Mit dem G Flex will LG technologisch vorlegen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Die selbstheilende Rückseite beherbergt auch den Power-Button sowie die Lautstärkeregler, die direkt unter der Kamera angebracht sind.

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Das 720p-Display liefert gute Farben und Kontraste.

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Eine sanfte Biegung soll für mehr Komfort sorgen, was aufgrund der schieren Größe aber kaum gelingt.

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Einer der wenigen positiven Aspekte der Oberfläche: Der Multitasking-Modus.

Foto: Screenshot

Eine der vielen grauenvollen Umsetzungen: Der hoffnungslos überladene Benachrichtigungsbereich.

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Kamera - Testbild: Tageslicht

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Kamera - Testbild: Kunstlicht

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Gebogen ist schick, zumindest bei Displayherstellern. Schon seit einiger Zeit präsentieren verschiedene Firmen allerlei Techdemos und Prototypen von Bildschirmen abeits der üblichen flachen Viereckigkeit. So hofft etwa die Fernsehindustrie unter anderem dadurch für Aufschwung im stagnierenden Geschäft. Neue Technologie macht aber natürlich auch vor Smartphones nicht Halt.

Samsung hat etwa schon vor längerem das Galaxy Round vorgestellt, das entlang seiner Breite eine Wölbung aufweist. LG hat ebenfalls ein gebogenes Handy auf den Markt gebracht: Das LG G Flex. Dieses biegt sich entlang der Längsachse etwas durch, was allerlei Vorteile bringen soll. Ob es sich dabei um wirkliche Verbesserungen handelt, wurde im WebStandard-Test erprobt.

Phablet

Das LG G Flex lässt sich recht klar in die Kategorie der "Phablets" einreihen und spielt in Sachen Größe (160,5 x 81,6 x 8,7 Millimeter) in der gleichen Liga wie etwa das Samsung Galaxy Note 3. Die Displaydiagonale liegt bei sechs Zoll (15,24 cm), an einhändige Bedienung ist nicht zu denken. Das POLED-Display löst mit 1.280 x 720 Pixel auf, was mit 245 PPI eine etwas niedrigere Pixeldichte erzeugt, als die meisten anderen Highend-Geräte. Trotzdem muss man sich sehr anstrengen, um einzelne Pixel auszumachen.

In Sachen Farbe und Kontrast liefert das Display eine gute Darstellung, die maximale Helligkeit reicht für den Außengebrauch in der Regel aus. Etwas merkwürdig ist allerdings die Helligkeitsregelung, die die Beleuchtung bis zu einer Einstellung von 95% recht gleichmäßig intensiviert, auf der letzten Stufe allerdings einen deutlichen Sprung produziert. Dies dürfte sich aber softwareseitig beheben lassen. Nett: Wie man es bereits von manchen anderen Geräten kennt, lässt sich das Gerät per Doppeltippser auf das Display aufwecken.

Gute Verarbeitung

Das Gerät bietet rundum ein Kunststoff-Case und ist an sich gut verarbeitet. Lediglich in der Mitte einer Seite scheint das Spaltmaß etwas größer zu sein, als notwendig. Das gewählte Material, insbesondere die glänzende Rückseite als wahrer Fingerabdruckmagnet, wirkt allerdings etwas billig. Auf der Rückseite verzichtet LG auf das vom Optimus G, Optimus Pro und Nexus 4 bekannte Pixelmuster. Dafür soll die Oberfläche in der Lage sein, oberflächliche Kratzer selbst zu heilen – neben der Biegung ein zweites herausstechendes Merkmal. microUSB-Anschluss und die 3,5mm-Audioklinke befinden sich an der Unterseite.

Flotte Hardware

Im Inneren werkt Qualcomms Snapdragon 800-Plattform mit 2,2 Ghz-Quadcore-CPU, die sich an zwei GB Arbeitsspeicher bedienen darf. Der Onboardspeicher ist mit 32 GB bemessen, einen microSD-Steckplatz gibt es nicht. Der Lithium-Polymer-Akku liefert 3.500 mAh, ist, um ins Gehäuse zu passen, ebenfalls gebogen und soll 15 Stunden Gesprächszeit oder bis zu 720 Stunden Standby liefern.

In Sachen Kamera hat sich LG eines 13-Megapixel-Moduls mit einfachem LED-Blitz bedient. Auf der Vorderseite fotografiert oder telefoniert man mit 2,1 Megapixel. Die üblichen Konnektivitätsoptionen (3G, ac-Dualband-WLAN, Bluetooth, NFC) sind an Bord, darüber hinaus unterstützt das LG Flex auch LTE. Navigiert wird via GPS und GLONASS, was übrigens sehr genau und stabil funktioniert. Vorinstalliert ist Android in der Version 4.2 und LGs eigener Oberfläche.

