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Blutproben zeigen den Status quo im Körper an und sind das wichtigste Diagnosetool.

New Orleans - Die Hämatologie ist die Wissenschaft von den Erkrankungen des Blutes. Im Knochenmark, wo es gebildet wird, kann viel aus dem Ruder laufen. Beim derzeit in New Orleans stattfindenden Hämatologenkongress der American Society of Haematology (ASH) spielen Blutzellen in verschiedenen Entwicklungsstadien die Hauptrolle. Was bei der Bildung von Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten alles schiefgehen kann, welche Erkrankungen sich daraus ergeben und wie diese heute behandelt werden können, das füllt mehr als 500 bedruckte Seiten im Kongresskatalog. Mehr als 20.000 Teilnehmer sind nach New Orleans gekommen, um fünf Tage lang Wissen auszutauschen.

Zwei Erkrankungen gilt heuer besondere Aufmerksamkeit: den Chronisch Lymphatischen Leukämien (CLL), weil es hier eine Reihe neuer, therapeutischer Optionen aus dem Bereich der genmodulierenden Medikamente gibt, und dem Multiplen Myelom, weil auch hier bahnbrechende Studien zu neuen Therapien präsentiert wurden. Das geflügelte Wort beim ASH ist "Overall-survival", also das Gesamtüberleben von Patienten. Wenn randomisierte Doppelblindstudien mit neuen Medikamenten und Arzneimittelkombinationen zeigen, dass sie lebensverlängernd sind, wird das als Riesenerfolg gefeiert. "Krankheitsbilder und ihre Behandlung werde immer spezifischer", präzisiert Joseph Mikhael, Direktor am Krebsforschungszentrum der Mayo Clinic in Arizona. Neben den Überlebenszeiten ginge es aktuell immer mehr um die Verträglichkeit von Therapien und die Reduktion der Toxizität.

Zielgerichtete Antikörper

Toxisch für die Patienten sind vor allem Chemotherapien, die derzeit bei der Behandlung von Krebserkrankungen der Blutzellen Standard sind. Mit dem steigenden Wissen über genetische Besonderheiten schaffen es zunehmend auch genmodulierende Medikamente in die Klinik. Eine Studie an 1630 Patienten mit Multiplem Myelom hat gezeigt, dass der immunmodulierende Wirkstoff Lenalidomid gegenüber der Standard-Chemotherapie genauso erfolgreich ist. "Das sind erste Hinweise, dass Krebsbehandlungen in Zukunft ohne Chemotherapie auskommen und damit verträglicher für die Patienten werden könnten", sagt Heinz Ludwig, Leiter der Onkologie am Wilhelminenspital in Wien.

Weil viele Blutkrebserkrankungen erst um das 70. Lebensjahr auftreten, ist das auch bei CLL ein hochaktuelles Thema, aufgrund des Allgemeinzustandes oder Begleiterkrankungen von Patienten fallen aggressive Chemotherapien als Behandlungsoptionen weg, zielgerichtete Therapien mit Antikörpern bleiben als einzige Alternative übrig.

Aufgeregt waren die Besucher beim ASH über den Einsatz des Tyrosinkinasehemmers Ibrutinib, der in den USA bereits zugelassen ist und sich in Studien als effizient und verträglich erweist. Das Ziel: den Behandlungserfolg, den man mit dem monoklonalen Antikörper Imatinib bei der Chronisch Myeloischen Leukaemie (CML) erzielt hat, nun auch auf die CLL ausweiten zu können. "Das ist nicht einfach, weil man es bei CLL nicht nur - wie bei CML - mit einer genetischen Veränderung zu tun hat, sondern mit mehreren", sagt Johannes Drach, Hämatologe und ärztlicher Leiter der Confraterinität in Wien, "ein Pulverl für alles wird es leider nicht geben."

Genetische Typisierung

Dass er recht hat, spiegelt sich in den Ausstellungshallen der Konferenzen wider, wo pharmazeutische Firmen unterschiedliche Substanzen im Köcher parat haben. Diese sind meist als schlüsselähnliche Figuren visualisiert, die kranke Blutzellen auf verschiedene Weise reparieren können. "In den nächsten Jahren werden wir eine wachsende Anzahl von Medikamenten zur Verfügung haben, unter denen wir wählen werden", sagt Drach, der in der Kombination verschiedener Medikamente eine neues Behandlungsmodul sieht. Langfristig, meinen Experten, könnten Antikörper-Cocktails eine Alternative zur Knochenmarktransplantation werden.

"Wegen der demografischen Entwicklungen sind Therapien bei älteren Patienten ein Zukunftsthema", sagt Reinhard Stauder, Leiter der Arbeitsgruppe für Geriatrische Hämatologie und Onkologie an der Med-Uni Innsbruck. Dazu kommt: Durch die genetische Typisierung entstehen viele Untergruppen von Erkrankungen.

Um überhaupt auf die notwendigen Patientenzahlen für aussagekräftige Studien zu kommen, wird die globale Zusammenarbeit notwendiger denn je zuvor. Bei Kongressen werden Kontakte geknüpft und Projekte ins Laufen gebracht. Die Ergebnisse werden beim ASH 2014 präsentiert. (Karin Pollack, DER STANDARD, 10.12.2013)