David Roth (links) und Jakob Haupt stecken hinter dem deutschen Männermodeblog "Dandy Diary".

Foto: Dandy Diary

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Die Halbwertszeit von Modenschauen ist für gewöhnlich erschreckend niedrig. Auffallen ist zwar oberstes Gebot, aber: Möchte das nicht ohnehin jeder? Für das italienische Label Dolce & Gabbana kam ein Werbewunder kürzlich aus einer völlig überraschenden Richtung. Während der Mailänder Männershow stürmte ein Nacktflitzer auf den Laufsteg und rief, wie man es vom Fußball kennt: "Goal! Goal! Goal". Die Medien waren begeistert, der Skandal perfekt, das Nacktfoto war auf jeder Titelseite von Rom bis New York.

Ausgedacht hatten sich diese Störaktion zwei Berliner, die seit 2009 den Männermodeblog "Dandy Diary" betreiben. David Roth und Jakob Haupt wollten die Rollen einfach umdrehen: Die Marke Dolce & Gabbana hatte schon frühzeitig Blogger in die ersten Reihen ihrer Shows gesetzt, um mit ihnen Werbung zu machen, jetzt instrumentalisierten eben mal umgekehrt zwei Blogger das Label. Profitiert haben ohnehin beide Seiten davon. "Wir finden die Diskussion, ob Blogger von Labels instrumentalisiert werden, ein bisschen scheinheilig", sagt Jakob Haupt. "Es besteht eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Marken und Blogs, die man zwar verurteilen, aber sicher nicht abschaffen kann. Wir sagen es mal mit Adorno: Es gibt kein richtiges Bloggen im falschen."

Alles wirkt hier weichgespült

"Dandy Diary", Deutschlands coolster Modeblog, bringt etwas zurück, das man schon lange vermisst hat: den anarchischen Spaß, die selbstironische Inszenierung, die Liebe zur Exzentrik, das Wissen, dass Mode von starken Meinungen lebt. Viele Modeblogs sind zur langweiligen Produktwerbeplattformen verkommen, auf der die ewig gleichen Produkte gehypt werden. Kein Wunder, dass sich die 24-jährige Cecilia Doan aus Portland auf ihrer Tumblr-Seite "Shit Bloggers Wear" darüber lustig macht: Sie zeichnet all jene Modeobjekte, die auf den Blogs uniform rauf- und runtergebetet werden. Biederkeit regiert fast schon prototypisch in Deutschlands bekanntestem Frauenblog "Journelles". Alles wirkt hier weichgespült.

Die Jungs von "Dandy Diary" sind aus anderem Holz geschnitzt: Sie feiern in ihrer selbst produzieren "Look du Jour"-Serie die verpönten Outfits von Großstadttouristen, die sich kleiden, als ob sie den Mount Everest besteigen wollten; sie lieben Proll-Stil und freuen sich, dass in der aktuellen Kollektion des dänischen Labels Woodwood Taschen vorkommen, die Drogendealer verwenden. Und sie ätzen politisch völlig unkorrekt gegen Modelabels, die auf Nachhaltigkeit setzen. Ihr Motto: Mode ist schließlich dazu da, um darüber zu streiten. Es kann auch vorkommen, dass ein Markenprodukt gnadenlos verrissen wird, eine Tugend, die man in Blogs leider viel zu selten findet. Der Blog "Dandy Diary" setzt auf Meinung, die zwar nicht akademisch ausformuliert, dafür aber pointiert ist.

International gibt es schon länger innovative Männerblogs, mittlerweile boomen sie auch im deutschsprachigen Raum. Die meisten Männerblogs werden übrigens auch gern von Frauen gelesen: "Dandy Diary" hat laut Eigenaussage knapp 50 Prozent Klicks von weiblichen Modeinteressierten. Bleibt noch zu klären, was die beiden Fashion-Experten dem RONDO-Leser für Styling-Tipps in den Herbst mitgeben: "Wir raten absolut dazu, sich zu kleiden wie ein weißrussischer Olympionike. Cooler geht's aktuell nicht." (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 15.11.2013)