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Menschen, die unter einer Soziophobie leiden, haben permanent Angst sich in der Öffentlichkeit zu blamieren.

Wien - Angst in der richtigen Dosis kann die Wachsamkeit erhöhen und vor Gefahren schützen. Unangemessene Angst dagegen kann die Sinneswahrnehmung stören, kann lähmend wirken, die Freude am Leben nehmen und damit selbst zur potentiellen Gefahr werden. Angststörungen sind daher nicht zu unterschätzende psychiatrische Erkrankungen. Die Angst wird dabei so intensiv erlebt, dass ein großer Leidensdruck entsteht und ein normales Leben nicht mehr möglich scheint. Forscher der Medizinischen Universität Wien haben nun eine mögliche Erklärung gefunden, wie Sozialphobien und Angst im Gehirn ausgelöst werden können, nämlich durch eine fehlende hemmende Verbindung, quasi eine fehlende "Bremse" im Gehirn.

Mandelkern (Amygdala) und orbitofrontaler Kortex im Stirnlappen bilden einen wichtigen Regelkreis, um Gefühlszustände zu regulieren. Dieser Regelkreis ist sozusagen das Emotionskontrollzentrum im Gehirn. Während bei gesunden Probanden in diesem Kreislauf eine negative Rückkopplung und damit eine Beruhigung identifiziert wurde, konnten die Wissenschaftler bei Sozialphobikern mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) das Gegenteil zeigen: Eine wichtige, hemmende Verbindung ist bei diesen Patienten verändert, was erklären könnte, warum sie nicht in der Lage sind Angst zu kontrollieren.

Die Forscher unter der Leitung von Christian Windischberger haben auch herausgefunden auf welche Weise sich die Gehirnbereiche, die an der Emotionsverarbeitung beteiligt sind, gegenseitig beeinflussen. Den Studienteilnehmern wurde eine Reihe emotionalen Gesichter präsentiert, während sie sich der funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie-Messung unterzogen. fMRT ist ein nicht-invasives Verfahren, mit dem man durch den Einsatz von Radiowellen und Magnetfeldern Änderungen im Blutsauerstoffspiegel und damit die neuronale Aktivierung in einzelnen Gehirnregionen messen kann. Dabei kam ein am University College London entwickeltes Analyseverfahren zum Einsatz, mit dem eine neue Sicht auf die gemessenen Daten möglich ist.

Kreislauf durchbrechen

Mit der Einblendung der emotionalen Gesichtsausdrücke – von Lachen bis Weinen, von Zufriedenheit bis Zorn – wurde die neuronale Aktivität im Gehirn angestoßen. Das Ergebnis: Rein äußerlich war den Probanden zwar nichts anzumerken, aber bei die gesunden Probanden wurden durch die automatische "Bremse" im Kopf trotz der Emotionalität der Bilder beruhigt, bei den Sozialphobikern aber sorgten die Fotos für einen "Turbo" und eine sehr starke neuronale Aktivität.  Das konnte mit Hilfe des neuen Analyseverfahrens deutlich gemacht werden: "Wir haben die Möglichkeit, nicht nur die Gehirnaktivität zu lokalisieren und zwischen Gruppen zu vergleichen, sondern können nun auch Aussagen über die funktionalen Verbindungen im Gehirn treffen. Gerade bei psychiatrischen Krankheiten kann man davon ausgehen, dass es nicht zu Komplettausfällen kommt, sondern vielmehr zu Ungleichgewichten in komplexen Regulierungsprozessen", so Ronald Sladky, Erstautor der Studie.

Durch das damit gewonnene, bessere Verständnis der beteiligten neuronalen Mechanismen sollen nun neue Ansätze für Therapiemöglichkeiten gefunden werden. Es gilt zu klären, welchen Einfluss Medikamente und psychotherapeutische Betreuung auf die beteiligten Netzwerke haben, um die Patienten dabei zu unterstützen die Kreisläufe der Angst zu durchbrechen. (red, derStandard.at, 2.12.2013)