Eine von vielen Werbungen, die auf die Karte "dummer Mann" setzt: die aktuelle Kinder Pingui-Werbung.

 

Foto: Screenshot youtube Kinder Pingui Werbung

Letztes Mal habe ich an dieser Stelle beschrieben, dass und wie der Begriff "Mädchen" noch immer als Herabsetzung und Bezichtigungen von Buben gebraucht wird. Die Reaktionen darauf im Forum waren wie immer ausgesprochen vielfältig und manche mit der Frage verbunden, was denn mit dem männlichen Geschlecht sei? Sind nicht Buben die eigentlichen Bildungsverlierer und diejenigen, deren Verhalten für unangemessen beziehungsweise überflüssig befunden wird. Und überhaupt: Was ist mit Sexismus gegen Männer?

Gegenfragen zur Deutungshoheit

Diese Fragen sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen scheint einigen FragestellerInnen entgangen zu sein, dass es in der von mir beschriebenen Situation um die (versuchte) Herabsetzung eines Buben ging. Zum anderen entsprechen solche Anwürfe dem häufig bemühten Kommunikationsmittel, durch Gegenfragen vom Thema abzulenken und sich so die Deutungshoheit zu sichern. Und zu guter Letzt sind diese Fragen deshalb interessant, weil es richtig und wichtig ist, sie zu stellen.

Sie knüpfen an das offensichtliche Problem an, dass Buben und Männer sich zunehmend schwer tun. Buben hängen irgendwo zwischen alten, in Auflösung begriffenen Rollenmustern und neuen, noch nicht klar umrissenen Verhältnissen. Dieser Umstand spiegelt sich auch in der medialen Darstellung des männlichen Geschlechts wider und wird dadurch noch verstärkt.

Männer werden mittlerweile nicht nur als Macher und kernige Kerle gezeigt, sondern insbesondere in der Werbung als Klischee vom "richtig dummen Mann" inszeniert. Darin wimmelt es von Typen, die als Ehemann und/oder Vater wie ein zu groß geratenes Kind daherkommen. Überfordert mit dem normalen Familienalltag erweisen sie sich als unfähig, selbst Kleinigkeiten zu bewältigen.

Unfähig zur Selbstständigkeit

Der "richtig dumme Mann" bekommt, wie Sie sich vielleicht erinnern werden, von seiner Frau vorgeschrieben, was er zu trinken hat ("Herbert, trink das!"). Er kann nicht mit Menschen umgehen, ist nicht in der Lage, seinen Sohn dem Wetter entsprechend anzuziehen und stellt sich beim Bezahlen des Pizzaboten einfach selten dämlich an.

Selbst wenn der "richtig dumme Mann" nicht ganz so doof daher kommt, wird seine Eignung, den Familienalltag alleine bewältigen zu können, in Frage gestellt (siehe aktuelle Pingui Werbung). Seine Befähigung hierfür wird bewertet, als unzureichend charakterisiert und letztendlich verlacht. In der US-amerikanischen Werbeindustrie ist dieses Klischee noch verbreiteter. Dort können Männer nicht einkaufen, nicht selbstständig bezahlen und nicht entscheiden, was sie essen sollen. Sie verfallen in hypnotische Starre, wenn eine Frau in der Nähe ist, können auf Familienfotos nicht still sitzen und erweisen sich immer wieder als komplett unfähig, wenn es darum geht, ein Mindestmaß an Verantwortung zu übernehmen.

Herabwürdigend und systemstabilisierend

Diese Charakterisierung als inkompetenter Trottel wirkt doppelt fatal. Sie ist zunächst einmal ganz unmittelbar herabwürdigend und mehr als fragwürdig in ihrer Aussage gegenüber Männern und vor allem Jungen. Darüber hinaus stellt sie die gerne formulierte Behauptung auf, dass Männer nun einmal nicht dafür geschaffen sind, im Haushalt souverän zu agieren. Diejenigen, die von ihnen mehr Beteiligung im Haushalt fordern, müssen sich nach dieser Logik eben damit abfinden, wenn die Dinge schief laufen.

Die Werbebranche setzt auf diese Typen mittels eines "nie enden wollendes Augenzwinkern" und möchte sich damit bei einer neu identifizierten Zielgruppe anbiedern. Zugleich wird so, ob nun beabsichtigt oder billigend in Kauf genommen, der Status Quo zementiert: Nämlich die Vorstellung von getrennten Sphären, in denen Frauen und Männer stattfinden beziehungsweise stattzufinden haben.

Wer vom Büro aus die Weltmärkte im Griff hat, der muss ja zwangsläufig zu Hause Bunt- mit Weißwäsche vermischen – und umgekehrt. Diese Behauptung sollte so nicht stehen gelassen werden. Männer – und das haben sie mit all ihren Mitmenschen gemeinsam – können mehr. Wenn weniger Zeit darauf verschwendet würde, sie darauf zu fixieren, was vorgeblich männermöglich ist, hätten sie mehr Raum, ihr Menschenmöglichstes zu tun. Zum Beispiel mit ihrer kleinen Tochter eine Choreographie für Cheerleading einzuüben.

Wer oder was sollte sie aufhalten? (Nils Pickert, dieStandard.at, 26.2.2014)