Jakob, Laura, Claudia und Antony Colloredo-Mannsfeld vor Jahren bei der Delfintherapie.

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Eine ganz normale Familie. Claudia Colloredo-Mannsfeld über ihre Kinder: "Sie haben sich genauso verbündet, geliebt, gehasst und gegenseitig blöd gefunden wie andere Kinder auch."

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Beruflich steht die Landwirtschaft nicht mehr im Mittelpunkt. Neben den Eseln Bruno und Rosi gibt es aber immerhin noch zehn Schafe, zwei Hunde und fünf Katzen.

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derStandard.at: Sie verkaufen ganz spezielles Spielzeug für Kinder - mit und ohne Behinderungen. Wie wurden Sie Online-Spielzeughändler?

Antony Colloredo-Mannsfeld: Auf der laufenden Suche nach geeignetem Spiel- und Fördermaterial für unser ältestes Kind Jakob, der das Down-Syndrom hat, und unsere Tochter Laura erlebten wir, wie schwierig es ist, wertvolle Spielsachen zu finden. Schlechte Qualität, überhöhte Preise, unzumutbare Mindestbestellmengen, keine Beratung etc. waren an der Tagesordnung.

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Man kann wirklich sagen, dass der Anlass für die Gründung von "Land of Toys" tatsächlich Hilfe zur Selbsthilfe war. Unser Anliegen ist es, Menschen, die Wert auf gute Spiel- und Fördermaterialien legen, bei ihrer Suche kompetent und mit persönlicher Beratung und unserer gelebten Erfahrung zu unterstützen.

derStandard.at: Ab wann haben Sie gewusst, dass Ihr Sohn das Down-Syndrom hat?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Erst nach der Geburt. Wir zählten zu keiner Risikogruppe und entschieden uns zu diesem Zeitpunkt ganz bewusst gegen pränatale Diagnostik. Für uns stand fest: So wie unser Kind kommt, so kommt es. Das war auch bei unserem zweiten Kind, unserer Tochter Laura, so, und wir würden es heute genauso handhaben.

derStandard.at: Wie hat das Umfeld auf Jakob reagiert?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Das private Umfeld sehr positiv. Das medizinische Personal hingegen war da eher eine Katastrophe. Es fehlte an Information und Wissen - überaltertes Denken war leider noch vorhanden. Gott sei Dank gab es Selbsthilfegruppen, die uns mit den notwendigen Informationen halfen, aber auch mit viel Wärme vermittelten, dass das Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom ganz normal weitergeht. Das war im anfänglichen Schock eine große Hilfe.

derStandard.at: Also viel Ärger.

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Eher sehr viel Schmerz!

Antony Colloredo-Mannsfeld: Unmittelbar nach der Geburt ist es schon ein Schock. Weil es so anders ist als erwartet. Wir hatten keine Ahnung, was es bedeutet, ein Kind mit Down-Syndrom zu haben. Doch wir sahen an anderen Familien, dass es eine sehr große Bereicherung sein kann, ein eben "spezielles Kind" zu haben.

derStandard.at: Ich wollte gerade fragen, ob sich das Leben …

Claudia Colloredo-Mannsfeld: … ändert? Das tut es insofern, als man eine ganz andere Wahrnehmung für das Leben an sich bekommt. Es rücken Dinge in den Hintergrund, die sonst sehr wichtig sind, also etwa Äußerlichkeiten. Man lernt, wesentlich tiefer zu blicken. Natürlich ist es manchmal auch anstrengend. Es bedeutet mehr Aufwand für die Familie, weil spezielle Kinder eben stärker gefördert werden müssen.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Eigentlich ist das Leben ganz normal weitergegangen. Schwieriger wurde es, als die Themen Kindergarten, Schule und die Entscheidung Integration ja oder nein anstanden. Auch unwissende Fragen, etwa ob das Down-Syndrom ansteckend sei, schmerzten sehr.

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Das aber kam von den Eltern. Kinder haben keine Berührungsängste. Sie nehmen die anderen Kinder, wie sie sind, und spielen einfach drauflos.

derStandard.at: Was haben Sie vor der Geburt Ihres Sohnes gearbeitet?