Interface-Rant

Bevor nun auf die Performance des Geräts und seine besonderen Eigenheiten eingegangen wird, erfolgt an dieser Stelle eine leider obligatorische Beschwerde: LGs modifizierte Android-Oberfläche gehört zu den unübersichtlichsten und (subjektiv gesehen) hässlichsten Umsetzungen, die am Markt zu finden sind und wertet hier nicht zum ersten Mal ein Telefon mit an sich guten Spezifikationen ab.

Ästhetisch ist das UI inkonsistent und wirkt an vielen Stellen wie eine halbgare Wiederkehr von Android 2.3, in der praktisch jede Systemapp verschlimmbessert wurde. Die Sortierung der Optionen im Einstellungsmenü ist nur bedingt nachvollziehbar. Dafür liefert das System allerlei sinnlose Animationen (etwa beim Anstecken eines Ladekabels), die sich manchmal auch doppeln (Lade-Icon + Batteriesymbol mit Lademarkierung).

Das Sinnbild des Interface-Fiaskos ist und bleibt aber die Benachrichtigungsleiste, die standardmäßig zu rund zwei Drittel mit allerlei Kurzeinstellungen zugepflastert ist und somit kaum noch Platz für eigentliche Notifications lässt. Immerhin positiv herausheben lässt sich, dass LG auf eigene Navigationstasten unter dem Display verzichtet und diese ins System integriert und die Möglichkeit liefert, den Bildschirm zwecks Multitasking mit zwei Apps zu teilen.

Performance

Durch das System navigiert man, wie es die Hardware erwarten lässt, flott und ruckelfrei. Apps starten schnell, auch mit aufwendigeren Tasks hat das LG Flex keine Probleme. Bestätigt wird das auch von den Benchmarks: Mit rund 36.400 Zählern beim Allround-Test mit Antutu als auch mit knapp 3.000 Punkten im HTML5-Parcour bei Vellamo lässt das Gerät Samsungs Note 3 hinter sich. Bei Epic Citadel zeigt sich bei einer durchschnittlichen Bildwiederholrate von 58 FPS nicht mit Problemen bei Games mit anspruchsvollerer 3D-Grafik zu rechnen ist.

Größe vs. Biegung

Dass ein gebogenes Telefon besser in der Hand liegt, ist durchaus denkbar. Beim LG Flex ist der Vorteil allerdings kaum zu bemerken, was an der schieren Größe des Geräts liegt. Trotz schlanker Kanten bleibt beidhändige Bedienung die einzige Option.

Wie auch beim G2 hat LG den ein-/Ausschalter als auch die Lautstärkeregelung auf der Rückseite des Handys platziert. Das ist bereits bei einem kleineren Smartphone gewöhnungsbedürftig, für eines mit diesen Maßen aber schlichtweg nicht praktikabel. Dazu befinden sich die Tasten unmittelbar unter der Kamera, die man auf diesem Wege unabsichtlich leicht mit Fingerabdrücken eindecken kann.

Wenig Effekt

Die Biegung des Displays soll zudem für einen gleichmäßigeren Augenabstand sorgen. Angesichts dessen, dass moderne Bildschirme ohnehin sehr gute Betrachtungswinkel liefern, ergibt sich hier kein wahrnehmbarer Effekt. Beim Aufnehmen von Bildern hingegen entsteht mangels Gewohnheit der Eindruck, man würde Bilder mit einem leichten Fischaugeneffekt aufnehmen.

Beim Telefonieren hingegen legt sich das Gerät dank seiner Passform wirklich besser ans Gesicht an. Dies macht es komfortabler, einen guten Abstand zwischen Ohr und Lautsprecher zu bewahren. Im Gegenzug dafür ist allerdings die Berührungsfläche größer, was wiederum Abdrücke am Bildschirm nach sich ziehen kann.

Ein weiterer Vorteil der geschwungenen Form ist, dass der externe Lautsprecher nicht am Untergrund aufliegt und bei einem Fall auch der Bildschirm etwas besser geschützt sein dürfte. Da aber auch die rückseitige Aufliegefläche reduziert wird, bewegt sich das Handy gerne mit, wenn man es am Tisch liegend bedient. Die Form des Geräte ist übrigens nicht starr. Es lässt sich mit etwas Kraftaufwand durchaus etwas verbiegen, was den einen oder anderen Unfall (so man es in der Hosentasche trägt) vermeiden könnte.

