel an. Aber wir lieben die Wohnung, weil sie gemütlich ist. Das ist ein Ort, an dem ich mich regenerieren kann, an dem ich wieder meine Batterien aufladen kann.

Wir heizen, so wie auch unsere Nachbarn, mit Gas. Natürlich würde mein grünes Herz lieber für eine andere Heizung schlagen, aber dazu müssten wir ausziehen. Einen Fernwärme-Anschluss gibt es nicht. Und einen Pellets-Ofen können wir hier auch nicht einbauen, denn dazu bräuchten wir erst einmal einen Kamin. Und den gibt es auch nicht.

Wie man aus Medien weiß, beobachte ich die Mietpreisentwicklung in Wien mit großer Sorge. Die Boden- und Althausspekulationen nehmen zu, den Investoren und Bauträgern werden Fantasierenditen versprochen, und somit steigen auch die Mieten in fantastische Sphären. Das Problem ist, dass Vermieter heute so viele Zuschläge geben können, wie sie wollen. Mieten um die 14, 15 Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit mehr. Bitte, wer soll sich das noch leisten können? Außerdem wohnen immer mehr Menschen in befristeter Miete. Es kann nicht sein, dass man alle paar Jahre die Koffer packen muss. Das muss sich ändern.

Wenn nichts Dramatisches passiert, dann werden wir hier bleiben. Ich strebe kein Eigentum an. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die glauben, in eine eigene Wohnung investieren zu müssen, gerade jetzt, wo die Kaufpreise so galaktisch davongaloppieren. Einen inneren, lang gehegten Traum für die Zukunft gibt es aber. Ich bin eine Anhängerin von kompakten Grundrissen und von schlichten, einfachen Formen. Außerdem finde ich temporäre Architektur sehr faszinierend. Es ist also durchaus möglich, dass man uns eines Tages in einer temporären 60-Quadratmeter-Schachtel findet, die irgendwo in einem verwilderten Garten herumsteht. Oder auf dem begrünten Dach einer alten Manufaktur. Ja, ich weiß, meine Wünsche sind, weiß Gott, nicht repräsentativ! Bin schon gespannt auf die Postings." (DER STANDARD, 15./16.6.2013)