Anlässlich der Gründung der "Gustav Klimt/Wien 1900" Privatstiftung wurden einige Kunstwerke aus dem Kernbestand präsentiert. Darunter diese um 1898 entstandene Zeichnung "Mädchenkopf im Profil nach links" (Werkverzeichnis, Alice Strobl: Nr. 431) ...

Foto: Klimt-Foundation

... sowie dieses "Damenbrustbild von vorne" (1897/98; Wvz. Nr. 3318). Beide Zeichnungen wurden - neben zwei anderen (Wvz. Nr. 395 + 396) im Rahmen der Eröffnung des "Gustav Klimt Zentrums" (Kammer/Attersee) in einer Ausstellung präsentiert.

Foto: Klimt-Foundation

Ursprünglich umfasste das Ensemble insgesamt sechs Frauenportraits (Brustbilder), die friesartig das Schlafzimmer von Gerta Loew (Felsövanyi) zierten. In der Zeitschrift "Dekorative Kunst" war 1904 ein umfangreicher Artikel zur Wohnungsausstattung erschienen. In einer Detailaufnahme sind zwei Klimt-Zeichnungen erkennbar.

Foto: MAK, Dekorative Kunst, Repro

Bis zu ihrer Flucht 1939 war diese 6-teilige Gruppe von Klimt-Zeichnungen im Besitz Gerta Felsövanyis. Wie der NS-Propagandafilmregisseur Gustav Ucicky in den Besitz dieser Blätter kam ist unbekannt. In einer Publikation aus dem Jahr 1942 wurde dieser "Frauenkopf im Profil nach rechts" (Wvz.Nr. 395) mit Besitzerangabe ("Gustav Ucicky") abgebildet ...

Foto: Repro/Emil Pirchan, 1942

... ebenso das "Brustbild im Profil nach links" (Wvz. Nr. 396). Auch diese beiden Blätter dürften zum Bestand der von Witwe Ursula Ucicky gegründeten Foundation gehören und wurden im Sommer 2012 in der Ausstellung am Attersee gezeigt.

Foto: Repro/Emil Pirchan, 1942

Bis 2012 war die Schätzliste aus dem Nachlassakt Gustav Ucickys von 1961 die vorerst letzte Spur des Ensembles: Vier der hier unter "6 Handzeichnungen, teilw. Farbkreide" verzeichneten Blätter schmückten als vergilbtes Quartett die Ausstellungswand.

Foto: Repro/Hubertus Czernin ("Die Fälschung", Band II)

Für Kammer am Attersee war es fraglos das Ereignis des Jahres: Anlässlich des 150. Geburtstages von Gustav Klimt war sogar ein ministerielles Trio zur Eröffnung des aus öffentlichen und privaten Mitteln finanzierten Gustav-Klimt-Zentrums gepilgert. Maria Fekter gab sich ebenso die Ehre wie Reinhold Mitterlehner und Alois Stöger. Neben lokaler Prominenz fehlten weder Landeshauptmann Josef Pühringer noch die Führungsspitze des institutionellen "Partners": Elisabeth Leopold nebst Sohn Diethard, Stiftungsvorstand Helmut Moser und sein Stab. Die für ein neues "Schaufenster" des Leopold-Museums angemessene Entourage also.

Tobias Natter, der museologische Mastermind, glänzte durch Abwesenheit. Es war nicht sein Projekt, sondern das seines kaufmännischen Kollegen. Darum genossen Peter Weinhäupl, in den Presseunterlagen als "Direktor des Leopold-Museums" tituliert, und Lebensgefährtin Sandra Tretter, damals noch Kuratorin ebendort, die Anerkennung für ihre monatelange Arbeit. Der druckfrische Katalog (Sommerfrische am Attersee, Brandstätter-Verlag) des Autorenduos lag stapelweise bereit, das Video (Sehnsucht nach dort) unter der Regie Weinhäupls (Buch: Tretter/Weinhäupl) gefiel.

Ebenso die Eröffnungsausstellung, eine Weinhäupl-Tretter-Kooperation auch diese, bestückt aus Beständen des Museums sowie aus Privatsammlungen. 20 der rund 30 gezeigten Zeichnungen, informierte das Kuratorenduo, seien niemals zuvor öffentlich gezeigt worden. Ein gebührender Auftakt, ganz wie es sich für die Weinhäupl-Vision einer "Anlaufstelle für Klimt-Forscher aus aller Welt" geziemt.

