Eine Studie aus Deutschland hat gezeigt, dass Männer im Laufe der neun Schwangerschaftsmonate im Schnitt vier Kilogramm an Gewicht zulegen.

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Morgendliche Übelkeit und Erbrechen, spezielle Nahrungsvorlieben, Verdauungsstörungen und Stimmungsschwankungen - Frauen sind diese zum Teil sehr unangenehmen Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft in vielen Fällen bekannt. Dass auch der Partner mit vergleichbaren Symptomen zu tun haben kann, ist zumindest was den zunehmenden Leibesumfang betrifft, kein großes Geheimnis. Eine Bremer Untersuchung hat gezeigt, dass Mann im Laufe der neun Schwangerschaftsmonate im Schnitt vier Kilogramm an Gewicht zulegt.

Das mag vermutlich damit zu tun haben, dass Mann sich solidarisch mit dem veränderten Lebensrhythmus seiner Partnerin zeigt. So stehen dann anstelle gemeinsamer sportlicher Aktivitäten, vielleicht fortan mehr gemeinsame sitzende Tätigkeiten, wie Kino- oder Restaurantbesuche, auf dem Programm. Logisch, dass auch sein Körpergewicht unter diesen Umständen steigt, hat er sich doch an ihre veränderten Bedürfnisse angepasst.

Gar nicht so selten bleibt es jedoch nicht beim Zunehmen allein. Entwickeln "schwangere Männer" eine Reihe anderer psychischer und somatischer Schwangerschaftsbeschwerden, dann sprechen Wissenschaftler vom sogenannten Couvade-Syndrom.

Zeit des Umbruchs

Der Begriff Couvade (vom französischen "couver": brüten) wurde ursprünglich für die Bezeichnung eines Rituals verwendet, das bis Anfang des letzten Jahrhunderts insbesondere im Mittelmeerraum praktiziert wurde. Werdende Väter versuchten sich auf diesen neuen Lebensabschnitt einzustellen, indem sie den Geburtsverlauf nachvollzogen und die Geburtswehen samt Schmerzen imitierten.

Zweifelsohne ist insbesondere die erste Schwangerschaft auch für werdende Väter eine wichtige Zeit, in der mit Phantasien und Ängste bezogen auf die kommende Vaterschaft auftauchen. Couvade-Rituale und das Couvade-Syndrom sind bewusste oder unbewusste Strategien, die dem Mann, den Umbruch vom alten in sein das neues Leben, erleichtern sollen.

Anthropologisch betrachtet macht die Entwicklung der männlichen Schwangerschaftsbeschwerden also durchaus Sinn, auch was das Wachstum des Bauches betrifft. Denn dieses, davon gehen Evolutionsbiologen aus, dient dazu nötige Energiereserven aufzubauen, die anschließend dem Nachwuchs zugute kommen.

Weißbüscheläffchen verfolgen übrigens denselben Plan, wie Wissenschaftler vom Wisconsin National Primate Center und Kollegen des Department of Psychology der Universität Wisconsin-Madison USA im Jahr 2007 zeigen konnten. Werdende Affenväter legen nämlich ebenfalls an Gewicht zu. Aus gutem Grund, wie die Forscher berichten: Sie sind sehr engagiert bei der Brutpflege und rüsten sich so für die Zeit nach der Geburt.

Konflikthafte Phase

Hans-Peter Kapfhammer, Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie an der Medizinischen Universität in Graz bezeichnet das Couvade-Syndrom ebenfalls als Ausdruck der Auseinandersetzung mit einer neuen Lebenssituation: "Der Übergang zur Vaterschaft ist eine emotional höchst bedeutsame und potenziell konflikthafte Phase im Leben eines Mannes". Dieser konflikthaft erlebte Anpassungsvorgang wird dabei unterschiedlich erlebt und zeigt sich beispielsweise in Rivalitätsgedanken beziehungsweise in der dominierenden Furcht des werdenden Vaters seine Partnerin an das Kind zu verlieren. Psychodynamisch betrachtet, so Kapfhammer, stehen die Ängste oft in Zusammenhang mit abgewehrten aggressiven Phantasien, wie der Angst das Kind zu verletzen. "Zu einem tatsächlich feindseligen Verhalten kommt es allerdings selten", weiß der Experte.

Die Psychoanalyse interpretiert das Phänomen des Couvade-Syndroms auch unter dem Aspekt des Gebärneids, dem eine narzisstische Kränkung des Mannes zugrunde liegt. Eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung steckt hinter den Schwangerschaftssymptomen werdender Väter allerdings nur in Ausnahmefällen. Zumeist verschwinden die Beschwerden von selbst, und werden von den Betroffenen auch gar nicht als Beeinträchtigung erlebt. "Konkret suchen 22 Prozent einen Arzt auf", sagt Kapfhammer und ergänzt, dass Betroffene bereits dann eine Entlastung spüren, wenn der Arzt vermitteln kann, dass die körperlichen Symptome als Ausdruck der emotionalen Beteiligung an der Geburt zu werten sind." (Regina Walter, derStandard.at, 15.1.2014)