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Wenn tausende Menschen ihr Zuhause verlieren und Wasser- und Abwassersysteme zerstört sind, ist sicheres Trinkwasser knapp. "Unter solchen Voraussetzungen können Diarrhöe-Erkrankungen wie Cholera, Typhus oder Bakterienruhr Epidemien mit hohen Sterblichkeitsraten auslösen", warnt Rotkreuz-Mediziner Stefan Seebacher.

Foto: Reuters/JOHN JAVELLANA

Nach dem verheerenden Taifun auf den Philippinen kommt wie bei allen großen Katastrophen die Angst auf, von den vielen Leichname könnten Seuchen ausgehen. "Das ist ein Mythos. Um eine Infektionskrankheit übertragen zu können, muss der Tote bereits vor dem Tod infiziert gewesen sein, und selbst dann bleibt der Leichnam nur eine geringe Zeit infektiös. Denn Erreger infektiöser Krankheiten überleben nicht lange in den Toten", erklärt der Forensiker Stefan Prost.

Der Seuchen-Mythos hat Auswirkungen auf den Umgang mit Toten im Katastrophenfall. "Aus Angst vor der Seuchengefahr finden überhastete Massenbestattungen statt. Dabei werden oft die davor notwendigen Schritte nicht ausgeführt, um die Toten später identifizieren zu können", bedauert Prost.

Das wiederum kann gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung haben, allerdings psychischer und nicht körperlicher Natur. Denn ohne Bestattungsritual nimmt man Angehörigen und Freunden die Möglichkeit, Abschied zu nehmen. Trauern ist ein wichtiger Bestandteil, um mit solchen schrecklichen Ereignissen fertig zu werden. Nicht zu wissen, wo und ob ein geliebter Mensch begraben liegt, lässt quälende Ungewissheit zurück.

Seuchenherd Wasser

Bei einer Naturkatastrophe sterben die meisten Opfer an Verletzungen, das heißt, ihre Leichname sind frei von Infektionen. "Die Gefahr geht nach einer Naturkatastrophe von den Lebenden aus. Die Leichen sind natürlich erschreckend und furchtbar, aber für die Seuchenentwicklung sekundär", erläutert der Mediziner Stefan Seebacher, Gesundheitsexperte der Rotkreuz-Föderation.

Seuchen werden durch schlechte hygienische Bedingungen und verschmutztes Trinkwasser ausgelöst. Deshalb gehören die Versorgung der Betroffenen mit sauberem Trinkwasser und die Herstellung adäquater hygienischer Bedingungen zu den obersten Prioritäten der Rotkreuz-Katastrophenhelfer. 

Wenn auf einen Schlag tausende Menschen ihr Zuhause verlieren und Wasser- und Abwassersysteme zerstört sind, wie es nun nach dem Taifun Haiyan auf den Philippinen der Fall ist, ist sicheres Trinkwasser knapp. In Kombination mit schlechten hygienischen Bedingungen droht die nächste Katastrophe durch Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser und Nahrungsmittel übertragen werden. "Unter solchen Voraussetzungen können Diarrhöe-Erkrankungen wie Cholera, Typhus oder Bakterienruhr Epidemien mit hohen Sterblichkeitsraten auslösen", erklärt Stefan Seebacher.

Risikofaktor Ernährung

Zusätzlich bestimmen der Ernährungszustand der Bevölkerung und ihre Immunität gegen Krankheiten wie beispielsweise Masern das Risiko für den Ausbruch ansteckender Krankheiten. "Ein schlechter Ernährungszustand in der betroffenen Region führt zu häufigeren und längeren Episoden von Infektionen. Akute Atemwegsinfektionen, Masern oder Malaria können in unterernährten Bevölkerungsgruppen hohe Mortalität bedeuten", warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Eine weitere Gesundheitsgefahr liegt auch in der Unterbrechung von Impf- oder Behandlungsprogrammen gegen Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder HIV/Aids durch die Katastrophe. Demnach sollten die Identifikation der betroffenen Menschen und die Wiederaufnahme der Programme ebenfalls zu den priorisierten Aufgaben der medizinischen Nothilfe zählen. (Gabriela Poller-Hartig, derStandard.at, 13.11.2013)