Heliogravur des "Bildnis Gertrud Loew (Felsövanyi)": 1902 malte Gustav Klimt das hinreißende Gemälde der damals 19-jährigen Tochter des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew. 1914 – noch zu Lebzeiten Klimts – publizierte sein Galerist Miethke in "Das Werk Gustav Klimts" dieses Porträt.

Foto: Belvedere

Gustav Ucicky starb im April 1961 und vererbte seiner dritten Ehefrau Ursula u.a. die Klimt-Kollektion. Im zugehörigen Nachlassakt befand sich ein Schätzgutachten zur Sammlung (Oktober 1961), das bereits 1999 von Hubertus Czernin ("Die Fälschung – Der Fall Bloch Bauer und das Werk Gustav Klimts", Band 2) publiziert wurde.

Foto: Faksimile Czernin Vlg. / Detail

Im Wohnzimmer des Herrn Regisseurs: Im März 1957 erschien in der Zeitschrift "Alte und moderne Kunst" ein Artikel zur "größten Privatsammlung von Werken Gustav Klimts". Illustriert war der Artikel u. a. mit dieser Ansicht der "Leseecke". Rechts das als "Poträt einer Dame" bezeichnete Bildnis Felsövany. Autorin des Artikels war übrigens Gustav Ucickys dritte Ehefrau, die nunmehr 91-jährige Gründerin der Klimt-Foundation.

Foto: Faksimile „Alte und moderne Kunst“ 1957 / Detail

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Das Sanatorium Anton Loew – hier auf einer "gelaufenen" Ansichtskarte – war ehemals das größte Wiener Privatkrankenhaus. Nach dem Tod ihres Vaters (1907) wurde seine Tochter Gertrud Hauptaktionärin und leitende Präsidentin. 1938 wurde es von den Nationalsozialisten geschlossen.

Foto: Archiv

"Bis heute hat sich kein Kunsthistoriker, auch kein Klimt-Experte, je der Aufgabe unterzogen, den Beutezug des Gustav Ucicky durch das 'arisierte' Wien zu rekonstruieren", schrieb Hubertus Czernin in seinem 1999 zum Fall Bloch-Bauer erschienenen Buch (Die Fälschung, Band II). Diese Anmerkung hat nichts, aber auch gar nichts an Aktualität eingebüßt. Private Kunstsammler, die während des nationalsozialistischen Regimes von den organisierten Raubzügen mindestens ebenso profitierten wie Museen, spielen in der Forschung genau genommen keine Rolle. Sie blieben zumeist anonym, verstarben und vererbten ihre Beute längst weiter.

Selbst wenn sich bei Nachfahren das eine oder andere "belastete" Kunstwerk fände – eine gesetzliche Verpflichtung zur Restitution an die Erben jüdischer Sammler gibt es nicht. Weder für Privatpersonen noch für Privatstiftungen. Ein bequemes Ruhekissen: nicht für alle, aber für viele. Manche sind ahnungslos, andere geben sich so.

In den Mittelpunkt des Interesses rückte diese Problematik jüngst über die von der Witwe Ucickys gegründete "Gustav Klimt - Wien 1900 Privatstiftung", kurz Klimt-Foundation, in der sich zumindest ein Kunstwerk mit überaus problematischer Herkunft befindet.

"... mit unermüdlicher Zähigkeit ..."

Gustav Ucicky, ein unehelicher Sohn Gustav Klimts? Belege, etwa schriftliche Beweise, sind dafür bislang nicht bekannt. Eine Kunstsammlung, über die indirekt eine Vater-Sohn-Beziehung rekonstruiert werden sollte? Vielleicht. Und beruflich, als führender Filmregisseur der NS-Zeit? Ein klassischer Mitläufer, erklärte seine Witwe jüngst (Falter, 40/2013). Gesichert ist, dass Ucicky nach Kriegsende für Heimkehr (1941), den "schlimmsten Propagandaspielfilm der Nazis" (Elfriede Jelinek), einige Zeit mit Arbeitsverbot belegt worden war. Gewiss bescherte ihm seine Karriere jene finanziellen Mittel, die er für den Aufbau einer Klimt-Sammlung benötigte, deren Rekonstruktion rückwirkend einiges an Recherche bedarf.

