Wien - Aus dem Großen Festsaal der Universität Wien dringt Johlen und Klatschen zu Ehren erfolgreicher Studienabsolventen. Was aus ihnen wird und wohin es sie verschlägt, ist in den meisten Fällen wohl noch nicht absehbar.

Es war ein Zufall, dass zeitgleich nebenan im Senatsaal Thema war, wie Uni-Absolventen in Österreich gehalten beziehungsweise später zurückgelockt werden können. "Wir bilden gut für den internationalen Wissenschaftsbetrieb aus, bieten aber zu wenige Rückkehrmöglichkeiten", fasste Uni-Wien-Rektor Heinz Engl in einer Pressekonferenz am Dienstag eine altbekannte Problematik zusammen. Fundierte Zahlen dazu liefert nun die Statistik Austria, die erstmals das Bildungsregister mit der Wanderungsstatistik verknüpfte. Demnach zieht es vor allem junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren in die Ferne - und zwar vornehmlich Hochqualifizierte.

Am häufigsten gehen Hochschulabgänger ins Ausland, nämlich im Schnitt 5,3 von 1000, gefolgt von AHS-Maturanten mit einem Anteil von 4,2 Promille (siehe Grafik links). "Letztere gehen schon zum Studieren woanders hin", erläuterte Heinz Faßmann, Vizerektor und Migrationsforscher. Die meisten, die das Land verlassen, sind Naturwissenschafter, es folgen Geisteswissenschafter und Kunstabsolventen.

Auch ausländische Studierende - 24 Prozent an Österreichs Unis - können kaum gehalten werden: Laut Faßmann beantragen weniger als 20 Prozent eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Ende des Studiums. "2013 erhielten 213 Absolventen eine Rot-Weiß-Rot-Card - im Vergleich zu rund 1700 Graduierten aus Drittstaaten", präzisierte Faßmann.

Bereits seit Jahren übertreffe die Zahl der Abwanderer jene der Rückkehrer um 5000 bis 10.000 Menschen pro Jahr. Die Ziele liegen vor allem in Deutschland, der Schweiz, der Türkei, in Nordamerika und Großbritannien. "Österreich hat ein Brain-Drain-Problem", folgert Faßmann.

Rektor Engl möchte lieber von "Brain Circulation" sprechen: Nach den nötigen Auslandserfahrungen sollen hochqualifizierte junge Menschen hierzulande attraktivere Karrieremöglichkeiten vorfinden, etwa mithilfe von sogenannten Laufbahnstellen ("Tenure Track"-Modell). Damit können junge Forscher nach einer Qualifizierungsphase einen unbefristeten Vertrag als Associate Professor ergattern und sich als unabhängige Wissenschafter etablieren.

"Die zündenden Ideen hat man in einem relativ frühen Alter", sagt Engl. 60 solcher Laufbahnstellen gibt es bereits an der Uni Wien, bis 2016 sollen weitere 30 dazukommen - ein kleiner Anfang. Rückkehrmodelle bieten auch der Wissenschaftsfonds FWF und der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF. "Es ist letztlich eine finanzielle Frage", betont Engl. Nicht nur, was Gehälter betrifft, sondern auch die Ausstattung. "Wir wollen Leute zurückholen, die am MIT eine Gruppe aufgebaut haben."

Faßmann forderte erneut ein Nachjustieren der Rot-Weiß-Rot-Card, die nach wie vor zu viele Hürden stelle, etwa eine zu kurze Jobsuchdauer und zu hohe Einkommensgrenzen - und generell "ein administratives Umdenken", was die Behandlung von Zuwanderern betrifft. (kri, DER STANDARD, 20.3.2014)