Im März 2003 hatte der gebürtige Vöcklabrucker die kaufmännische Direktion am Leopold-Museum übernommen. Eine Funktion, die ihm als Gründungs- und Vorstandsmitglied des "Gustav Klimt Vereins", der sich mit Konzepten für eine touristische Vermarktung des Malers am Attersee beschäftigt, bei der Realisierung durchaus dienlich war. Kurz, die Idylle schien perfekt.

Blutsbrüderschaft

Eine Gründung der "Gustav Klimt / Wien 1900"-Stiftung und einen Rücktritt Tobias Natters später ist vieles, aber längst nicht alles anders. Der international renommierte Kunsthistoriker wollte sich weder mit braunen Schatten noch mit der Doppelfunktion Weinhäupls als kaufmännischem Co-Direktor und als Vorstand der Klimt-Ucicky-Foundation (auf Lebenszeit) anfreunden.

"Ungünstige Optik", pflichtete der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (Kurier, 5. 11.) Kritikern bei. Am Montag segnete der Vorstand des Leopold-Museums diese Doppelfunktion endgültig ab, die neue museologische Leitung (Franz Smola) ist nur eine der Konsequenzen.

Den Anfang hatte das Schlamassel, von Elisabeth Leopold auch als Scherbenhaufen bezeichnet, ja bereits im Sommer 2012 genommen. Die Trockenübung inhaltlicher und personeller Verflechtung zwischen den beiden Privatstiftungen war längst absolviert, fand der Standard jetzt heraus. "Ich lehne es ab, damit in Verbindung gebracht zu werden" (23. 10.), ließ sie zuerst verlauten, diese Woche schloss sie mit "Weinhäupele Blutsbrüderschaft" (6. 11., Falter 45/2013).

Rückblende: Auf Youtube abrufbare Filmchen dokumentieren das einstige Attersee-Brimborium. Etwa auch ein Seitenblicke-Zweiminüter, in dem eine gewisse Ursula Engelmann ("Regieassistentin") zur zeitgleich eröffneten Ausstellung des Fotografen Erich Lessing zu Wort kam. Tatsächlich handelte es sich dabei um die 91-jährige Ursula Ucicky, getarnt unter dem Mädchennamen ihrer Mutter. Seltsam.

14 Monate später überließ die großzügige Stifterin Weinhäupl, dessen Bruder und Tretter - nebst einem zweistelligen Millionenvermögen aus dem Verkauf der Wasserschlangen II - den von Experten auf bis zu 200 Millionen Euro taxierten Rest der Kollektion ihres Mannes: des NS-Propagandafilmregisseurs und angeblichen unehelichen Klimt-Sohns Gustav Ucicky, der als Sammler von den organisierten Beutezügen der Nazis profitierte (siehe der Standard, 19. 10.: Duftigste Lyrik in der Leseecke). "Nutznießer dieser Stiftung", reagierte man auf entsprechende Berichterstattung, sei "die österreichische Öffentlichkeit", Provenienzforschung beauftragt.

Über Jahrzehnte hatte Ursula Ucicky etwaige Leihanfragen abgelehnt. Der 150. Geburtstag ihres "Schwiegervaters" brachte die Wende, wie Standard-Recherchen belegen. Drei der fünf im September von der Klimt-Foundation präsentierten Zeichnungen - gemäß Werkverzeichnis von Alice Strobl die Nummern 431, 2002 und 3318 - lassen sich über Fotografien der Ausstellung identifizieren. Im Besitz der Foundation befinden sich neben vier Ölgemälden offiziell insgesamt zehn Zeichnungen. Auf Anfrage wollte man keine Details zu den anderen fünf Arbeiten nennen, die noch nicht publiziert wurden.

Geschäftsführerin Sandra Tretter ersuchte um Geduld, bald würde der Kernbestand auf der Homepage veröffentlicht. Ein Spiel auf Zeit, um sich auf eine drohende Provenienzdebatte vorzubereiten? Gut möglich, wie ein Close-up verrät: auf jene Wand, die ein stark vergilbtes Quartett zierte.

Braune Zeichen an der Wand

Das Damenbrustbild von vorne, mit weißem Rüschenkragen (Strobl 3318) und Mädchenkopf im Profil nach links mit offenem Haar (Strobl 431), nunmehr im Fundus der Foundation. Die anderen beiden ("aus Privatbesitz") findet man im Werkverzeichnis: Frauenkopf im Profil nach rechts (Strobl 395) und Frauenkopf im Profil nach links (Strobl 396).