Antony Colloredo-Mannsfeld: Nach meinem betriebswirtschaftlichen Studium arbeitete ich für den Demeter-Bund in Deutschland. Zu dieser Zeit wurden gerade die EU-Richtlinien für den biologischen Landbau entwickelt. Danach bewirtschafteten wir unseren Bauernhof im Vollerwerb. 100 ostfriesische Schafe wurden gemolken, Käse produziert. Die Landwirtschaft war immer ein Traum von mir - und ist es noch heute. Daher bearbeiten wir nach wie vor unsere Felder und den Wald, haben noch zehn Schafe, seit neuestem zwei Esel, zwei Hunde und fünf Katzen. Beruflich steht nun "Land of Toys" im Mittelpunkt.

derStandard.at: Ist das Leben auf dem Land mit einem behinderten Kind schwieriger als in der Stadt?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Im Ort bei uns habe ich nur positive Erfahrungen gemacht. Die kleinere Strukturierung vereinfacht vieles. Das Bild von Menschen mit Down-Syndrom hat sich aber in der Gesellschaft entwickelt, und Aussagen wie die eines alten Mannes "Unterm Hitler hätte es das nicht gegeben!" werden Gott sei Dank immer seltener.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Erlebnisse dieser Art haben fast alle Eltern von Kindern mit Down-Syndrom in der einen oder anderen Weise gehabt. Der Vorteil der Stadt ist sicher das engere Netz der Einrichtungen. Ist eine Volksschule unpassend, kann man eine andere finden.

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Wir stehen jetzt aber bereits an einem anderen Punkt: Was folgt auf die Schule? Es gibt kaum Jobs! Die Alternativen sind Tagesstätten.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Bei den Tagesstätten gibt es sehr unterschiedliche Qualitäten: von hervorragend bis zur reinen Aufbewahrung.

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Es ist doch für jeden Menschen wichtig, etwas Sinnvolles zu machen. Den vierhundertsten Fleckerlteppich zu weben, den niemand kauft, das ist Unsinn und nicht sinngebend. Furchtbar traurig ist, dass Betriebe lieber Pönalen zahlen, als einen Menschen mit Handicap aufzunehmen.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Das gilt auch für die öffentliche Hand. Jakob arbeitet jetzt bei uns mit.

derStandard.at: Wie sieht Schwester Laura die Familiensituation?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Laura ist 16. Für sie ist es selbstverständlich, dass ihr Bruder das Down-Syndrom hat. Er ist einfach ihr älterer Bruder. Sonst sind sie ganz normale Geschwister. Sie haben sich genauso verbündet, geliebt, gehasst und gegenseitig blöd gefunden wie andere Kinder auch.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Die große Gefahr ist, dass die Geschwisterkinder vernachlässigt werden. Dafür gibt es leider genügend Beispiele. Deshalb haben wir uns sehr bemüht, ausgewogen zu sein. Interessant ist auch: Laura schreibt zum Thema "Geschwisterkinder von Menschen mit Down-Syndrom" ihre Fachbereichsarbeit in der Schule. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass es zu diesem Thema kaum Literatur oder Arbeiten gibt.

derStandard.at: Zum Schluss zurück zum Spielzeug: Was unterscheidet gutes von schlechtem Spielzeug?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Ich nenne als Beispiel die Trommel. Gehen Sie in ein normales Geschäft, bekommen Sie Kindertrommeln, die nervtötend klingen und schnell reißen. Auf unsere Trommeln können Sie sogar draufsteigen, und der Urton wird nicht nur gehört, sondern auch körperlich wahrgenommen.

derStandard.at: Sie halten auch wenig von den Altersangaben bei Spielen?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Ja, weil sich jedes Kind anders entwickelt. Es gibt zweijährige Kinder, die können mit Sachen spielen, die für Vierjährige sind, und umgekehrt. Leider versucht unsere Gesellschaft alle Menschen gleichzumachen. Es gilt ein Kind an dem Entwicklungspunkt abzuholen, an dem es steht, und nicht nach Zahlen auf der Verpackung auszuwählen.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Bei Leuten, die sich nicht mit der tatsächlichen Entwicklung ihrer Kinder auseinandersetzen wollen, ist das natürlich schon ein Anhaltspunkt.

derStandard.at: Sie achten auf Ästhetik und pädagogischen Wert der Spielzeuge. Aber Lärmmaschinen aus Plastik gefallen Kindern schon sehr.

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Ja, leider. Denn die Kinder werden schon von klein auf darauf eingespielt.

Antony Colloredo-Mannsfeld: Qualität ist ein Sammelsurium von verschiedenen Ebenen: Material, Spaßfaktor und pädagogischer Wert. Da müssen alle Ebenen stimmen.

derStandard.at: Sie sind Verfechter von "weniger ist mehr"?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Ja. Immer besser Qualität statt Quantität.

derStandard.at: Welches Spielzeug sollte jedes Kind besitzen?

Claudia Colloredo-Mannsfeld: Schaukeln, Trommel, Baumaterial, zwei, drei gute Spiele, die den Interessen des Kindes entsprechen, und eine gute Kugelbahn. (Peter Mayr, derStandard.at, 22.11.2013)