Ob Ucicky nur Gelegenheiten zum Ankauf nutzte oder systematisch vorging, lässt sich kaum feststellen. Eine Anregung dürfte die von privaten Leihgebern bestückte Klimt-Gedächtnisausstellung im Jahr 1928 gewesen sein: Fünf der schließlich neun Ölgemälde umfassenden Kollektion waren damals in der Secession ausgestellt.

Zu den aufschlussreicheren Dokumenten gehört ein im März 1957 (in Alte und moderne Kunst) publizierter Artikel, der Einblick in die "reichste Privatsammlung, die es derzeit von Werken Klimts gibt" gewährte. Als Autorin dieser Homestory entlarvte der Falter übrigens niemand Geringeren als die dritte Ehefrau des Connaisseurs – Ursula Kohn, verehelichte Ucicky.

Nichts sei "dem bekannten Filmregisseur" geschenkt oder vererbt worden, schrieb sie dort, "mit unermüdlicher Zähigkeit" habe "Ucicky im Laufe vieler Jahre auf Kunstauktionen im In- und Ausland die Bilder seines Vaters erworben", "neun Ölgemälde und 18 gerahmte Skizzen" insgesamt. Auf den begleitenden Innenaufnahmen lassen sich neben allerlei Antiquitäten sechs der genannten neun Gemälde identifizieren.

Über deren Provenienz finden sich freilich keine Angaben in dem Bericht. Dazu gilt es Fachliteratur, sowohl klassische (Klimt-Werkverzeichnisse) als auch einschlägige (Hubertus Czernin, Sophie Lillie: Was einmal war – Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, 2003), oder Beschlüsse der Kommission für Provenienzforschung zu studieren. Und die dort verteilten "Puzzlesteine" zeichnen ein recht eindeutiges Bild.

Weihnachtsgabe 1942: Bloch-Bauers "Schloss Kammer"

Da wäre etwa Schloss Kammer am Attersee III (1910), das 1957 über einer "farbig bemalten Bauerntruhe" hing. Tatsächlich war es damals nicht mehr Ucickys Eigentum, sondern eine Leihgabe des Belvedere. Über eine Widmung von "Adele und Ferdinand Bloch-Bauer" war es im November 1936 in den Bestand der Österreichischen Galerie gekommen. Der mit der Liquidation der Sammlung des jüdischen Zuckerindustriellen beauftragte Rechtsanwalt Erich Führer hatte es im Oktober 1941 jedoch gegen zwei andere Werke (Adele Bloch-Bauer I, Apfelbaum I) getauscht.

Für 6000 RM wechselte es in die Ucicky-Kollektion: zu Weihnachten 1942, als Geschenk seiner damaligen Frau Inge, gab der Regisseur später zu Protokoll. Im Zuge der Rückstellungsbegehren der Erben nach Bloch-Bauer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg forderte die Österreichische Galerie Ucicky zur Rückgabe auf. Er verweigerte. Erst eine drohende Rückstellungsklage führte zum Kompromiss, genauer zu einem Vergleich: Das Museum überließ ihm das Bild auf Lebensdauer. Ergänzend musste sich Ucicky verpflichten, "drei in seinem Eigentum stehenden Bilder Gustav Klimts als Schenkung auf den Todesfall der Österreichischen Galerie zu widmen". Mit ehrenhaftem Mäzenatentum hat das wenig zu tun.

Restituierte Ucicky-Widmungen

Der Rückstellungsvergleich datiert vom 21. April 1949, der Stempel des Finanzamtes vom 26. April, auf den Tag genau zwölf Jahre später verstarb Ucicky während Dreharbeiten in Hamburg. Vier der neun Ölgemälde kamen folglich ins Belvedere. Schloss Kammer ist die einzige noch im Belvedere-Bestand verbliebene "Widmung", die anderen drei Werke mussten zwischenzeitlich restituiert werden:

2004 das Bildnis einer Dame an die Erben nach Bernhard Altmann: Die von der Gestapo beschlagnahmte Sammlung war in einer mehrtätigen Dorotheum-Auktion im Juni 1938 versteigert worden, und so wechselte das genannte Gemälde in den Besitz Ucickys.

2001 Der Apfelbaum II (1916) an die Erben nach Nora Stiasny: die später nach Izbiza deportierte Tochter Otto Zuckerkandls hatte das Gemälde Philipp Häusler – damals kommissarischer Leiter der Kunstgewerbeschule – zur Aufbewahrung überlassen, der es jedoch an Ucicky verkaufte.

