Im Wandel der Jahre: War in der Kunst schon immer ein Thema.

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Die Wechseljahre sind eine Lebensphase, keine Krankheit. Dieser Erkenntnis beugen sich Vertreter der Lifestyle-Medizin nur ungern. Der große Schock der amerikanischen WHI-Studie, die quasi als Nebenwirkung starke Negativfolgen der Hormonersatztherapie zutage brachte, scheint überwunden. Hormone werden wieder angepriesen: gegen Wechselbeschwerden als Substitutionstherapie, gegen das sichtbare Altern als Kosmetika und für das Idealgewicht gibt es Schwangerschaftshormone aus der Injektionsnadel zum Fettabbau.

Ein Blick zurück: 2002 wurde in den USA die WHI-Studie (Women's Health Initiative) abgebrochen. Die Studie, an der mehr als 16.000 Frauen teilnahmen, sollte den Nachweis bringen, dass Hormone Frauen nach den Wechseljahren vor Herzinfarkt schützen. Das Gegenteil war der Fall.

Hormonersatz und Brustkrebsrisiko

Man erkannte, dass Kombinationspräparate aus Östrogen und Gestagen zu einer Zunahme von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Thrombosen und Embolien führen. Bei Frauen ohne Gebärmutter, die nur Östrogene nahmen, stieg die Häufigkeit von Thrombosen und Schlaganfällen. Die wohl folgenschwerste Erkenntnis: Das Brustkrebsrisiko steigt durch Hormonersatztherapie.

Jüngere Studien aus Schweden und Frankreich belegen ein erhöhtes Risiko, nach einer Hormonersatztherapie an Bauchspeicheldrüsenentzündung und Gallensteinen zu erkranken. Ob Hormonersatz gegen die häufigste Wechselnebenerscheinung, die Hitzewallungen, wirklich hilft, wird inzwischen in Zweifel gezogen. Hitzewallungen stellten sich bei der Hälfte der Frauen nach drei bis sechs Monaten von selbst ein. In München wird zurzeit untersucht, ob Hormonsubstitution langfristig wirkt oder ob zur Wirksamkeit eine permanente Therapie notwendig ist.

Umkämpfter Markt

Der Markt reagierte auf die WHI-Studie empfindlich, allein in Deutschland sank der Verbrauch von Hormonpräparaten in zehn Jahren um 74 Prozent. Der Wiener Gynäkologe Johannes Huber hält am Glauben an Hormone fest: "Die Substitutionstherapie induziert eine deutliche Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität und kann darüber hinaus viele endokrine und metabolische Störungen heilen. Gleichzeitig stellt sie eine Prophylaxe für zahlreiche Erkrankungen dar", ist auf seiner Website zu lesen.

Ist die Hormonersatztherapie wieder im Kommen? Die Gesundheitssoziologin Sylvia Groth sieht "keinerlei fundierten Grund, die Hormonbehandlung in den Wechseljahren zu rehabilitieren." Es gebe keine neuen Studien, die die Einnahme von Hormonen in und nach den Wechseljahren als sinnvolle Behandlung nachweisen, sagt die Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrum Graz.

Skepsis als Entscheidungsgrundlage

Auf Websites von Anti-Aging-Medizinern und in gynäkologische Fachzeitschriften scheint es eine Renaissance der Hormonersatztherapie zu geben. Groth: "Was sich geändert hat, ist, dass eine neue Kohorte von Frauen im Wechsel ist. Viele von ihnen wissen nicht mehr, dass zahlreiche Frauen Schaden genommen haben durch eine unkritische Verschreibung von Hormonen. Und sie wissen nicht, wie heftig vor zehn Jahren die Kontroversen waren."

Statt Frauen wahllos zu behandeln, gelte es, sie grundlegend über Veränderungen in den Wechseljahren zu informieren. Nicht alle Beschwerden, die dem Klimakterium zugeschrieben werden, müssen auch davon kommen, sagt Groth: "Beschwerden in dieser Lebensphase können unterschiedliche Ursachen haben. Etwa Erkrankungen oder starke seelische Belastungen, die zeitgleich auftreten." Hormontherapien könnten in sehr wenigen Einzelfällen sinnvoll sein, räumt Groth ein, doch müssten Frauen, bevor sie einwilligen, verständlich und umfassend informiert werden.

Vorsicht Natur

Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Osteoporose und Lustlosigkeit gelten als die häufigsten Wechselbeschwerden. Schaut man sich in Apotheken und auf Websites um, ist gegen alle diese Symptome ein Kraut gewachsen. Als Folge auf die Kritik an der Hormonbehandlung sei ein sehr großer Gesundheitsmarkt entstanden, sagt Groth: "Zweifelhafte, unwirksame Alternativen zu Hormonen werden für teures Geld angeboten." Groth rät zur Vorsicht: Nicht alles, was als natürlich beworben würde, sei es auch.

Als gut zahlende Pharmakonsumentinnen würden Frauen um ihr Geld gebracht, polemisiert Regula Stämpfli, streitbare Schweizer Politphilosophin, in ihrem neuen Buch "Die Vermessung der Frau". Es sei höchste Zeit, die Menopause als Politikum zu sehen, die Frauen zu entpathologisieren und alternde Weiblichkeit gesellschaftlich einzubetten. (Jutta Berger, DER STANDARD, 4.3.2014)