Selbstheilende Beschichtung als interessantester Fortschritt

Die selbstheilende Beschichtung der Rückseite entpuppt sich im Test als tatsächlich nette Innovation. In der Realität vollbringt sie zwar keine Wunder, wie im Werbespot von LG, kleinere Kratzer werden aber tatsächlichnach einer gewissen Zeit fast unsichtbar. Mittlere Einschürfungen reduzieren sich zumindest merkbar.

Wie lange dies jeweils dauert, hängt stark von der Raumtemperatur ab. Bei rund 30 Grad sollen kleine Kratzer schon in einigen Minuten reduziert sein, bei den zirka 20 Grad unter Testbedingungen betrug die Wartezeit mehrere Stunden. Gegen tiefere Schrammen richtet die Schutzschicht allerdings nichts aus.

Akku

Mit 3.500 mAh ist der Akku des LG Flex an und für sich recht großzügig bemessen. Allerdings scheint das Telefon möglicherweise Bildschirm- oder Software-bedingt einen erhöhten Grundbedarf zu haben, auch wenn man etwa die Displayhelligkeit herabsetzt oder Optimierungsfeatures für das WiFi anschaltet. Nutzt man das Gerät regelmäßig, ist am Abend trotz der Gang zur Steckdose unvermeidlich. Eine Langzeitbeobachtung bezüglich der Standbyzeit war nicht möglich, die 720 Stunden erscheinen allerdings unrealistisch.

Sound

Hinsichtlich seiner akustischen Eigenschaften gibt sich das G Flex wenig Blöße. Der Lautsprecher klingt für ein Smartphone – sofern nicht zu laut aufgedreht – passabel, reicht aber nicht den Sound heran, den etwa das HTC One produziert.

Die Klangqualität über den Kopfhörerausgang ist ebenfalls in Ordnung. Der Telefonlautsprecher verfügt über eine gute Maximallautstärke, die Klangqualität ist mittelmäßig. Das Mikrofon leistete im Test gute Arbeit, man selbst ist klar und deutlich zu verstehen.

Kamera

Die 13-MP-Kamera löst schnell aus, liefert überdurchschnittliche Bilder und gibt die meisten Details gut wieder. Es stehen eine Reihe verschiedener Aufnahmemodi zur Verfügung, die man bereits vom G2 oder Optimus G Pro kennt. Farben könnten, vor allem unter Kunstlicht, aber kräftiger dargestellt werden. Die Frontkamera ist relativ lichtstark, schönere Aufnahmen gelingen aber trotzdem nur mit ausreichend Tageslicht.

Fazit

Mit dem G Flex liefert LG ein Highend-Smartphone mit zwei Unique Selling Points: Die gekrümmte Form und die selbstheilende Rückseite. Letztere erweist sich zwar noch nicht als all zu mächtiger Kratzer-Notarzt, zeigt aber Zukunftspotenzial. Auch die Krümmung in Verbindung mit der etwas elastischen Gesamtkonstruktion könnte Sinn ergeben, wäre das Smartphone nicht so groß. So bleiben im Endeffekt der nicht mehr am Boden anliegende Lautsprecher und die reduzierte Schadensgefahr für das Display übrig.

Darüber hinaus handelt es sich um ein gut verarbeitetes Device mit flotter Hardware, das sich vorrangig an Phablet-Freunde richtet. Geknechtet ist die gute Basis mit einer nicht mehr ganz frischen Betriebssystemversion, deren Oberfläche von LG verunstaltet wurde. Technisch gesehen wäre das G Flex trotzdem ein gutes Angebot, wenn diese Mankos nichts ausmachen – wäre da nicht der Preis.

Im freien Handel ist das Gerät ab rund 650 Euro zu haben, das günstigste Angebot in Österreich, das ad hoc zu finden war, lag bei 730.  Das ist selbst für Early Adopter schlichtweg zu hoch gegriffen, zumal der bereits angesprochene Konkurrent von Samsung bei gleichem Speicherangebot rund 200 Euro billiger ist. Wer es etwas handlicher mag, kann ebenso zum Nexus 5 oder dem LG G2 greifen, die nochmals weniger kosten. (Georg Pichler, derStandard.at, 11.02.2014)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Das Testgerät wurde der Redaktion für einen begrenzten Zeitraum vom Hersteller zur Verfügung gestellt.