Die Herzig-Connection

Ebenfalls 2001 Bauernhaus mit Birken (1900) an die Erben nach Georg und Hermine Lasus: Die durch die Verfolgung der nationalsozialistischen Machthaber schwer in Bedrängnis geratene Familie verkaufte das Gemälde im November 1939 an die Galerie St. Lucas. Laut dem Beschluss der Kommission für Provenienzforschung (November 2000) sei die "direkte Erwerbung des Bildes durch Ucicky aus der Galerie St. Lucas quellenmäßig nicht nachweisbar".

Jedoch ist sie wahrscheinlich. Robert Herzig, der die Galerie 1938 von seinem Vater übernommen hatte, und Gustav Ucicky waren vermutlich sogar miteinander befreundet. Die Wochenendrefugien der beiden Familien im niederösterreichischen Raach lagen – und liegen – nur wenige Gehminuten voneinander entfernt.

Und es war Robert Herzig, der Klimts – vom Finanzamt in der Wohnung Jenny Steiners gepfändete – Wasserschlangen II im März 1940 für 3000 RM im Auftrag Ucickys im Dorotheum ersteigerte, wie ein aktuelles Gutachten belegt.

"Er hat mitunter unkritisch eingekauft..."

Über einen von Sotheby’s vermittelten Privatverkauf wanderte das prachtvolle Klimt-Gemälde im Juli dieses Jahres nach Doha (Katar) ab, wie vor kurzem bekannt wurde. Die daraus lukrierten 112 Millionen Dollar teilen sich je zur Hälfte die Erben nach Steiner und Ursula Ucicky. Für die Erben nach Steiner soll bei dieser Einigung jedoch noch ein anderer Aspekt eine ganz wesentliche Rolle gespielt haben: konkret die offene Causa des Porträts Felsövanyi, um die sich Ursula Ucicky bemühen wollte. Wiewohl deren 56-Millionen-Dollar-Anteil eine zügige Einigung mit dem bald 99-jährigen Sohn von Gertrud Loew (Felsövanyi) finanziell ermöglicht hätte – es blieb bei der Theorie. In der Praxis entledigte sich die 91-jährige Witwe des Problems mit der Gründung der Klimt-Foundation, in deren Besitz das Gemälde nun ist.

Dort hat Peter Weinhäupl als Stiftungsvorstandsvorsitzender auf Lebenszeit die "Verantwortung hinsichtlich Provenienzforschung und sich daraus möglicherweise ableitenden weiteren Schritten". Als langjähriger Manager im Leopold-Museum, erklärte seine PR-Agentur, würde er hier seine Erfahrungen einbringen. Betroffene Erbengemeinschaften müssen diesen Hinweis wohl eher als Drohung empfinden. Zur Sammlungstätigkeit Gustav Ucickys merkte er an: "Er hat mitunter unkritisch eingekauft" (Falter). Angesichts vorliegender Fakten eine mehr als verunglückte Formulierung.

Verschwundene Sammlung Felsövanyi

Das Bildnis Gertrud Loew (Felsövanyi) also: Klimt malte das Porträt der 19-jährigen Tochter des Sanatoriumsbesitzers Anton Loew 1902. "Die duftigste Lyrik, deren die Palette fähig ist" (Kunstkritiker Ludwig Hevesi, 1903), "einzigartiges malerisches Raffinement" (Tobias Natter, Museologischer Direktor Leopold Museum), "schlicht hinreißend" (Alfred Weidinger, Vizedirektor Belvedere): Selten herrschte bei Klimt-Experten derart Einigkeit. Für ihren Sohn Anton (Anthony) war es das Bildnis seiner Mutter.

Im Juni 1938 sah er es auf einer Staffelei im Salon ihres Palais in der Pelinkagasse (9. Bezirk), kurz vor seiner Flucht in die USA, ein letztes Mal. So wie den Rest der Kunstsammlung, deren Wert in der Vermögensanmeldung mit knapp 30.000 RM für "Bilder" sowie etwas mehr als 18.000 RM für Antiquitäten und Gobelins beziffert wurde.