Eine stilistisch und motivisch kohärente Gruppe. Die vier Zeichnungen eint nicht nur das Format (jeweils ca. 40 mal 29 cm) und die Entstehungszeit um 1897/98, sondern auch die Provenienz.

Rückblick: 2007 fand im Leopold-Museum eine Ausstellung über Kolo Moser statt. Die Gesamtleitung oblag Weinhäupl, Tretter die Redaktion des Kataloges und wissenschaftliche Mitarbeit. Co-Kurator Gerd Pichler machte damals ein wichtiges Forschungsergebnis öffentlich: 1904 war in der Zeitschrift Dekorative Kunst von Berta Zuckerkandl unter dem Titel Wohnung für ein junges Paar ein Beitrag zur prunkvollen Ausgestaltung nach Entwürfen Mosers publiziert worden.

Pichler identifizierte das "anonymisierte" Apartment als jenes des Ehepaares Hans von Eisler-Terramare und seiner Ehefrau Gerta, geborene Loew und spätere Felsövanyi. In der 16-seitigen Abhandlung erwähnte Zuckerkandl sechs Klimt-Zeichnungen, die Moser als raumgestaltendes Mittel friesartig an den Wänden des Schlafzimmers verteilt hatte.

Auf einem der begleitenden Fotos sind zwei Blätter erkennbar: die 2012 am Attersee gezeigten Strobl-Nummern 395 und 396.

Sie dürften vermutlich genauso im Inventar der Foundation sein wie die zu dieser Serie gehörenden Nummern 431 und 3318. Zur Komplettierung des Ensembles fehlen somit zwei Blätter, deren Verbleib vorerst unbekannt ist.

Eventuell handelt es sich dabei um das in der Literatur berücksichtigte Damenbrustbild nach rechts (Strobl 3319, "Privatbesitz, Wien") und ein womöglich noch unbekanntes Porträt.

1928 hatte dieses den modernen Frauentypus repräsentierende Sextett anlässlich der Klimt-Gedächtnisausstellung in der Secession seinen wohl letzten öffentlichen Auftritt. Als Leihgeberin fungierte Gerta Felsövanyi, wie Provenienzforscherin Sophie Lillie belegen kann.

Über wen Gustav Ucicky nach Gerta Felsövanyis Flucht 1939 in den Besitz dieser Zeichnungen kam, ist nicht bekannt, ein En-bloc-Ankauf jedoch plausibel.

Er konnte es sich leisten: Allein im Jahr 1940, informierte eine versierte Leserin, belief sich sein Einkommen auf 112.032 RM, dazu kam (auf Vorschlag Goebbels) eine (steuerfreie) Hitler-Dotation von 60.000 RM. Zum Vergleich: Der Jahresverdienst eines Gauleiters betrug 30.000 RM.

Ucicky-Trojaner

1942 publizierte Emil Pirchan seine Klimt-Monografie, in der vier Werke aus der Sammlung des NS-Regisseurs abgebildet wurden. Darunter die jeweils als "schöne Wienerin" bezeichneten Damenporträts Strobl 395 und 396 - "Bes. Gustav Ucicky, Wien".

In der Neuauflage der Publikation 1956 fehlt die Besitzerangabe bereits. Kein Wunder, Ucicky wusste ja um die Brisanz und war in die Anonymität geflüchtet. Seine Witwe tat es ihm gleich.

Auf Basis vorliegender Fakten dürfte sich für die Felsövanyi-Erben damit die Verhandlungsposition mit der Foundation verändern. Theoretisch geht es jetzt um fünf, wenn nicht sogar sieben Klimt-Werke aus deren Fundus: sowohl um Zeichnungen als auch um das Gemälde Gertrud Loew (Felsövanyi), um das sich ihr Sohn Anthony nicht erst seit Juli 2012 bemühte.

Damals, als das Gustav-Klimt-Zentrum mit entsprechendem Pomp eröffnet und die Ausstellung von der gesamten Politprominenz beklatscht worden war.

Provenienzforschung, die gerade aus der Position des Leopold-Museums heraus eine Pflichtübung sein sollte, befand das vielbeschäftigte Kuratorenduo nicht für notwendig. Vielmehr hatte man im Beisein der Familie Leopold und des Vorstandes die Ucicky-Trojaner eingeschleust. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 9.11.2013)