Die beiden jüngeren Geschwister Maria und Franz flüchteten nach Belgien, wohin ihnen Gertrud Felsövanyi im April 1939 folgte, später emigrierte sie in die USA. Mit der Verwaltung des zurückgelassenen Vermögens hatte sie eine Bekannte betraut: eine gewisse Anna Seitle, die, wie man mittlerweile weiß, in dubiose Geschäfte verwickelt war und Felsövanyis Kunstsammlung zu ihren eigenen Gunsten veräußert haben dürfte. Bevorzugt über die Galerie Wolfrum, vermutlich aber auch über andere Kanäle.

Wie Gustav Ucicky an das Gemälde kam, das 1928 in der Secession (mit Eigentümerangabe) ausgestellt war, ist unbekannt. Gesichert ist, dass es der Regisseur 1942 bereits sein Eigen nannte, wie Akten im Belvedere-Archiv belegen: zwei Listen, die dem damaligen Direktor Bruno Grimschitz zur Vorbereitung der Klimt-Retrospektive in der Secession (Februar-März 1943) dienten. Auf beiden scheint Ucicky als Besitzer auf. Grimschitz wählte aus dem Fundus des Regisseurs schließlich nur die Wasserschlangen II und Schloss Kammer.

Rückkaufangebot 1964

Jahrelang schmückte das "Porträt einer Dame" die Leseecke in Ucickys Wohnzimmer. Dann starb der Regisseur, und seine Witwe erbte die Sammlung, gemäß einem vom Oktober 1961 datierten Schätzgutachten im Wert von insgesamt 348.000 Schilling. Dazu gehörten abgesehen von den bereits erwähnten Werken sowie Zeichnungen und Antiquitäten auch die nun Anfang September in die Privatstiftung übersiedelten Gemälde: Freundinnen I (1907), ein weiblicher Studienkopf (1897/98), die seit 1963 als Leihgabe im Belvedere weilende Braut (1917/18) – und das in diesem Dokument als Bildnis Frau Felsovany bezeichnete Werk. Den Wert hatte der Gutachter übrigens auf 50.000 Schilling taxiert, die Wasserschlangen II auf das Doppelte.

Im März 1964 verstarb Gertrud Felsövanyi in Kalifornien. Im gleichen Jahr genoss ihr Jugendporträt im Zuge der Ausstellung Wien um 1900 das allerletzte Bad in der Öffentlichkeit. Seither verweigerte Ursula Ucicky allfällige Leihansuchen. Laut Anthony Felsovanyi wurde ihm das Gemälde ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Mutter zum Kauf angeboten. Offenbar war Ursula Ucicky bereit, sich von dem Bildnis zu trennen, wiewohl die Motive dafür nicht bekannt sind. 19.000 Dollar, erinnert sich Felsovanyi, waren ein Vermögen, über das er nicht verfügte. Zum damaligen Wechselkurs umgerechnet belief sich die Forderung auf stattliche 490.000 Schilling und damit ein Vielfaches des drei Jahre zuvor taxierten Wertes.

Vertrag mit Sotheby's

Jahre vergingen. Um 2007 traf er schließlich mit Sotheby's eine vertragliche Vereinbarung, wonach man ihn dabei unterstützen würde, das Bildnis seiner Mutter zurückzubekommen. Im Zuge eines Gesprächs soll der Wert des Gemäldes mit 70, eher 100 Millionen Dollar beziffert worden sein. Auf STANDARD-Anfrage erklärt Sotheby's dazu, "niemals eine Schätzung des Gemäldes für Dr. Felsovanyi" durchgeführt zu haben.

Man kann nur erahnen, was der 99-Jährige empfunden haben muss, als er am 24. September von der Gründung der Klimt-Foundation, dem neuen Eigentümer des Bildes, und dem von Sotheby’s vermittelten 112-Millionen-Dollar-Deal erfuhr. Und auch, dass die neuen Verantwortlichen nun nach Beweisen für die Entziehung forschen lassen, die er als Überlebender bezeugen könnte, wenn die Indizien schon nicht ausreichten.

Laut Stiftungsanwalt Andreas Nödl sollten in etwa sechs Wochen, spätestens Ende des Jahres Ergebnisse vorliegen. Zeit, die Anthony Stephen Felsovanyi nicht mehr vergönnt war. Der einzige Augenzeuge verstarb vor wenigen Tagen. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 19./20.10.2013)